Nach Bluttat in Solingen: Eine Festnahme – mehrere Feste in NRW abgesagt

Nach der Messerattacke von Solingen hat die Polizei eine Person festgenommen. Es werde geprüft, „ob es möglicherweise Tatzusammenhänge gibt“, teilten die Beamten am Mittag mit.
Titelbild
Bürger von Solingen legen Blumen und Kerzen am Ort des tragischen Vorfalls nieder.Foto: Sascha Schuermann/Getty Images
Von 24. August 2024

In Solingen läuft die Fahndung auf Hochtouren, heißt es in einem Facebook-Eintrag der Polizei. Der Fronhof, auf dem gestern mehrere Menschen beim Stadtfest von einem Messerangreifer zum Teil tödlich verletzt wurden, ist weiterhin gesperrt.

Die Meldung aus Solingen am Freitagabend hat viele Menschen schockiert. Eigentlich sollten sich die Besucher anlässlich der 650-Jahr-Feier der Stadt beim „Festival der Vielfalt“ amüsieren. Doch es kam anders. Gegen 21:40 Uhr stach ein Mann wahllos auf Passanten ein und verschwand im Getümmel. Nach aktuellen Polizeiangaben wurden bei dem Angriff drei Menschen getötet und acht weitere verletzt, fünf davon schwer. Das Fest, das bis zum Sonntag geplant war, wurde inzwischen gänzlich abgesagt.

Zurzeit würden sowohl Opfer als auch Zeugen befragt, so die Polizei. Man habe eine Vielzahl an Kräften rund um die Solinger Innenstadt zusammengezogen, darunter auch Spezialeinheiten.

Die Tat wird als „Anschlag“ gewertet, sagte eine Polizeisprecherin in der Landeshauptstadt Düsseldorf. Medienberichte, wonach die Tat als „Terroranschlag“ eingestuft werde, wies die Sprecherin zurück. Zu Medienberichten, der Angreifer habe Arabisch gesprochen, wollte die Sprecherin sich nicht äußern. Die Polizei bat um Mithilfe der Bevölkerung. Auf ihrem Hinweisportal (https://nrw.hinweisportal.de/) könnten Hinweise zur Tat oder dem Täter abgegeben und Bild- oder Videomaterial hochgeladen werden.

Polizei warnt vor Spekulationen

Wie „Bild“ erfahren haben will, soll es in den früheren Stunden des Samstagmorgens eine Festnahme durch das SEK gegeben haben. Demnach habe eine Zeugin den mutmaßlichen Täter bei dem Messerangriff erkannt, der schon bei einer anderen Straftat in Erscheinung getreten sein soll. Der junge Mann sei in der Wohnung seiner Eltern festgenommen worden. Ob es sich bei ihm tatsächlich um den Messerstecher auf dem Stadtfest handelt, ist nicht klar.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hat indes vor der Verbreitung von Spekulationen und Gerüchten gewarnt. „Spekulationen über die Tat in Solingen verbieten sich“, sagte der nordrhein-westfälische GdP-Chef Michael Mertens dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“. „Ich appelliere an alle, besonders an die Nutzer in den sozialen Medien, darauf zu verzichten, Gerüchte zu verbreiten.“

Es gebe bislang keine konkreten Erkenntnisse zum Täter, betonte auch Mertens. Die Personenbeschreibungen der Zeugen seien in Teilen widersprüchlich. „Das ist nicht verwunderlich: Die Menschen stehen unter dem Schock des Erlebten“, fügte er hinzu. Die Polizei müsse nun „ungestört ihre Arbeit machen können“.

Auch mit Blick auf ein mögliches Tatmotiv warnte Mertens vor voreiligen Schlüssen. „Wir müssen erst alles aufklären und den Täter stellen, um dann zu dessen Motivation Rückschlüsse zu ziehen“, sagte er der „Rheinischen Post“. Bislang stehe lediglich die Zahl der Toten und der Verletzen sowie der Tathergang mit einem Messer fest, ergänzte Mertens.

Mehrere Feste in Nordrhein-Westfalen abgesagt

Nach der Messerattacke in Solingen mit drei Toten sind in Nordrhein-Westfalen mehrere Feste teils mit Verweis auf die unklare Sicherheitslage abgesagt worden. Nach Angaben der jeweiligen Stadtverwaltungen vom Samstag sollten ein in Hilden geplantes „Fest der Kulturen“ und ein in Haan geplantes Weinfest ausfallen. In Wülfrath wurde laut Polizei zudem der für Sonntag geplante „Blaulichttag“ abgesagt.

„Wir sind entsetzt und tieftraurig über die schrecklichen Ereignisse, die unsere Nachbarstadt Solingen gestern erschüttert haben“, teilte Hildens Bürgermeister Claus Pommer (parteilos) mit. Aufgrund der „Sicherheitslage“ und vor allem aus „Mitgefühl für die Menschen“ in Solingen habe die Stadt Hilden ihr für das Wochenende geplante „Fest der Kulturen“ abgesagt.

In Haan wurde ein für das Wochenende geplante Weinfest abgesagt. „Wir können nicht feiern, wenn wenige Kilometer von uns entfernt unsere Nachbarstadt trauert“, erklärte Bürgermeisterin Bettina Warnecke (parteilos). „Der Täter ist zudem noch flüchtig und die Sicherheitslage ist unklar“, erklärte sie weiter. Die Absage sei der Stadt „nicht leicht“ gefallen.

Wie die Polizei in Mettmann zudem mitteilte, soll auch ein in Wülfrath geplanter „Blaulichttag“ am Sonntag ausfallen. „Angesichts des Leids der Opfer des Solinger Attentats haben wir mit Blick auf unsere Gefühlslage entschieden, die Veranstaltung nicht an diesem Sonntag stattfinden zu lassen“, hieß es in einer Polizeimitteilung.

Star-DJ spielt weiter – Augenzeuge bemerkt Blutlachen

Während der Messerattacke stand DJ Tobias Topic auf der Bühne. Der gebürtige Solinger ist einer der erfolgreichsten DJs in Deutschland. Dass es während seines Gigs zu derart dramatischen Szenen kommen könnte, hätte er sich nie träumen lassen.

Sicherheitskräfte seien auf die Bühne gekommen und hätten ihn gebeten, weiterzuspielen, um eine Massenpanik zu verhindern, schildert der 32-Jährige in seinem Eintrag auf Instagram. „Also machte ich weiter, auch wenn das unglaublich schwer war“, schreibt er. Rund eine Viertelstunde später habe man dann die Musik unterbrochen und die Besucher über den Vorfall informiert.

Einen schweren Auftritt hatte auch die Sängerin Suzan Köcher, die auf einer weiteren Bühne stand, als der Täter zur Tat schritt. Der Zeuge Lars Breitzke schilderte gegenüber dem „Solinger Tageblatt“, dass er nur wenige Meter entfernt gestanden habe.

An dem Gesichtsausdruck der Sängerin habe er erkannt, dass etwas nicht stimmte, schilderte er. „Und dann ist nur einen Meter neben mir ein Mensch umgefallen.“ Zuerst habe er gedacht, es handele sich um einen Betrunkenen. Als er sich jedoch umblickte, bemerkte er weitere Personen am Boden – und mehrere Blutlachen. Er selbst blieb unverletzt.

Politiker verurteilen Angriff

Nach der Bluttat meldeten sich zahlreiche Politiker zu Wort. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat den Anschlag in Solingen als „schreckliches Ereignis“ bezeichnet. Er sei „sehr bestürzt“, schrieb er am Samstag im Onlinedienst X. „Der Täter muss rasch gefasst und mit der vollen Härte des Gesetzes bestraft werden.“

Der aus Nordrhein-Westfalen stammende Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) äußerte, hoffentlich gelinge es der Polizei, „den feigen und erbärmlichen Täter auf der Flucht zu fassen“.

Auch Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) zeigte sich tief betroffen. „Der perfide Anschlag in Solingen auf Menschen, die den 650. Geburtstag ihrer Stadt feierten, erschüttert mich zutiefst“, schrieb sie auf X. „Meine Gedanken sind bei den Familien und Freunden der Opfer. Und mein Dank gilt den Sicherheitskräften, die unter Hochdruck nach dem Täter fahnden.“

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte: „Gewalt gegen Menschen, die einfach nur glücklich feiern wollten, ist verdammenswert.“ Er wünsche den Hinterbliebenen der Getöteten „viel Kraft und Trost“ und den Verletzten gute Besserung. „Es ist gut, dass die Polizei jetzt alles daran setzt, den Täter so schnell wie möglich zu finden“, erklärte Habeck weiter.

Lindner: „Wir sind nicht machtlos“

FDP-Chef Christian Lindner hat nach dem Anschlag in Solingen „kühle Konsequenz von Polizei und Rechtsstaat“ eingefordert. „Wir sind nicht machtlos“, schrieb der Bundesfinanzminister auf X. „In die Trauer um die Opfer des Anschlags in Solingen mischen sich schnell Gefühle von Ohnmacht und Wut. Auch bei mir. Aber das dürfen wir nicht zulassen.“

CDU-Chef Friedrich Merz hat sich nach dem Anschlag mit drei Toten in Solingen erschüttert geäußert. „Der Anschlag von Solingen trifft uns mitten ins Herz. Diese barbarische Gewalt ist unerträglich“, schrieb Merz am Samstag im Kurznachrichtendienst X. „Wir müssen zusammenstehen in diesen schweren Stunden für Nordrhein-Westfalen.“ Die Polizei tue nun „alles, damit der Täter schnell gefasst wird“.

Ähnlich äußerte sich auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der forderte, den Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Er sagte: „Stehen wir zusammen – gegen Hass und Gewalt.“ Zu dem Anschlag erklärte er weiter: „Die schreckliche Tat von Solingen erschüttert mich, sie erschüttert unser Land.“

Integrationsrat warnt vor „blindem Hass“

Der Solinger Integrationsratvorsitzende Hassan Firouzkhah hat im Vorfeld der Spekulationen um den Täter zur Zurückhaltung aufgerufen: „Sollte sich herausstellen, dass der Täter – wie von vielen beschrieben oder vermutet – arabisch-stämmig oder ein Islamist sein sollte, so lasst uns nicht in blinden Hass gegeneinander verfallen.“ Denn Tausende Menschen aus den Maghreb-Staaten und dem Nahen Osten würden in Solingen friedlich leben und seien ebenso über die Tat entsetzt.

„Lassen Sie den oder die Täter nicht erreichen, was diese im Sinn haben: Die Menschen hier gegeneinander aufzuhetzen. Wenn diese Tat unsere Gesellschaft auseinanderreißt, hätten sie ihr Ziel erreicht“, mahnt Firouzkhah.

(Mit Material der Agenturen)



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