Nach Bundestagsbeschluss: Bundesrat stoppt „Sicherheitspaket“ der Ampel teilweise
Kurz nachdem das Sicherheitspaket im Bundestag verabschiedet wurde, scheitern Teile des Gesetzes im Bundesrat. Die Länderkammer verweigert der Vorlage, die den Sicherheitsbehörden erweiterte Befugnisse bei der Terrorismusbekämpfung geben soll, die nötige Zustimmung. Den anderen Teil des Sicherheitspakets, der Verschärfungen im Asyl- und Aufenthaltsrecht sowie im Waffenrecht vorsieht, lässt der Bundesrat passieren. Allerdings war für diesen Teil auch nicht die Zustimmung der Länderkammer erforderlich. Bundestag und Bundesregierung haben nun die Möglichkeit, den Vermittlungsausschuss anzurufen.
Bundestag verabschiedet „Sicherheitspaket“ als Antwort auf Solingen
Knapp zwei Monate nach dem Messerattentat von Solingen stand heute Vormittag das Sicherheitspaket auf der Tagesordnung des Bundestages. SPD, Grüne und FDP hatten das Gesetz nach dem mutmaßlich islamistisch motivierten Anschlag mit drei Toten auf den Weg gebracht. Der tatverdächtige Syrer hätte eigentlich 2023 nach Bulgarien abgeschoben werden sollen, was aber scheiterte.
Kurz nach dem Anschlag hatte Bundeskanzler Scholz angekündigt: „Alles, was in unserer Macht, in unseren Möglichkeiten liegt, muss auch getan werden.“ Die irreguläre Migration müsse begrenzt werden, sagte Scholz. „Sie ist zu hoch.“
In der Ampel rumorte es vor der Abstimmung
Die Bundesregierung verständigte sich daraufhin auf eine Verschärfung des Migrations- und Waffenrechts sowie auf eine Ausweitung der Befugnisse für Ermittler. Nachdem es im Beratungsprozess des Bundestages eine Expertenanhörung gegeben hat, machte die Koalition noch einmal Abstriche an den ursprünglichen Plänen.
Mit Spannung schauten heute sehr viele Menschen auf das Ergebnis der Abstimmung, zumal in den vergangenen Tagen immer wieder Kritik an dem Gesetz auch aus den Reihen der Ampel selbst gekommen ist. Noch auf der Fraktionssitzung am vergangenen Dienstag soll Bundeskanzler Scholz in die Debatte eingegriffen und möglichen Abweichlern mit der Vertrauensfrage gedroht haben.
Wie heikel das Thema ist, zeigte sich allein darin, dass es insgesamt neun namentliche Abstimmungen zu Änderungsanträgen gegeben hat.
Union beantragt Absetzung der Beratung
Wäre es heute nach der Union gegangen, dann hätte das Sicherheitspaket von der Tagesordnung genommen werden sollen. Mit einem Geschäftsordnungsantrag zu Sitzungsbeginn versuchte die Union ihr Ziel zu erreichen. Ihr Erster Parlamentarischer Geschäftsführer Thorsten Frei begründete den Absetzungsantrag damit, dass zum Beratungsgegenstand gehörende Vorlagen seiner Fraktion nicht auf die Tagesordnung gesetzt worden seien. Dem folgte allerdings die Mehrheit des Bundestages nicht.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) warb in ihrer Einbringungsrede um Zustimmung zum Sicherheitspaket. Das Maßnahmenpaket sei „die richtige Antwort auf die aktuellen Bedrohungen durch islamistischen Terrorismus, durch Antisemitismus, durch Rechts- und Linksextremismus“, sagte Faeser. Das Paket sei auch eine „starke Reaktion auf den furchtbaren Terror von Solingen“.
Faeser beteuerte, dass das grundgesetzlich garantierte individuelle Recht auf Asyl „nicht verhandelbar“ sei. Es müsse allerdings auch gelten: „Wer hier Gewalttaten begeht, verwirkt das Recht auf unseren Schutz.“ Die innere Sicherheit müsse „angesichts aktueller Bedrohungen“ gestärkt werden. Dabei gehe die Koalition „mit innenpolitischem Sachverstand, Vernunft und mit Präzisierung und Einhaltung rechtsstaatlicher Regelungen“ vor.
Die Union warf Bundeskanzler Scholz hingegen Wortbruch in der Migrations- und Sicherheitspolitik vor. „Der Bundeskanzler hat sein Versprechen nicht gehalten“, sagte die CSU-Abgeordnete Andrea Lindholz mit Blick auf die Ankündigung des Kanzlers, nach dem mutmaßlich islamistisch motivierten Anschlag von Solingen die Sicherheitslage in Deutschland verbessern zu wollen. „Ihr Sicherheitspaket ist nicht die richtige Antwort auf diese Vorfälle“, sagte Lindholz.
Zu einem „Mini-Päckchen“ zusammengeschrumpft
„Sie haben das ohnehin zu klein geratene Sicherheitspaket ihrer eigenen Regierung zu einem Mini-Päckchen zusammengeschrumpft, und das wird dem Thema innere Sicherheit nicht gerecht“, kritisierte die CDU-Politikerin. Lindholz sieht den Kompromiss als Zeichen der Handlungsunfähigkeit der Bundesregierung: „Sie sind ein Sicherheitsrisiko, Sie sind sich nicht mehr einig“, sagte Lindholz und forderte die Ampel-Parteien auf, den Weg für Neuwahlen freizumachen.
Der CDU-Politiker Alexander Throm nannte das vorgelegte Sicherheitspaket „weitgehend wirkungslos“. „Was heute auf dem Tisch liegt, ist der gesetzgewordene Wortbruch des Bundeskanzlers“, sagte er. „Der Bundeskanzler, die ‚Ampel‘, ist alles schuldig geblieben, was sie den Menschen nach Solingen versprochen haben.“ Die Union fordert etwa Zurückweisungen an den deutschen Binnengrenzen sowie die Erweiterung der sichereren Herkunftsländer.
Die AfD beklagte eine aus ihrer Sicht verfehlte Migrationspolitik. Clara Bünger (Die Linke) sprach hingegen von ineffektiven Scheinlösungen gegen Extremismus und Islamismus.
„Paket macht Land sicherer“
Abgeordnete der Ampelparteien verteidigten hingegen das Sicherheitspaket in der Debatte. „Was jetzt auf dem Tisch liegt, macht unser Land sicherer“, sagte der SPD-Politiker Dirk Wiese. Die Änderungen im parlamentarischen Verfahren hätten das Gesetz „rechtssicherer“ gemacht.
Konstantin von Notz (Grüne) betonte, die Ampelfraktionen hätten im parlamentarischen Verfahren „an vielen großen und kleinen Schrauben gedreht, damit ein Gesetz entsteht, das in Karlsruhe Bestand haben kann“. Das Gesetz sei nun „europa- und verfassungskonformer“ als der ursprüngliche Regierungsentwurf. Mit Blick auf die Union sagte von Notz: „Wer wie CDU/CSU die Binnengrenzen dichtmachen will, um pauschal zurückzuweisen, der zerstört Vertrauen und Solidarität und der gefährdet Europa im Kern.“
Der FDP-Politiker Konstantin Kuhle verwies darauf, dass insbesondere die Verschärfung des Waffenrechts ihm und „vielen anderen aus meiner Fraktion nicht leicht gefallen“ sei. Zudem teile die FDP einige Forderungen der Union, etwa mehr Befugnisse für die Bundespolizei. „Das heutige Sicherheitspaket ist nicht genug“, sagte er, warb aber gleichwohl um Zustimmung: „Wenn konkrete Vorschläge auf dem Tisch liegen, muss man auch springen.“ Alle geplanten Maßnahmen seien „längst überfällig – wir sollten sie heute beschließen.“
Am Ende wurde das Sicherheitspaket mit der Mehrheit der Ampelkoalition beschlossen. In der namentlichen Abstimmung entfielen für den ersten Teil des Pakets auf die Vorlage 361 Ja-Stimmen, 290 Abgeordnete votierten mit Nein. Der Entwurf sieht Verschärfungen im Asyl- und Aufenthaltsrecht sowie im Waffenrecht vor, unter anderem sollen in bestimmten Fällen Sozialleistungen des Staats für Asylsuchende gekürzt werden. Für die Vorlage, die den Sicherheitsbehörden erweiterte Befugnisse bei der Terrorismusbekämpfung geben soll, also dem zweiten Teil des Pakets, stimmten 367 Abgeordnete, 281 stimmten dagegen.
Panne bei der ersten Abstimmung
Zuvor war es im Bundestag zu einer peinlichen Panne gekommen. Die namentliche Abstimmung im Bundestag über einen Unionsantrag zum sogenannten Sicherheitspaket musste wiederholt werden. Bei der Auszählung der ersten Abstimmung sei aufgefallen, dass in die Urnen „mehrere ungültige Stimmkarten eingeworfen“ worden seien, sagte Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) im Plenum. Es werde ermittelt, „wie das passieren konnte“.
Die Abstimmung musste noch einmal durchgeführt werden. Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Die Linke) erklärte später im Plenum, dass die betreffenden Stimmkarten offenbar einer Abgeordneten gehörten, die nicht mehr dem Bundestag angehört. Offenbar war bei der Bereitstellung der Urne von der Verwaltung übersehen worden, das noch alte Stimmkarten in ihr verblieben waren.
Union mit Antrag gescheitert
Die Union ist mit ihrem Antrag zum Sicherheitspaket gescheitert, die Bundesregierung zur Zurückweisung Geflüchteter an den deutschen Grenzen zu verpflichten. Ein entsprechender Antrag erhielt in der namentlichen Abstimmung 255 Stimmen, 406 Abgeordnete stimmten dagegen. Die Unionsfraktion zählt nur 196 Abgeordnete. Es gab damit also auch Zustimmung aus anderen Fraktionen.
Der Antrag der Union hatte vorgesehen, die Zurückweisungen in dem Gesetzentwurf der Koalition zur Verschärfung des Asylrechts zu verankern. Durch die Einfügung werde „ausdrücklich klargestellt, dass die Bundesregierung zur Zurückweisung verpflichtet ist“, hieß es in dem Antrag der Union.
Die CDU/CSU begründete ihren Antrag damit, dass sich Deutschland „seit über zwei Jahren in einer anhaltenden schweren Migrationskrise“ befinde. „Deutschlands Aufnahme- und Integrationskapazitäten sind erschöpft“, heißt es in dem Antrag.
An der Frage der Zurückweisungen an den Grenzen war kürzlich der Versuch von Koalition und Union gescheitert, sich gemeinsam auf Maßnahmen zur Eindämmung der irregulären Migration zu verständigen. Die Union besteht auf Zurückweisungen, die Koalition hält dies für rechtlich nicht machbar.
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