Nachtragshaushalt erneut verfassungswidrig?
Ein genauer Zeitplan für die Verabschiedung des regulären Haushalts für 2024 steht bisher nicht fest, da erreichen die Ampelkoalition neue schlechte Nachrichten bezüglich des laufenden Etats. Der Nachtragshaushalt, den Bundesfinanzminister Christian Lindner am Ende des Vormonats vorgelegt hat, könnte erneut verfassungswidrig sein. Dies geht aus einer Stellungnahme des Bundesrechnungshofs hervor, über die „Bild“ berichtet. Erneut geht es dabei um den Umgang mit der Schuldenbremse.
Trickst sich die Ampel erneut an der Schuldenbremse vorbei?
Der Vorwurf lautet, der Entwurf habe erneut nicht alle Sondervermögen bei der Berechnung der im Sinne der Schuldenbremse einzubeziehenden Kreditaufnahme berücksichtigt. Immer noch soll es Kredite in Höhe von insgesamt 14,3 Milliarden Euro geben, die nicht im Haushaltsentwurf auftauchen, obwohl sie dies müssten.
Die Bundesregierung täte gut daran, die Kritik des Bundesrechnungshofs ernst zu nehmen. Immerhin gehörte dieser zu den ersten obersten Institutionen, die wiederholt am „Verstecken“ von Schulden in Sondervermögen Anstoß genommen hatten. Am Ende hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zur Schuldenbremse vom 15. November exakt diese Praxis als verfassungswidrig gewertet.
Nun ist die Rede von „weiterer Intransparenz“ hinsichtlich der tatsächlichen Haushaltslage, wie Thiess Büttner betont. Das Vorgehen sei „verfassungsrechtlich zweifelhaft“. Der Ökonom ist Vorsitzender des Stabilitätsrats, der seit 2010 die Haushaltsführung von Bund und Ländern überwacht.
Bundesrechnungshof zweifelt an Zulässigkeit rückwirkender Notlagenfeststellung
Im Bundesfinanzministerium betrachtet man die Kritik als verfrüht. Es verweist auf die Begründung des Gesetzentwurfs zum Nachtragshaushalt. In dieser heiße es ausdrücklich, dass „die Behandlung weiterer, nicht notlagenkreditfinanzierter Sondervermögen noch geprüft wird“.
Bis zum Ende der parlamentarischen Beratungen werde die Prüfung abgeschlossen sein und bei Bedarf komme es zu einer Anpassung. Nicht sämtliche Rücklagen von Sondervermögen betrachte das Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig, heißt es aus Lindners Behörde.
Der Bundesrechnungshof bemängelt jedoch auch das Vorhaben der Ampel, rückwirkend eine Notlage zu erklären, um die Aussetzung der Schuldenbremse zu rechtfertigen. Dies könnte erneut eine verfassungswidrige Verbiegung des parlamentarischen Budgetrechts darstellen.
Die Bundesregierung strebt einen Beschluss des Bundestages zum Fortbestand einer Notlage an. Demnach seien die Folgen des Ukrainekrieges und der dadurch verschärften Energiekrise „auch noch im Jahr 2023 deutlich spürbar“ gewesen.
Beirat legt Gutachten über Anpassung der Schuldenregel vor
Unterdessen spitzt sich die Debatte um eine mögliche Reform der Schuldenbremse zu. Kritiker eines solchen Vorhabens befürchten eine Aushöhlung, Befürworter hingegen behaupten, diese verhindere auch dringend erforderliche Modernisierungsinvestitionen.
Auch der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium stimmt dieser Auffassung zu. Er will die Schuldenbremse zwar nicht grundsätzlich infrage stellen. Allerdings plädiert er für eine Unterscheidung zwischen Kreditaufnahmen der öffentlichen Hand nach deren Verwendungszweck.
In einem dem „Handelsblatt“ vorab vorliegenden Gutachten spricht sich das Gremium für eine Anpassung der Schuldenbremse aus. In ihrer derzeitigen Form, so der Beirat, setze diese „Fehlanreize“. Insbesondere bemängelt man die Gleichbehandlung von Konsumausgaben wie Sozialtransfers und Nettoinvestitionen, die „erstmalig vorgenommen werden und so die wirtschaftliche Substanz erweitern“.
Schuldenbremse solle nicht mehr für Nettoinvestitionen gelten
Während für die Konsumausgaben weiterhin die Schuldenbremse gelten solle, solle es für Nettoinvestitionen weitgehende Freiheiten zur Kreditaufnahme geben. Diese sollen demnach nicht mehr von der Schuldenbremse betroffen sein.
Gleiches gilt für sogenannte Investitionsfördergesellschaften, an die jährlich ein fester Betrag fließen solle. Dieser soll zur Finanzierung von Investitionen zweckgebunden sein. Anders als die öffentlichen Investitionsgesellschaften, wie sie Grünen-Chefin Ricarda Lang vorgeschlagen hatte, sollen diese sich im Gegenzug nicht eigenständig verschulden dürfen.
Weiterhin bringt der Beirat noch eine mögliche Verlängerung des Zeitraums für eine längere Finanzplanung ins Spiel. Statt auf drei Jahre solle diese grundsätzlich auf zwei Legislaturperioden ausgerichtet werden. Dies sei „notwendig, um eine nachhaltige Finanzierung von staatlichen Daueraufgaben zu gewährleisten“, heißt es im Gutachten. Ein weiterer zu beachtender Faktor sei zudem die Entwicklung auf EU-Ebene, wo man derzeit um tendenzielle Optionen zur Kreditaufnahme debattiere.
Konsumausgabe oder Investition? Oft nur eine Frage des Narrativs
Kritiker weisen darauf hin, dass eine Unterscheidung zwischen staatlichen Konsum- und Transferausgaben und staatlichen Investitionen nicht immer trennscharf möglich ist. Bezüglich beider Kategorisierungen gebe es erheblichen Interpretationsspielraum.
So können Bildungsausgaben als Konsumausgaben betrachtet werden, wenn diese der Bestreitung laufender Kosten für Lehrergehälter oder Materialien dienen. Gleichzeitig lassen sie sich als zumindest indirekte Investitionen in die Entwicklung von Humankapital einordnen. In ähnlicher Weise ließen sich Gesundheitsausgaben als Investitionen in Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit und Sozialausgaben als Investitionen in die soziale Stabilität darstellen.
Um einen möglichen Missbrauch dieser „Goldenen Regel“ zu verhindern, solle ein unabhängiges Expertengremium oder der Bundesrechnungshof das Gebaren überprüfen. Möglicherweise könne man das Gremium mit einem Vetorecht ausstatten.
Maaßen zweifelt an Notwendigkeit zusätzlicher Kreditaufnahmen
Der Ampel-Koalitionspartner FDP und die Bundes-CDU haben eine Modifikation der Schuldenbremse bisher ausgeschlossen. Anders sehen das mehrere Ministerpräsidenten aus den Reihen der Union, die ähnlich wie der Beirat mit der Notwendigkeit von Zukunftsinvestitionen argumentieren.
Demgegenüber deuten Skeptiker wie der frühere Chef des Bundesverfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen, an, dass die Debatte um Investitionen nur eine Blendgranate darstellen könnte. Er erklärt in einem Gespräch mit dem Blog des Publizisten Alexander Wallasch, dass die Praxis der Bundesregierung „auf die Zerstörung unserer Staatsfinanzen“ hinauslaufe.
Es habe eine Überschuldung wie die gegenwärtige „außerhalb von Kriegszeiten in Deutschland noch nie gegeben“. Zugleich erhöhe man die Belastungen der Haushalte durch unkontrollierte Migration und das Konstruieren von „Notlagen“, die es tatsächlich nicht gebe. Ein Beispiel dafür sei der sogenannte Klimanotstand. Dieser sei, so Maaßen, „bestenfalls ein Produkt einer kranken Fantasie oder der bewusst eingesetzte Hebel zur Zerstörung unserer Wirtschaft und unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung.“
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