Nach Habecks AKW-Vorschlag: Kritik vom Koalitionspartner
In der Ampel-Koalition zeichnet sich nach den Vorschlägen von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) für eine befristete AKW-Reserve ein Krach ab. Die FDP reagierte mit heftiger Kritik. Fraktionschef Christian Dürr sagte „Bild“, die Vorschläge reichten nicht, um die Strompreise zu mindern. „Wir müssen die Laufzeiten verlängern, sonst drohen absurde Kosten für die Verbraucher.“
Der energiepolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Michael Kruse, erklärte: „Die Ergebnisse des Stresstests sind wenig wert, denn die Annahmen sind zu optimistisch. Sie sind politisch bestimmt und nicht aus der Realität abgeleitet.“
Habeck will, dass wegen der von Russland und dem Krieg in der Ukraine ausgelösten Energiekrise in Europa zwei der drei verbliebenen Atomkraftwerke in Deutschland bis Mitte April als Notreserve dienen sollen. Dabei geht es um Isar 2 in Bayern und Neckarwestheim in Baden-Württemberg. Eigentlich war vorgesehen, dass alle deutschen Atomkraftwerke zum Jahresende endgültig vom Netz gehen.
Nouripour will bei der Basis werben
Vertreter seiner eigenen Partei stärkten Habeck den Rücken. Die beiden Fraktionschefinnen Britta Haßelmann und Katharina Dröge unterstützten die Pläne, auch wenn diese noch in der Partei diskutiert werden sollen. Grünen-Co-Chef Omid Nouripour kündigte an, bei der Basis für das Vorhaben zu werben. „Wir werden deshalb auf dem Parteitag nicht nur die Waffenlieferungen an die Ukraine zur Abstimmung stellen, sondern auch die befristete AKW-Reserve“, sagte Nouripour der Deutschen Presse-Agentur. Eine Abkehr vom Atomausstieg schloss Grünen-Chefin Ricarda Lang in der „Süddeutschen Zeitung“ aus.
Habeck erteilte in den ARD-„Tagesthemen“ zugleich Forderungen nach einem längeren Weiterbetrieb der AKW eine Absage. Bereits im nächsten Jahr würden deutlich mehr Gaskapazitäten jenseits von Russland zur Verfügung stehen. „Das scheint ja nicht so klar zu sein, weil immer der Winter 22/23 und der Winter 23/24 in eins gesetzt wird.“ Das sei aber falsch. Das seien völlig unterschiedliche Szenarien. „Wir werden eine andere energiepolitische Situation haben im nächsten Jahr.“
Zuspruch bekam Habeck vom Koalitionspartner SPD. Fraktionsvize Matthias Miersch begrüßte das Stresstest-Ergebnis und Habecks Empfehlung als „gute Grundlage für faktenbasierte und sorgfältige Beratungen“. „Die wünsche ich mir auch von denjenigen, die schon vor Bekanntgabe der Ergebnisse nach einer Laufzeitverlängerung schreien“, sagte Miersch. „Der Stresstest zeigt: Atom ist nicht die von vielen gewünschte Generallösung.“
Kritik an Idee der Notreserve
Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm argumentierte ähnlich wie die FDP und zeigte sich unzufrieden damit, dass zwei Atomkraftwerke nur als Notreserve vorgehalten werden sollen. „Anlässlich der Preisentwicklung am Strommarkt muss alles daran gesetzt werden, Erzeugungskapazitäten zu mobilisieren, die kurzfristig verfügbar gemacht werden können“, sagte Grimm den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die Kraftwerke sollten laufen und nicht nur in Bereitschaft sein, nur dann gebe es einen senkenden Effekt auf den Strompreis. „Bei den drei noch laufenden AKWs sollte man über eine Laufzeitverlängerung von fünf Jahren nachdenken.“ Auch sollte geprüft werden, ob die erst kürzlich stillgelegten Kernkraftwerke reaktivierbar seien.
Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz kritisierte die geplante Stilllegung des AKW Emsland. „Die Grünen in der Ampel in Berlin sind ganz offensichtlich von den Grünen in Niedersachsen unter Druck gesetzt worden, das Kernkraftwerk Emsland gegen alle Vernunft abzuschalten“, sagte Merz der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. „Der Scholz-Regierung scheinen grüne Befindlichkeiten wichtiger zu sein als das Risiko eines Stromausfalls. Für solch ein Roulette-Spiel mit unserer Energieversorgung habe ich absolut kein Verständnis.“
Habeck hatte darauf verwiesen, dass dieses AKW zwar einen gewissen Beitrag zur Netzstabilität leisten könne. „Aber dieser Beitrag ist gemessen an den beiden süddeutschen Kraftwerken zu gering.“ In Niedersachsen wird Anfang Oktober ein neuer Landtag gewählt. (dpa)
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