Nach Solingen-Attentat: Grüne bremsen „Sicherheitspaket“, das Habeck mitverhandelt hat
Wenige Tage nach dem islamistisch motivierten Messerangriff von Solingen verständigten sich Innenministerin Nancy Faeser (SPD), Justizminister Marco Buschmann (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) auf ein „Sicherheitspaket“. Ziel sei es, die öffentliche Sicherheit zu erhöhen.
Vor der ersten Sitzungswoche des Bundestags nach der parlamentarischen Sommerpause mahnten SPD und FDP, das Gesetz zügig zu beschließen.
„Die SPD-Fraktion will den geeinten Entwurf der Regierung diese Woche im Bundestag beraten. Ich hoffe auf eine breite parlamentarische Unterstützung, um zügig effektivere Maßnahmen gegen Bedrohungen wie islamistischen Terror und Gewaltkriminalität umzusetzen“, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, Dirk Wiese, gegenüber dem „Tagesspiegel“.
CDU-Chef Friedrich Merz will schon vor Dienstag eine Entscheidung über mehr Zurückweisungen von Migranten an der Grenze.
50-seitige Formulierungshilfe
Eine Formulierungshilfe für die Gesetzesänderung im Rahmen des „Sicherheitspaketes“ hat die Bundesregierung den Fraktionen im Bundestag am Wochenende übermittelt. Die Spitzen der Ampelfraktionen sollen aus dem Text einen Gesetzentwurf machen; das Papier umfasst 50 Seiten.
Bei den Grünen will man sich für eine parlamentarische Beschäftigung Zeit nehmen: „Es wäre keine gute Idee, das neue Sicherheitspaket mit seinen Asyl-Verschärfungen hektisch im Parlament zu beschließen“, sagte der Grünen-Politiker Erik Marquardt gegenüber dem „Tagesspiegel“. Der Europaabgeordnete, der auch im Parteirat der Grünen sitzt, warnte: „Es schadet unserer Demokratie, wenn Gesetze grundlos im Eilverfahren verabschiedet werden.“
Die FDP kritisierte das Zögern des Koalitionspartners: „Robert Habeck hat das Sicherheitspaket mitverhandelt und steht jetzt in der Verantwortung für eine zügige Umsetzung“, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Liberalen, Christoph Meyer, derselben Zeitung. Das Sicherheitspaket sei ein erster Schritt, um nach Solingen zu schnellen Ergebnissen zu kommen. „Geredet und Bedenken geäußert wurden in den letzten zehn Jahren.“
Der Union reicht das Maßnahmenpaket dagegen nicht aus. „Das sogenannte Sicherheitspaket verdient diesen Namen nicht“, sagte der innenpolitische Sprecher der Union, Alexander Throm. Es fehlten die wichtigsten sicherheitsrelevanten Maßnahmen. „Selbst nach Mannheim, Solingen und München verweigert die FDP aus purer Ideologie die Vorratsdatenspeicherung und Videoüberwachung“, sagte Throm. Die FDP sei „eine Gefahr für die Sicherheit unserer Bevölkerung“.
Im Mittelpunkt des Sicherheitspaketes stehen Asylrechtsverschärfungen
Im Mittelpunkt des Sicherheitspaketes stehen Asylrechtsverschärfungen. So heißt es in dem Papier: „Menschen, die in der Bundesrepublik Deutschland Schutz suchen und denen Schutz gewährt wird, wird zukünftig die Schutzanerkennung verweigert beziehungsweise aberkannt, wenn Straftaten mit einem antisemitischen, rassistischen, fremdenfeindlichen, geschlechtsspezifischen, gegen die sexuelle Orientierung gerichteten oder sonstigen menschenverachtender Beweggrund begangen wurden.“
Zudem sollen „Heimreisen von anerkannt Schutzberechtigten in der Regel zur Aberkennung des Schutzstatus führen“. Wer also in Deutschland Asyl genießt, aber etwa für Familienbesuche in sein Heimatland fährt, muss damit rechnen, den Asylstatus zu verlieren und abgeschoben zu werden. Mit Ausweisung muss überdies rechnen, wer „bestimmte Straftaten unter Verwendung einer Waffe oder eines sonstigen gefährlichen Werkzeugs“ begeht.
Die Bundesregierung forciert darüber hinaus Leistungskürzungen für ausreisepflichtige Asylsuchende, für deren Verfahren ein anderer EU-Staat zuständig ist – sogenannte Dublin-Fälle, die beim Eintritt in die EU anderswo bereits registriert wurden. Sie sollen „angehalten werden, in den für die Prüfung ihres Antrags zuständigen Staat zurückzukehren, um die ihnen dort zustehenden Aufnahmeleistungen“ zu beziehen.
Reformen im Waffenrecht sollen für weniger Messer im öffentlichen Raum sorgen. „Damit Extremisten und Terroristen nicht in den Besitz von Waffen kommen und leichter entwaffnet werden können, werden die gesetzlichen Regelungen verschärft“, heißt es dazu im Regierungspapier. Dazu sollen künftig bei Volksfesten, an Bahnhöfen und im öffentlichen Personenverkehr Messer verboten sein – „unabhängig von der Klingenlänge“.
Die Kontrollbefugnisse der Polizei sollen ausgeweitet werden. Ausdrücklich erwähnt werden Springmesser, da sie „besonders gefährlich“ seien. Allerdings soll es Ausnahmen vom Verbot geben, etwa im „jagdlichen Umfeld“. Bei registrierungspflichtigen Waffen sollen künftig auch Bundespolizei und Zollkriminalamt von Behörden konsultiert werden, um zu beurteilen, ob jemand als zuverlässig gilt.
Scholz offen für „Nachschärfungen“
Kanzler Olaf Scholz (SPD) sagte am Sonntag, die von Merz geforderten Zurückweisungen an der Grenze gebe es schon. Er zeigte sich aber offen, für Nachschärfungen: „Ein effektives Grenzmanagement ist etwas, was wir gerne weiter – und auch mit Unterstützung der Opposition – ausbauen wollen.“ Das Bundesinnenministerium hatte am Freitag mitgeteilt, seit Oktober 2023 seien an den deutschen Grenzen mehr als 30.000 Menschen zurückgewiesen worden.
Im Asylbereich hatte die Gewalttat von Solingen die Probleme bei den europäischen Dublin-Verfahren in den Fokus gerückt. Der mutmaßliche Täter, ein 26-jähriger Syrer, hätte eigentlich bereits im vergangenen Jahr nach Bulgarien überstellt werden sollen, wo er zuerst europäischen Boden betreten hatte. Er wurde aber von den Behörden nicht in seiner Unterkunft angetroffen, die danach offenbar keinen neuen Versuch unternahmen.
Die Bundesregierung hatte vergangene Woche auch Gespräche mit CDU/CSU und den Ländern über die Migrationsfrage aufgenommen. Die Union wird laut CDU-Chef Merz aber nicht an einem weiteren Treffen am Dienstag teilnehmen, wenn die Regierung davor nicht auf seine Forderungen insbesondere bei den Zurückweisungen eingeht.
Scholz reagierte darauf am Sonntag gelassen: „Ich glaube, dass niemand Ultimaten stellt und es sich höchstens so anhört“, sagte er. Es werde „gute Vorschläge“ der Regierung geben. Sie würden sich aber „im Rahmen der europäischen Gesetze, der internationalen Verträge und unseres Grundgesetzes bewegen“.
Die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht verlangte ihrerseits „eine 180-Grad-Asylwende“. Die bisherigen Vorschläge der Ampel-Koalition reichten „nicht ansatzweise“ aus, sagte sie. Es dürfe in Deutschland keine Asylverfahren für Menschen mehr geben, die aus sicheren Drittstaaten einreisten. Diese Personen wie auch abgelehnte Asylbewerber sollten zudem keine Leistungen mehr bekommen.
(Mit Material der Nachrichtenagenturen)
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