Mützenich zum SPD-Fraktionsvorsitzenden gewählt – Die Sehnsucht nach linken Positionen
Erst war er nach dem Rücktritt von Andrea Nahles nur der Mann für den Übergang – an diesem Dienstag wurde Rolf Mützenich offiziell zum SPD-Fraktionschef gewählt. Der 60-Jährige erhielt die Unterstützung von 97,7 Prozent der Abgeordneten für sein neues Amt. Dabei dürfte die Sehnsucht vieler Sozialdemokraten nach linkeren Positionen eine Rolle gespielt haben – allerdings gilt Mützenich als moderater Linker. Nach Angaben aus Teilnehmerkreisen gab es nur zwei Nein-Stimmen und eine Enthaltung.
Lob erhält er ohnehin von allen Seiten. „Er setzt auf Inhalt statt auf Effekthascherei“, sagte der Chef der Parlamentarischen Linken der SPD, Matthias Miersch, vor der Abstimmung. Doch auch Achim Post von Seeheimer Kreis der SPD-Rechten signalisierte Unterstützung und beschrieb Mützenich als „kompetent und zielorientiert“.
Als dieser als dienstältester Fraktionsvize Anfang Juni die kommissarische Leitung übernahm, lagen bei den SPD-Abgeordneten die Nerven blank. Nach längerem Hin und Her hatte sich Nahles nach der verlorenen Europawahl zum Rückzug von Fraktions- und Parteispitze entschieden. Schnell verständigte sich die Fraktion daraufhin darauf, dass Mützenich kommissarisch das Ruder übernimmt.
Mützenich: Trump sei ein Rassist
In den Monaten danach gelang es ihm, die Fraktion zu beruhigen und die inhaltliche Arbeit voranzutreiben. Im Bundestag konterte er Forderungen von CDU-Chefin und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer mit dem Hinweis, sie solle statt Forderungen zu erheben, erst vorhandene Schwachstellen in der Bundeswehr abstellen. Auch forderte er einen „breiteren Sicherheitsbegriff“, als nur auf „Stärke und Abschreckung“ zu setzen.
Für Aufsehen sorgte Mützenich im Sommer mit der Aussage, US-Präsident Donald Trump sei Rassist. Regelmäßig meldet sich der Sozialdemokrat, der als Fraktionsvize für Außen- und Sicherheitspolitik zuständig war, auch bei Menschenrechtsthemen zu Wort. So ging er auf deutliche Distanz zu Machthabern in einigen arabischen Ländern und auch zum türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.
Im Verhältnis zu Russland warb Mützenich dagegen mehrfach für Initiativen zur Verbesserung des angespannten Verhältnisses und einen Abbau der wegen der russischen Ukraine-Politik verhängten Sanktionen. Dabei rügte er auch seinen Parteifreund, Außenminister Heiko Maas, als der nach seiner Auffassung einen zu harschen Kurs gegenüber Russland Präsident Wladimir Putin einschlug.
Einlenken musste Mützenich kürzlich in der Debatte um eine Verlängerung des Anti-IS-Mandats der Bundeswehr, die er gemäß früheren Absprachen der Koalition zunächst ablehnte. Das Ergebnis ist ein Kompromiss: Die deutschen Tornado-Aufklärer dürfen weiterfliegen, doch nur noch für ein halbes Jahr.
Kapitalismuskritik und „Demagogen mit aller Kraft entgegenstellen“
In der Rolle des kommissarischen Fraktionschefs meldete sich Mützenich zuletzt auch zunehmend in anderen Politikfeldern zu Wort. „Wir müssen versuchen, die Spaltungen, die unsere Wirtschaftsordnung hervorbringt, so klein wie möglich zu halten“, verband er in der Haushaltsdebatte versöhnliche Töne mit Kapitalismuskritik. Auch rief er dazu auf, sich „Demagogen mit aller Kraft entgegenzustellen“.
Im Bundestag gehört der 60-Jährige zu denjenigen, die Wert auf Abgrenzung zum Lobbyismus legen. „Mein Mandat steht für mich im Mittelpunkt meiner Arbeit“, betont Mützenich auf seiner Homepage, über Einkünfte aus Nebentätigkeiten oder zur Wahrnehmung von Lobbyinteressen verfüge er nicht. Stattdessen engagiert sich der zweifache Vater ehrenamtlich für den Verein Kindernöte und andere Nichtregierungsorganisationen.
Mit der Wahl von Mützenich zum Fraktionschef ist nun wenigstens eine große Personalfrage bei den Sozialdemokraten erledigt. Beim ebenfalls vakanten Parteivorsitz wird dies abschließend erst Anfang Dezember der Fall sein.
In der heiklen Frage des Verbleibs in der großen Koalition bekennt sich Mützenich zu dem Regierungsbündnis. Allerdings sei „eine Koalition nie Selbstzweck, sondern sollte immer dem Wohl des Landes und der Menschen dienen“. (afp)
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