Nach Eklat und Kritik: Duisburger Integrationsrat hebt Völkermord-Leugnungsbeschluss auf

Der Duisburger Integrationsrat nahm am Montag auf Druck von Oberbürgermeister Sören Link (SPD) das umstrittene Papier der Leugnung des Völkermords an den Armeniern wieder zurück.
Titelbild
Gedenken am Völkermord-Mahnmal Zizernakaberd (Schwalbenfestung) in der armenischen Hauptstadt JerewanFoto: KAREN MINASYAN/AFP/Getty Images
Epoch Times21. Juni 2016

Die Stimmung im großen Sitzungssaal des Duisburger Rathauses am Montag war erhitzt. Um die 50 Zuschauer waren anwesend, teilweise mit kleinen Plakaten mit Aufschriften wie "Nein zur Verleumdung", "Nein zur Völkermord Lüge" usw. Einige hatten Türkeiflaggen dabei. Der Integrationsratsvorsitzende Erkan Üstünay (SPD) musste die Besucher mehrfach auffordern, ihre Plakate und Flaggen wegzustecken. Nach einer Viertelstunde konnte dann die Sitzung des Rates beginnen.

In der vom Oberbürgermeister eingeforderten Sondersitzung stimmten 13 Mitglieder für eine Aufhebung, neun stimmten dagegen, fünf Personen kamen nicht zur Abstimmung oder enthielten sich.

Erkan Üstünay äußerte sich erleichtert über die Aufhebung: "Wir müssen gucken, dass sich die Gemüter wieder beruhigen", sagte der Vorsitzende.

Duisburger SPD-Chef Jäger hielt sich raus

Für eine Aufhebung der umstrittenen Resolution des Integrationsrates stimmten SPD (5), Linke (3), CDU (3), Grüne (1), Junges Duisburg/DAL (1). Dagegen stimmten vor allem Vertreter verschiedener Duisburger Migrantenorganisationen. Auch zwei SPD-Mitglieder voteten, dass der Völkermord vor rund 100 Jahren an den Armeniern nicht erwiesen sei. Einer der insgesamt acht SPD-Mitglieder des Rates fehlte gar.

"Es ist schon auffällig, wie sich einige SPD-Mitglieder in dieser Angelegenheit verhalten", meinte ein Stadtratsmitglied. Im Vorfeld der Abstimmung reagierten fast alle Vorsitzenden der großen Duisburger Parteien über den Beschluss des Integrationsrates mit öffentlicher Empörung. Eine Ausnahme bildete der SPD-Chef, Innenminister Ralf Jäger.

Nach dem Beschluss kam es auf den Fluren des Rathauses und vor dem Gebäude zu heftigen Wortgefechten und kleineren Handgemengen zwischen Ausschussmitgliedern und Zuschauern, die mit dem Ergebnis nicht einverstanden waren. Die Polizei musste eingreifen, so die "RP".

Kein kommunales Thema

Die Stadtverwaltung begründete die Notwendigkeit der Rücknahme damit, dass der Integrationsrat das Thema hätte gar nicht behandeln dürfen, da Kommunen kein allgemeinpolitisches Mandat besäßen. Dies wäre nur der Fall gewesen, wenn ein direkter kommunaler Bezug erkennbar gewesen wäre, berichtet der "Focus".

Am 7. Juni hatten 15 Mitglieder des Integrationsrates, bei zehn Enthaltungen, für ein Papier gestimmt, dass den Völkermord an den Armeniern leugnet und türkischstämmigen Abgeordneten "Verrat am Vaterland" und "Nähe zum Terrorismus" unterstellte. Erdal Özsoy von der Muslimischen Türkenunion sagte der Zeitung "Der Westen": "Ich lebe seit 43 Jahren in Deutschland. Aber wir fühlen uns durch den Armenien-Beschluss angegriffen."

Die umstrittene Resolution

Integrationsratschef Üstünay sagte dem Blatt allerdings, dass dies nicht die Meinung aller ist: "Mein Eindruck ist, dass viele die Resolution wie sie im Wortlaut beschlossen wurde, so nicht wollten." So sah es dann wohl auch Oberbürgermeister Link: "Die teilweise martialische Wortwahl, die Beschimpfung und Bedrohung einzelner Mandatsträger haben in einem Gremium der Stadt Duisburg nichts zu suchen." Hätte der Integrationsrat nicht gehandelt, hätte es der Stadtrat tun müssen, so der OB.

Unter der Überschrift: "Eine Lüge ist eine Lüge und bleibt eine Lüge; gegen die Verleumdung der Türkei", steht unter anderem:

"Wir, die Vertreter vieler türkischstämmiger Bürger Duisburgs, wenden uns hiermit gegen die Verleumdung unseres Herkunftslandes und unserer Vorfahren. Ein Völkermord oder eine beabsichtigte Vernichtung einer ganzen Volksgruppe hat es in der Türkei nie gegeben."

Weiterhin heißt es dort:

"Die Behauptung, die Türkei hätte von 1915 bis 1917 Völkermord an den Armeniern begangen, ist so schwer und ungeheuerlich, dass sie auch mit Fakten und eindeutigen Beweisen belegt werden müsste. Dies ist bis heute nicht geschehen."

Auch heißt es, dass sich Armenien der Aufarbeitung der tragischen Ereignisse um die Vertreibungen und gewalttätigen Auseinandersetzungen bis heute verweigere.

"Warum der Deutsche Bundestag dies einfach ignoriert, ist uns völlig unverständlich. Wir fühlen uns verletzt und durch den Beschluss, dass die Türkei einen Völkermord begangen haben soll, herabgesetzt. Dem guten Miteinander und der Integration von Menschen unterschiedlicher Herkunft in unserer Gesellschaft schadet dieser Beschluss des Bundestages nachhaltig."

Dann wird auf die türkischstämmigen Bundestagsabgeordneten eingegangen, die demnach nicht den Mut gehabt hätten, sich gegen die Verurteilung des gemeinsamen Heimatlandes zu wehren und sogar bei der Verurteilung der Türkei mitwirkten. Unter anderem wurde dem Abgeordneten Cem Özdemir unterstellt, "dass sein Hass auf die türkische Regierung und seine Nähe zur terroristischen PKK offensichtlich sein ganzes Handeln" bestimme. (sm)



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