Nach Linken-Attacke: Esken stellt Polizeitaktik in Leipzig infrage
Die Polizei in Leipzig hat sich gegen einen Zeitungsbericht gewandt, wonach sie mit ihren Angaben zu den Verletzungen des in der Silvesternacht attackierten Polizisten möglicherweise übertrieben haben könnte. Der Beamte sei „schwer verletzt“ und habe „dringlich operiert“ werden müssen, sagte ein Polizeisprecher in der Nacht zum Freitag der Nachrichtenagentur AFP.
Die Berliner „tageszeitung“ („taz“) hatte berichtet, „Krankenhauskreise“ seien „verwundert“ über die Schilderung der Verletzung durch die Polizei und deren Angaben, dass es eine „Notoperation“ gegeben habe. Es habe einen Eingriff an der Ohrmuschel des 38-Jährigen unter lokaler Betäubung gegeben, zitierte das Blatt aus diesen Kreisen.
Der Polizist sollte dem Zeitungsbericht zufolge bis zum Freitag aus dem Krankenhaus entlassen werden. Lebensgefahr oder das Risiko eines Gehörverlusts hätten nicht bestanden, hieß es laut „taz“ aus den Krankenhauskreisen. Der Polizeisprecher sagte dazu, von Lebensgefahr für den Kollegen habe die Leipziger Polizei nie gesprochen.
Der Polizist war bei Ausschreitungen im linksalternativ geprägten Stadtviertel Connewitz verletzt worden. Nach Angaben der Polizei verlor er das Bewusstsein.
Nach Angaben der Ermittler hatten die Täter drei Polizisten bei einer versuchten Festnahme die Helme vom Kopf gerissen und die demnach auf dem Boden Liegenden attackiert. Der 38-Jährige wurde so schwer verletzt, dass er notoperiert wurde. Am Donnerstag befand er sich weiter im Krankenhaus, aber nicht in Lebensgefahr, wie es von Polizei und Staatsanwaltschaft hieß.
Esken stellt Polizeitaktik in Leipzig infrage
Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken hat eine Überprüfung des Polizeieinsatzes gefordert. „Im Sinne der Polizeibeamten muss jetzt schnell geklärt werden, ob die Einsatztaktik angemessen war“, sagte Esken den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
„Sollte eine falsche Einsatztaktik Polizistinnen und Polizisten unnötig in Gefahr gebracht haben, liegt die Verantwortung dafür beim sächsischen Innenminister“ w Roland Wöller (CDU). Linke Kreise, auch Linkspartei-Politiker, hatten der Polizei vorgeworfen, mit ihrem Durchgreifen nach Stein- und Flaschenwürfen provoziert zu haben.
Esken sagte: „Dass es auch anders geht, hat sich vielfach gezeigt. Die Berliner Polizei hat zum Beispiel aus den Erfahrungen vergleichbarer Ausschreitungen am 1. Mai oder zu Silvester im Lauf der Jahre eine Deeskalationsstrategie entwickelt, die sich bewährt hat.“
Mit Blick auf das Opfer sagte die SPD-Chefin aber auch: „Diesen Gewaltausbruch verurteilen wir. Es ist schrecklich, dass ein Polizist so schwer verletzt wurde. Unsere Gedanken sind bei ihm und seinen Angehörigen.“
Wöller will der Sache auf den Grund gehen
Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) will sich an diesem Freitag (11.30 Uhr) mit Polizisten austauschen. Wöller werde sich mit am Silvestereinsatz in Leipzig beteiligten Polizisten treffen, hieß es von der Bereitschaftspolizei. Auch Landespolizeipräsident Horst Kretzschmar wird erwartet.
Der Beamtenbund zeigte sich nach der Attacke alarmiert. Die Tat in Leipzig sei „ein weiteres trauriges Beispiel für die Verrohung und streckenweise völlige Enthemmung im Umgang mit Vertreterinnen und Vertretern des Staats“, sagte der Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach den „Westfälischen Nachrichten“ (Freitag).
Die innenpolitische Sprecherin der Linken, Ulla Jelpke, sieht bei der Polizei eine Mitschuld. Allen, die Verletzungen davongetragen hätten, wünsche sie eine schnelle Genesung, erklärte sie.
Aber: „Daran, dass es so weit kam, trägt die Polizei eine gehörige Portion Mitverantwortung. Denn die regelrechte Belagerung des ganzen Stadtteils durch die Polizei, willkürliche Kontrollen von Passanten und das martialische Auftreten behelmter Trupps inmitten der Feiernden bewirkt das Gegenteil von Deeskalation. Ich bin von daher überzeugt: ein Weniger an Polizei hätte in dieser Silvesternacht zu einem Mehr an Sicherheit in Connewitz geführt.“
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) warf der Linkspartei vor, die Attacken zu verharmlosen. „Dass Politiker und Mandatsträger der Linkspartei den aktuellen Gewaltausbruch gegen die Polizei nicht nur verharmlosen, sondern der Polizei wider besseren Wissens die Schuld dafür in die Schuhe schieben und sich mit den linksextremen Chaoten solidarisieren, ist ein Skandal. Das hat mit verantwortungsvoller Politik gar nichts mehr zu tun, sondern trägt dazu bei, noch mehr linksextreme Gewalt zu säen“, sagte Herrmann der „Passauer Neuen Presse“ (Online).
FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki sagte dem „Spiegel“, es sei fatal, wenn das innenpolitische Augenmerk hauptsächlich auf die Bekämpfung des Rechtsextremismus gerichtet werde.
„Auch der Linksextremismus tritt in den vergangenen Jahren deutlich aggressiver auf. […] Wenn politische Entscheidungsträger jahrelang linksextremistische Biotope und rechtsfreie Räume wie in der Rigaer Straße in Berlin und die Rote Flora in Hamburg dulden, tragen diese Parteien auch eine Mitschuld an der Verrohung dieser Auseinandersetzung“, erklärte Kubicki. (dpa)
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