Nachweispflicht ohne Impfzwang – Gesetzentwurf zur allgemeinen Impflicht ab 18 Jahren

Bußgelder bis zu 2.500 Euro, Impfungen auch für Schwangere. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Einführung einer Impfpflicht ab 18 Jahren sind nicht unerhebliche Eingriffe in die Rechte der Bürger verbunden.
Titelbild
Bundestag.Foto: INA FASSBENDER/AFP via Getty Images
Von 12. März 2022

Am 17. März debattiert der Deutsche Bundestag über eine COVID-Impfpflicht. Mehr als 230 Abgeordnete haben einen 49-seitigen Antrag zur allgemeinen Impfpflicht ab 18 Jahren eingebracht. Demnach soll ab 1. Oktober 2022 für alle volljährigen Bürger eine Nachweispflicht zum COVID-Immunitätsstatus gelten, die seit mindestens sechs Monaten in Deutschland wohnen. Ausgenommen sind Personen, die sich aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht impfen lassen können, sowie Schwangere im ersten Schwangerschaftsdrittel. Die Regelungen sollen zunächst bis zum 31. Dezember 2023 befristet werden.

Ein vollständiger Immunstatus erfordert laut Entwurf drei COVID-Impfungen mit einem in der EU zugelassenen oder in einer Rechtsverordnung bestimmten Impfstoff. Für den Fall einer nachweislich durchgemachten Infektion sind zwei Impfungen notwendig. Um einen Genesenen-Nachweis zu erhalten, darf der positive Corona-Test mindestens 28 Tage und höchstens 90 Tage zurückliegen.

Verstöße gegen die Nachweispflicht können mit einem Bußgeld bis zu 2.500 Euro geahndet werden. Eine Zwangsimpfung ist ebenso wie eine Erzwingungshaft zur Durchsetzung eines Bußgeldes derzeit nicht vorgesehen.

Begründet wird die Einführung der Impfpflicht mit einer drohenden Überlastung des Gesundheitssystems und dem Ziel, der Entwicklung neuer Corona-Varianten in Deutschland Einhalt zu gebieten und die Impfquote zu erhöhen. Nach Ansicht der Abgeordneten ist der mit der Impfpflicht verbundene Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit nach Artikel 2 Grundgesetz in Anbetracht des beabsichtigten Gesundheitsschutzes gerechtfertigt.

Wirkung von COVID-Medikamenten heruntergespielt

Dass es inzwischen gut wirksame Mittel gegen COVID-19 gibt, selbst bei schweren Verläufen, wird von den Abgeordneten heruntergespielt. Stattdessen heißt es in dem Gesetzentwurf: „Andere Maßnahmen, die bei einer geringeren Eingriffsintensität ähnlich wirksam sind, existieren nicht.“

Arzneimittel könnten im Gegensatz zur Impfung nur reaktiv angewendet und bei einer unerkannten oder zu spät erkannten Infektion nicht vor einem schweren Verlauf schützen. Damit seien sie – im Gegensatz zu einer „Impfung mit sicheren und hochwirksamen Impfstoffen“ – nicht zur breiten Anwendung geeignet.

Laut Gesetzentwurf soll zudem die Umsetzung der elektronischen Zertifikate zum 1. November 2022 erfolgen. Weiter soll die Bundesregierung ermächtigt werden, durch Rechtsverordnungen ohne Zustimmung des Bundesrates abweichende Anforderungen an einen Impf-, Genesenen- und Testnachweis zu regeln, sofern diese „für die jeweils betroffenen Personen vorteilhaft“ sind. Das gilt sowohl für die Intervallzeiten zwischen den Impfungen, die Anzahl und mögliche Kombination von Einzelimpfungen sowie weitere Impfstoffe. Auch weitere Nachweismöglichkeiten für vorherige Infektionen können demnach neu geregelt werden.

Rechtsgutachten: Allgemeine Impfpflicht verfassungswidrig

Im Auftrag der „Ärztinnen und Ärzte für individuelle Impfentscheidung e.V.“, kurz ÄFI, hat Professor Dr. Dr. Volker Boehme-Neßler von der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Europarecht, Rechtstheorie, Telekommunikations- und Informationsrecht ein 87 Seiten umfassendes Rechtsgutachten zur allgemeinen COVID-Impfpflicht erstellt.

Das seit dem 25. Januar 2022 vorliegende Papier kommt zu dem Schluss, dass eine allgemeine Impfpflicht neben weiteren Grundrechten auch die in Artikel 1, Absatz 1 Grundgesetz aufgeführte „Menschenwürdegarantie“ verletzt. Trotz aller Fortschritte innerhalb der medizinischen Forschungen während der vergangenen beiden Jahre sei noch vieles unklar. Das erschwere die Abwägungsentscheidung zwischen Gefahr einer Krankheit und dem Nutzen der Impfung, zwischen Wirkung der Immunisierung sowie Nebenwirkungen und Langzeitfolgen. Durch eine Impfpflicht nehme der Staat den Bürgern diese hochkomplexe, riskante und sehr intime Entscheidung ab.

„Aus selbstbestimmten Bürgern und Bürgerinnen werden Objekte des staatlichen Handelns. Das verstößt gegen die Menschenwürdegarantie der Verfassung“, so Boehme-Neßler. Diese verlange, dass der Staat Menschen niemals als Objekte, sondern immer als selbstbestimmte Subjekte behandelt.

Die Impfpflicht sei nicht geeignet, um die mit ihr verfolgten pandemiepolitischen Ziele zu erreichen. Sie biete keinen zuverlässigen Schutz von einer Virusübertragung.

Mit der Kampagne „Die Corona-Impfpflicht ist das falsche Instrument“ setzt sich ÄFI weiterhin für eine individuelle, freie Impfentscheidung ein. Auf seiner Internetseite hat der Verein eine Briefaktion gestartet, mit der jeder Bürger sich an seine Bundestagsabgeordneten wenden und seine persönlichen Argumente gegen eine Impfpflicht darlegen kann.

Rechtsanwältin nimmt Gesetzentwurf unter die Lupe

Die Paderborner Rechtsanwältin Ellen Rohring hat sich in einem Video-Betrag dem neuen Gesetzentwurf gewidmet. Sie kritisiert die Behauptung, dass eine Drittimpfung das Risiko einer Ansteckung mit aktuellen vorherrschenden Virusvarianten mindere.

Ein Blick auf den Wochenbericht des Robert Koch-Instituts vom 3. März 2022 reiche aus, um sich vom Gegenteil zu überzeugen. Demnach wurden in vier Wochen rund 200.000 Personen in der Altersgruppe 18 bis 59 Jahren, die vollständig geimpft waren, als symptomatische COVID-19-Fälle eingestuft. Über 114.000 von ihnen waren geboostert. Laut Bericht waren von 403 verstorbenen COVID-Fällen in der Altersgruppe über 18 fast ein Viertel geimpft. Insgesamt 112 Personen verfügten über eine Auffrischungsimpfung, während 55 grundimmunisiert waren.

Tabelle 3 des RKI-Wochenberichts vom 3.3.22. Foto: Screenshot RKI

Zudem beantworte das Robert Koch-Institut auf seiner Website die Frage „Können Personen, die vollständig geimpft sind, das Virus weiterhin übertragen?“ wie folgt: „In welchem Maß die Impfung die Übertragung des Virus reduziert, kann derzeit nicht genau quantifiziert werden.“

Rohring verweist auch auf die angepasste Einschätzung zur Wirksamkeit der Impfstoffe auf der Website des staatlichen Paul-Ehrlich-Instituts (PEI). Demnach hieß es bis August: „COVID-19-Impfstoffe schützen vor Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus“. Im September habe das Institut die Aussage dahingehend revidiert, dass COVID-19-Impfstoffe „vor einem schweren Verlauf“ schützen. Nachdem auch das zweifelhaft geworden sei, heiße es inzwischen: „COVID-19-Impfstoffe sind indiziert zur aktiven Immunisierung zur Vorbeugung der durch das SARS-CoV-2-Virus verursachten COVID-19-Erkrankung“.

Aufgrund der hohen Impfquoten unter Volljährigen und der Vielzahl von Immunisierten dürfte nach Ansicht der Anwältin eine Impfpflicht nicht erforderlich sein. Durch die hohen Infektionszahlen bei Geimpften und Geboosterten sei sie auch nicht geeignet. Zudem würden Nebenwirkungen derart vernachlässigt werden, „dass eine Folgenabwägung der nicht endgültig zugelassenen Impfstoffe gar nicht richtig möglich ist“.

Für Rohring ist es unverständlich, dass die Abgeordneten mit dieser Faktenlage tatsächlich eine Impfpflicht begründen wollen.

COSMO-Studie: 60 Prozent der Ungeimpften wollen sich nicht impfen lassen

Die Abgeordneten, die sich hinter die Impfpflicht ab 18 Jahren stellen, nehmen in ihrem Antrag Bezug auf die COSMO-Studie. Demnach wollen sich über 60 Prozent der bislang nicht geimpften Personen auf keinen Fall impfen lassen. Elf Prozent der Befragten berichteten, dass ein Arzt oder eine Ärztin ihnen vom Impfen abgeraten hätte, häufig aufgrund der unbekannten Langzeitfolgen.

Von den ungeimpften Genesenen erklärte nur ein Drittel, sich nach Ablauf des Zertifikats impfen lassen zu wollen. Um diese Personen zu erreichen, schlagen die Autoren der Studie eine gezielte Informationskampagne vor, beispielsweise über die Corona-Warn-App.

Das häufigste Argument gegen die Impfung sind Sicherheitsbedenken. „Die Impfung wird zudem nicht als notwendig betrachtet; dies resultiert aus einer niedrigen Risikowahrnehmung durch die Erkrankung“, heißt es in einer Zusammenfassung. Je größer die Angst, desto geringer die Impfbereitschaft und desto größer die Wahrnehmung, dass sich Impfen nicht mehr lohne. Diese Zusammenhänge würden auch für geimpfte Personen mit Angst vor dem Impfen gelten.

Aus der Studie ist auch bekannt, dass insbesondere bei geboosterten Personen die Bereitschaft zu einer weiteren COVID-Impfung sinkt, wenn ihnen Informationen über das Medikament Paxlovid vorliegen – ein von dem Pharmakonzern Pfizer hergestelltes Medikament, das bei Risikopatienten mit leichten bis mittelschweren Krankheitssymptomen eingesetzt wird. Laut Pfizer soll durch Einnahme des Präparates die Gefahr einer Krankenhauseinweisung oder Todes auf etwa zehn Prozent sinken.

Auch der inzwischen in Umlauf gebrachte Novavax-Impfstoff ist für viele Ungeimpfte keine Alternative. 55 Prozent der nicht geimpften Personen lehnen diesen laut Studie ab, während 20 Prozent eher bereit seien, sich damit impfen zu lassen. „Damit ist Novavax bei Ungeimpften heute genauso unbeliebt wie im November die bereits zugelassenen Impfstoffe“, heißt es in der Studie.

Dass es zu keiner Zeit eine flächendeckende Überlastung des Gesundheitssystems gegeben hat, bekräftigte jüngst der FDP-Vize Wolfgang Kubicki: „Wir hatten keine Überlastung des Gesundheitssystems und werden auch keine mehr wegen Corona bekommen. Das war das zentrale Argument für die Grundrechtsbeschränkungen. Es wäre sicher hilfreich, wenn wir endlich aus dem Warn-Modus herauskommen.“

Der Artikel erschien zuerst in der Wochenzeitung Ausgabe 35 vom 11. März 2022.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion