Nach Todesfahrt in Berlin Zweifel an Schuld zunächst festgenommenen Verdächtigen
Bei den Ermittlungen nach der Todesfahrt eines Lkw am Montagabend auf einem Weihnachtsmarkt in Berlin hat sich am Dienstag eine unerwartete Wende angedeutet. Nach Angaben des Berliner Polizeipräsidenten Klaus Kandt ist unsicher, ob der am Vorabend festgenommene Mann tatsächlich der Fahrer war. Klar war aber offensichtlich, dass die Tat, der zwölf Menschen zum Opfer fielen, ein bewusster Anschlag war.
„Wir können bisher nicht bestätigen, dass wir die Person als Fahrer zuordnen können“, sagte Kandt mit Blick auf den festgenommenen Pakistaner. Die „Welt“ zitierte einen ranghohen Berliner Polizisten mit den Worten: „Wir haben den falschen Mann.“ Damit gebe es „eine neue Lage“, hieß es weiter, „denn der wahre Täter ist noch bewaffnet auf freiem Fuß“.
Die Berliner Polizei rief in diesem Zusammenhang die Bürger wieder zu erhöhter Wachsamkeit auf und bat darum, verdächtige Beobachtungen zu melden. Zuvor hatte auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) mitgeteilt, dass der Festgenommene eine Tatbeteiligung bestreite. Dabei handelt es sich nach seinen Worten um einen Pakistaner, der Ende 2015 als Flüchtling nach Deutschland gekommen sei.
Die Leitung der Ermittlungen übernahm noch in der Nacht die Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe. Sie wollte sich am Nachmittag zum Ermittlungsstand äußern.
Auf dem Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche nahe des Kurfürstendamms waren elf Menschen getötet und 48 weitere zum Teil schwer verletzt worden, als ein Lkw in die Menge raste. Außerdem wurde ein Pole tot in dem Fahrzeug gefunden. Bei ihm soll es sich um den ursprünglichen Fahrer des Lastwagens handeln. Er wurde offensichtlich erschossen, sein Fahrzeug anscheinend gestohlen. Der tatsächliche Todesfahrer floh, die Behörden gingen zunächst jedoch davon aus, ihn in Person des festgenommenen Pakistaners erwischt zu haben.
„Wir haben in der Zwischenzeit keinen Zweifel mehr, dass es sich bei dem schrecklichen Ereignis um einen Anschlag gehandelt hat“, sagte Bundesinnenminister de Maizière in Berlin. Er sprach von einem „brutalen Attentat“. Die Zahl der Schwerverletzten gab er mit 18 an. In Berlin kam das Sicherheitskabinett zusammen, um über die Lage zu beraten.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte, es sei von einem „terroristischen Anschlag“ auszugehen. Merkel äußerte sich „entsetzt, erschüttert und tief traurig“ über die Geschehnisse. Sie kündigte für den Nachmittag einen Besuch am Anschlagsort auf dem Breitscheidplatz an, um dort ihre Anteilnahme auszudrücken.
Bundespräsident Joachim Gauck rief die Deutschen zum Zusammenhalt auf. „Der Hass der Täter wird uns nicht zu Hass verführen“, sagte er in einer kurzen Ansprache, „er wird unser Miteinander nicht spalten“. Es sei das Ziel der Täter, die Gesellschaft zu spalten, „dieses zynisches Kalkül der Terroristen darf nicht aufgehen“, erklärte auch die Integrationsbeauftragte der Regierung, Aydan Özoguz.
Auch zahlreiche ausländische Spitzenpolitiker drückten Solidarität und Mitgefühl aus. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon verurteilte die Tat. Das Bundesinnenministerium ordnete für Dienstag bundesweite Trauerbeflaggung für sämtliche Bundesbehörden an. Berlin will das Brandenburger Tor am Abend in den Deutschlandfarben anstrahlen.
Die Innenminister von Bund und Ländern verständigten sich in einer Videokonferenz darauf, dass trotz des Anschlags die Weihnachtsmärkte in Deutschland weiter stattfinden sollen. Allerdings wurden zusätzliche, lageangepasste Sicherheitsvorkehrungen verabredet, wie das Bundesinnenministerium mitteilte.
In Berlin wurden die Betreiber allerdings von den Behörden aufgefordert, die Märkte am Dienstag mit Rücksicht auf die Opfer und ihre Angehörigen geschlossen zu halten. Der Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche, wo am Montagabend ein Lkw in die Menge fuhr, bleibt nach Angaben des Bezirksbürgermeisters von Charlottenburg-Wilmersdorf, Reinhard Naumann, in den nächsten Tagen geschlossen. (afp)
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