München-Augenzeugin: „Nachdem das Auto in die Menge raste, ertönte ein Schuss“

Eine Augenzeugin schildert Epoch Times, wie sie den Anschlag in München erlebte. Neben Hilflosigkeit verspürt sie auch Wut gegenüber den Menschen, die in der Öffentlichkeit den Diskurs zu der Bluttat bestimmen, während die Opfer „nur eine unglaublich leise Stimme“ sind.
Titelbild
Alexa Gräf, eine Augenzeugin des Anschlags vom 13. Februar 2025 in München, kniet vor Blumen und Kerzen am Anschlagsort.Foto: Epoch Times
Von 19. Februar 2025

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Der Anschlag am Donnerstagvormittag, 13. Februar, in München durch einen afghanischen Staatsangehörigen (24) mit 37 teils schwer Verletzten und zwei Toten – einer 37-Jährigen und ihrer zweijährigen Tochter – hat die Bundesrepublik erschüttert.

Epoch Times sprach mit Alexa Gräf (20), einer Journalistin, die miterlebte, wie der Tatverdächtige seinen Pkw gezielt in den ver.di-Protestmarsch fuhr. Den Behörden zufolge verdichten sich die Hinweise auf einen islamistischen Hintergrund des abgelehnten Asylbewerbers, der sich legal in Deutschland aufhielt.

Wie haben Sie den Anschlag erlebt?

Ich arbeite direkt am Anschlagsort in der Seidlstraße für ein Magazin eines Verlages. Das Gebäude hat eine große Glasfront. Deswegen konnten wir den ganzen Morgen über aus den Bürofenstern den Demonstrationszug von ver.di an unserem Fenster vorbeimarschieren sehen. Wir waren neugierig und haben uns das Ganze angeguckt. Ein Auto ist an der Polizeikarawane, die den Demonstrationszug hinten begleitete, vorbei und in die Menge gerast. Das spielte sich quasi direkt auf der Höhe meines Schreibtisches ab. Ich habe alles sehen können.

Was genau haben Sie gesehen?

Das Auto schlängelte sich an den Polizeiautos, die den Demonstrationszug begleiteten, vorbei. Es war ein Abstand zwischen ihnen. Ich denke mal, um eine Rettungsgasse zu bilden. Da konnte der Mini durchfahren und hat beschleunigt und ist hinten in die letzten Teilnehmer der Demo hineingefahren.

Was ging Ihnen da durch den Kopf, als Sie diese Bilder gesehen haben?

Ich war nicht allein in der Redaktion. Das haben noch drei andere Kollegen von mir gesehen. Wir haben uns total erschrocken. Direkt nachdem das Auto in die Menge reingerast war, ertönte ein Schuss. Wie wir jetzt wissen, war das die Polizei, die den Wagen stoppen wollte. Das wussten wir in dem Moment noch nicht. Als ersten Reflex haben wir uns von den Fenstern weg ins Innere des Gebäudes zurückgezogen, weil wir nicht wussten, ob da weiter geschossen wird. Aber wir konnten nach kurzer Zeit feststellen, dass das wohl die Polizei war. Dann haben wir uns wieder nach vorne gewagt und gesehen, dass zu dem Zeitpunkt zehn, vielleicht 15 Menschen am Boden lagen und einige Verletzte sich zur Seite gerettet hatten.

Was geschah dann?

Mein Chef schaute mich an und fragte mich, ob ich runtergehen will. Ich bin erst 20, das war für mich eine vollkommen neue Situation. Trotzdem habe ich mich dann als Journalistin entschlossen, nur Minuten nach dem Anschlag nach unten zu gehen und mir das alles anzuschauen und mit den Menschen zu sprechen.

Als ich unten aus der Haustür raus bin, hatten sich schon einige Menschen um die leicht verletzten Menschen gekümmert. Einer hatte einen verwundeten Arm. Mit dem sprach ich auch. Einer hatte eine Platzwunde am Kopf und ich stand im Blut, als ich mit den Betroffenen sprach. Sie haben erst einmal überhaupt kein Wort rausbekommen. Und ich wusste auch nicht, was ich fragen soll.

War da schon ein Krankenwagen vor Ort oder waren dort nur Ersthelfer und die Polizei, die Erste Hilfe geleistet haben?

Als ich unten ankam, war noch kein Krankenwagen vor Ort. Sie trafen erst kurze Zeit später ein. Der Täter war noch in seinem Auto und noch nicht abgeführt. Die Polizei hatte bereits das Fahrzeug umstellt. Dann haben sie ihn relativ schnell überwältigt und abgeführt.

Das Täterauto musste angehoben werden, weil jemand unter die Räder gekommen war. Ich war eher fokussiert auf die Verletzten, die sich da direkt neben mir versammelt hatten und die Betroffenen, die sich zur Seite auf dem Bürgersteig gerettet hatten.

Wie muss man sich Ihren Zustand vorstellen, mitten zwischen den Verletzten? Stellte sich für Sie in dem Moment auch die Frage, ob Sie nicht lieber Hilfe leisten sollten. Also gab es da auch einen inneren Konflikt?

Ich glaube dadurch, dass ich mit einem Ziel, einer Aufgabe in die Situation gegangen bin, fiel es mir leichter, die Situation einzuordnen und Distanz dazu zu wahren. Ich glaube, wenn man direkt betroffen ist, ist das viel, viel schwerer auszuhalten, weil man dann ein betroffenes Opfer ist.

Natürlich ist die Situation auf eine gewisse Art und Weise surreal. Also, mit jedem weiteren Tag, an dem ich aufwache und mir überlege, was da eigentlich passiert ist, wird es für mich surrealer. Magdeburg ist mir klar vor Augen und auch den Anschlag auf dem Breitscheidplatz in Berlin habe ich noch klar vor Augen. Solche Vorfälle häufen sich in letzter Zeit.

Das jedoch an einem Ort zu sehen, den man jeden Tag aufsucht, der dann auch im Fernsehen – teilweise weltweit – ausgestrahlt wird, das war für mich der Moment, wo das Ganze so absurd wurde. Denn mein erster Gedanke, als das Auto an den Polizeiwagen vorbei beschleunigte, war: „Da hat es wohl jemand sehr, sehr eilig.“ Ein weißer Mini Cooper ist auch nicht gerade das typische Tatfahrzeug, das man jetzt mit solch einem Verbrechen in Verbindung bringt.

Hat sich durch dieses Erlebnis für Sie etwas verändert? Und wenn ja, was?

Ich glaube, dass sich der Fokus auf eine gewisse Art und Weise verschiebt. Mir ist das auch aufgefallen, als ich den ganzen Tag am Anschlagsort verbrachte. Wenn ich mich in der Vergangenheit mit solchen Attentaten befasst habe, wie jetzt zum Beispiel beim Anschlag auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg oder auf dem Breitscheidplatz, dann bleibt einem der Täter in Erinnerung.

Aber die Opfer sind mir nicht in Erinnerung. Kein einziges. In dem Moment, wo ich mich nach unten begeben habe, in diese Szene hinein und Teil davon wurde, war mir der Täter und woher er kommt vollkommen egal. Die Frage kam natürlich später. Aber ich verstehe jetzt besser, warum nach Attentaten oft von Opferseite die Forderung laut wird, sich weniger auf den Täter in der Berichterstattung zu fokussieren, weil das in dem Moment tatsächlich nebensächlich wird.

Im Nachhinein finde ich natürlich auch eine Aufarbeitung vollkommen richtig und wichtig, dass man zeigt, wer der Täter ist und warum er das gemacht hat und was daraus für Konsequenzen folgen sollen.

Hat sich Ihr Sicherheitsgefühl durch das Erlebnis verändert? Gehen Sie jetzt anders zur Arbeit oder durch die Straße?

Ich glaube, in dieser Straße hat sich nichts für mich geändert. Statistisch gesehen wäre es natürlich auch sehr, sehr unwahrscheinlich, wenn da jetzt noch mal was passiert, weil zumindest zu diesem Zeitpunkt sich auch noch relativ viel Polizei in der Straße befindet. Die Gedenkstätte, die mittlerweile dort errichtet wurde, wird polizeilich gesichert.

Aber ja, grundlegend hat sich mein Sicherheitsgefühl natürlich verändert, ganz klar. Also, ich bin auf jeden Fall schreckhafter. An dem Abend selbst ist mir das aufgefallen. Ich habe gegen 17 oder 18 Uhr das Büro verlassen. Zu dem Zeitpunkt war der Tatort auch noch vollkommen abgesperrt. Das Tatfahrzeug stand noch da, das wurde erst später beseitigt. Ich musste die Straße überqueren, um nach Hause zu kommen. Ein Auto, das wahrscheinlich befugt war, kam diese vierspurige Straße entlang und ich bin hinter dem Auto über die Straße gegangen. In dem Moment hielt das Auto an und setzte ein paar Meter in meine Richtung zurück, um einzuparken. Da habe ich mich extrem erschrocken.

Es beschleicht mich das Gefühl, dass man solchen Anschlägen nicht entkommen kann. Also egal, wo man sich befindet, egal, wofür man auf die Straße geht oder wie alt man ist, das schützt einen nicht davor, dass einem so was passiert.

Gibt es eine Szene vom Anschlag, die bei Ihnen besonders hängen geblieben ist?

Ich glaube, der Knall vom Aufprall der Menschen auf das Auto wird mir in Erinnerung bleiben. Darüber wird relativ wenig geredet. Wie laut es ist, wenn ein Auto einen Menschen, einen Körper trifft. Das ist relativ laut, das hört man. Ich war im zweiten Stock. Wir hatten geschlossene Fenster und trotzdem hört man das.

Auch das Bild von diesem vollkommen deformierten Kinderwagen, der auf der Straße lag und einem Paar Turnschuhe, ein Modell, das ich auch selbst trage, die nur wenige Meter von mir entfernt herumlagen, erzeugen ein ganz komisches Gefühl.

Spielt es für sie eine Rolle, dass es Hinweise darauf gibt, dass dieser Anschlag womöglich islamistisch motiviert war?

Natürlich spielt es für mich eine Rolle, dass der Täter ein Islamist war. Es würde für mich genauso eine Rolle spielen, wenn sich irgendein anderes Motiv klar herausstellt. Ich verfolge natürlich auch die Entwicklungen, sich das politisch zu eigen zu machen, sowohl von links als auch von rechts. Also einen Aufruf am Tag darauf zu einer Gegen-Rechts-Demo finde ich ein bisschen makaber, weil ich finde, dass in dieser speziellen Situation ein Rechtsextremist nicht mein Feind ist, sondern in dieser speziellen Situation wurde ich oder meine Mitmenschen von einem Islamisten angegriffen. An dieser Tatsache irgendwie vorbeizureden, finde ich vollkommen falsch. Oder die Schuld jemandem anderem zu geben, der sich angeblich nicht genug gekümmert hat. Es macht mich auf eine gewisse Art und Weise wütend. Und sicherlich bin ich dafür, dass die richtigen Konsequenzen gezogen werden.

Meine vornehmliche Erkenntnis ist aktuell, dass man im Grunde genommen nirgendwo mehr sicher sein kann. Und dass es keinen Unterschied macht, welche politische Einstellung man hat oder wie man aussieht. Darum geht es bei Islamisten nicht. Es geht um Gewalt. Ich spreche hier nicht vom Islam, ich möchte das ausdrücklich betonen, sondern ich spreche von einem politischen radikalen Islamismus. Er stellt ein großes Problem in Europa dar.

Man sieht das daran, dass Messer oder Autos, die in Menschenmengen gesteuert werden, für Taten genutzt werden, die wir für beispiellos oder unmöglich gehalten haben, bis sie jemand verübte.

Ich erinnere mich an den Mord an Samuel Paty, einem französischen Mittelschullehrer aus einem Pariser Vorort, der vor vier Jahren auf offener Straße von einem Islamisten enthauptet wurde. Diese Verbrechen entsetzen mich stark und im Moment macht mich das hoffnungslos. Ich hoffe, dass ich in irgendeiner Art und Weise in Zukunft da eine Erkenntnis herausziehen kann, die mich weiterbringen wird. Im Moment fühlt es sich nicht so an!

Was könnten die Konsequenzen aus dem Anschlag sein?

Ich hoffe natürlich, dass den Täter ein Strafverfahren wegen Mordes oder versuchten Mordes mit Todesfolge erwartet. Für eine Einschätzung, ob er hier in Deutschland verurteilt oder nach Afghanistan abgeschoben werden sollte, kenne ich mich rechtlich nicht genug aus. Aber er soll seine Strafe für die zwei Morde auf alle Fälle bekommen.

Gibt es ein Gefühl, das bei Ihnen überwiegt, wenn Sie an diesen Anschlag denken?

Die ersten Tage hatte ich überhaupt keine Emotionen, die damit verbunden waren. Das Erlebnis war für mich nicht in ein Gefühl einzuordnen, was mich ein bisschen wahnsinnig gemacht hat, weil ich dachte, es würde mir sehr viel leichter fallen, das Ganze zu verstehen, wenn ich es ein bisschen für mich in meinem Kopf unter einem bestimmten Gefühl framen könnte. Dafür war es für mich aber zu groß.

Dennoch kristallisiert sich eine Art Wut heraus. Auch auf Menschen, in allererster Linie Politiker und Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen und den Diskurs bestimmen. Denn sie meinen, zu wissen, wovon sie sprechen, aber das tun sie nicht. Das weiß ich jetzt, wo ich diesen Anschlag gesehen und erlebt habe. Man weiß nicht, wovon man spricht, wenn man so etwas nicht erlebt hat. Zudem ärgert mich sehr, dass die Opfer nur eine unglaublich leise Stimme in diesem Diskurs sind.

Es muss sich etwas ändern. Wer auch immer die Wahlen gewinnt, muss wieder die Nähe zu den Bürgern, uns Wählern suchen. Ich bin Erstwählerin bei dieser Bundestagswahl und auch ich verspüre schon eine gewisse Politikverdrossenheit, was ich sehr, sehr schade finde. Weil ich mir vorstellen kann, dass Menschen, die schon seit längerer Zeit in Deutschland wählen gehen, sich beispielsweise im Bundestag überhaupt nicht repräsentiert sehen. Es muss auf jeden Fall wieder mehrere Schritte auf uns Bürger zugegangen werden. Leider habe ich nur wenig Hoffnung, dass dies eintreten wird.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Erik Rusch.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers oder des Interviewpartners dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.



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