Nach Rassismus-Eklat auf Sylt: München verbietet „L’amour toujours“ auf Oktoberfest

Nach dem Rassismus-Eklat auf Sylt haben Veranstalter größerer Events angekündigt, „L’amour toujours“ von Gigi D’Agostino aus der Musikliste zu verbannen. Der DJ-Verband und Claudia Roth äußerten sich kritisch. Unterdessen kehrt der 2001 erschienene Titel in die Verkaufscharts zurück.
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Das Oktoberfest soll in diesem Jahr ohne den Song „L’amour toujours“ von Gigi D’Agostino vonstattengehen.Foto: Erik Rusch / Epoch Times
Von 29. Mai 2024

Ein am Pfingstsonntag, 19.5., aufgenommenes Video von Partygästen auf Sylt lässt die deutsche Öffentlichkeit nach wie vor nicht zur Ruhe kommen. Im „Pony“-Klub in Kampen hatten mehrere Personen rassistische Parolen zu dem 2001 entstandenen Dance-Track „L‘amour toujours“ von Gigi D’Agostino gesungen. Mittlerweile haben erste Veranstalter von Volksfesten und Events angekündigt, den Song nicht zu spielen – aus Angst vor weiterer Instrumentalisierung.

Kein „L’amour toujours“ auf Oktoberfest und Cannstätter Wasen

Der Wirtschaftsreferent der Stadt München, Clemens Baumgärtner, kündigte bereits jetzt an, dass der Song auf dem Oktoberfest nicht gespielt werden würde. Zwar sei das vollkommen unpolitische Liebeslied des Turiner Musikproduzenten, der sich politisch ebenfalls noch nie exponiert hatte, selbst nicht rechtsradikal. Es habe durch den Missbrauch in der rechtsextremistischen Szene jedoch eine „deutliche Konnotation“ erhalten.

Neben dem Oktoberfest kündigten auch die Verantwortlichen für das Cannstatter Volksfest in Stuttgart sowie geplante Fanzonen zur Fußball-EM ein Verbot für „L’amour toujours“ an. Die rassistische Verfremdung des Songs, den der britisch-nigerianische Jazz- und Soul-Sänger Ola Onabulé eingesungen hatte, ist seit Monaten ein „Running Gag“ in sozialen Medien.

In Videos – vor allem auf der von der KPC kontrollierten Plattform TikTok – sangen Nutzer den volksverhetzenden Text zu der Musik des Songs. Immer mehr Nachahmer griffen dies auf und am Ende übertrug sich das Phänomen in die analoge Welt. Immer häufiger wurde auch in Klubs oder bei öffentlichen Events die Neonazi-Parole „Deutschland den Deutschen – Ausländer raus“ zu D’Agostinos Klängen gesungen.

Rassistische Umtextung beliebter Musiktitel kein neues Phänomen

Die ersten Vorfälle dieser Art sind vom Oktober 2023 bekannt, im Januar 2024 waren auch Teilnehmer des bayerischen AfD-Landesparteitags in Greding involviert. Am Pfingstwochenende hatte es Berichten zufolge auch in zwei weiteren Lokalen auf Sylt sowie auf Volksfesten in Niedersachsen und Mittelfranken Eklats rund um „L’amour toujours“ gegeben.

Vor der „Sturmhaube“ soll eine afrodeutsche Besucherin, die eine Gruppe darauf angesprochen habe, ins Gesicht geschlagen worden sein. Der Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, Niema Movassat, hatte ein Video von dem Vorfall auf X gepostet.

Die Aneignung und rassistische Instrumentalisierung eigentlich unpolitischer Elemente der Popkultur durch Rechtsextreme ist kein neues Phänomen. In den 1990er-Jahren, der Zeit vor Social Media und Online-Tauschbörsen, machten bekannte Schlagermelodien mit neonazistischen Texten über kopierte Musikkassetten die Runde. Mehrere Tonträger dieser Art landeten auf dem Index der damaligen Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften – heute „Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz“ (BzKJ).

Die Terroristen des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ (NSU) instrumentalisierten die Comicfigur des „Rosaroten Panthers“ für das Bekennervideo zu ihrer Mordserie.

Discjockey-Verband und Claudia Roth gegen Zensur des Originals

Während die Veranstalter großer Events nun ihr Verbot für den Song von Gigi D’Agostino verteidigen, kommt Kritik aus dem Berufsverband Discjockey (BVD). Dieser bezeichnet den Schritt gegenüber dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ als „katastrophal“ und wirft die Frage auf: „Wo sind wir denn, Lieder zu zensieren?“

Den Song zu verbieten, bedeute, „den Rechtsextremen klein beizugeben“. Die Umdichtungen seien zu verurteilen, aber die einzig richtige Reaktion sei, den Song jetzt erst recht zu spielen, „um zu zeigen, dass wir multikulti sind“. D’Agostino selbst hatte jüngst gegenüber Medien erklärt, in seinem Stück gehe es um „ein wunderbares, großes und intensives Gefühl, das die Menschen verbindet. Es ist die Kraft der Liebe, die mich hochleben lässt“.

Auch Kulturstaatsministerin Claudia Roth sprach sich gegen eine Verbannung des Songs aus der Öffentlichkeit aus. Gegenüber der „Funke Mediengruppe“ äußerte sie, nicht der Song selbst sei für seinen Missbrauch durch Menschen mit rechtsextremen und antidemokratischen Einstellungen verantwortlich.

Statt mit Verboten zu arbeiten, sollten Eventveranstalter „für Schulungen und Sensibilisierungen bei ihrem Personal sorgen“ oder „professionelle Awareness-Teams einsetzen“. Diese sollten erforderlichenfalls bei extremistischen Vorfällen im Wege einer Null-Toleranz-Politik eingreifen.

„L’amour toujours“ kehrt in die Verkaufscharts zurück

Unterdessen feiert „L’amour toujours“ eine Rückkehr in die Verkaufshitparaden. In den deutschen iTunes-Charts ist der Song seit Sonntag gleich zweimal in den Top 3 vertreten. Auf Platz 1 stieg die „Small Mix“-Version, auf Platz 3 die Normalversion ein. Mittlerweile führen beide Songs hintereinander die Wertung an.

Das Magazin „Rolling Stone“ führt den Erfolg des Tracks auf den sogenannten Streisand-Effekt zurück. Dieser stellt eine Form von Bumerang-Effekt dar, benannt wurde er nach einem Prozess, den die Schauspielerin Barbara Streisand gegen einen Paparazzo geführt hatte. Mit diesem wollte sie verhindern, dass ihr neu erworbenes Anwesen der Öffentlichkeit bekannt würde – tatsächlich wurde diese erst dadurch darauf aufmerksam.

Auch die rassistische Verfremdung des Hits von Gigi D’Agostino erreichte durch die Berichterstattung über den Vorfall von Sylt einen Bekanntheitsgrad, den sie sonst zumindest nicht in dieser Geschwindigkeit entfaltet hätte. Dass Medien die Beteiligten unverpixelt zeigten und ihre Namen in sozialen Medien veröffentlicht wurden, dürfte auch einen Solidarisierungseffekt bewirkt haben. Zahlreiche Social-Media-Einträge legen auch die Annahme nahe, dass Menschen den Song aus Reaktanz und Protest gegen den Disziplinierungseifer der Öffentlichkeit erwerben.

Zeichen zivilen Ungehorsams oder Normalisierung gefährlicher Ideologie?

In sozialen Medien feiern Nutzer die explodierende Nachfrage nach dem Song als Ausdruck von Widerständigkeit gegen übergriffige Wokeness in Politik und Medien. Nicht in allen Fällen ist damit auch eine Billigung des Inhalts der rechtsextremen Verballhornung verbunden.

Der dem BSW-Vorfeld zuzurechnende Vlogger Ervin Tahirovic hingegen warnt vor einer Verharmlosung oder Verteidigung solcher Gesänge. Auf seinem YouTube-Kanal erklärt er:

„Das ist kein Spaß. Das Problem ist, dass eine rechtsextreme Nazi-Losung in die Mitte der Gesellschaft gekommen ist und dort jetzt als Meme kreist und als etwas völlig Normales wahrgenommen wird.“

Die Frage sei, wann es in weiterer Folge „aus Spaß“ zur Normalität werde, sich mit verbotenen Grußformeln zu begrüßen oder T-Shirts mit Hakenkreuzen zu tragen. Tahirovic weist darauf hin, dass „Identitären“-Ideologe Martin Sellner den Song bereits jetzt zum „Soundtrack der Remigration“ ausgerufen habe. Dieser Begriff sei jedoch lediglich ein Euphemismus für „ethnische Säuberung“, so der selbst aus einer bosnischen Vertriebenenfamilie stammende Influencer.



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