„Mr. Volkswagen“ als Zeuge vor Gericht
Die öffentlichen Auftritte des einstiegen „Mr. Volkswagen“ sind rar. Ab Mittwoch wird der frühere VW-Chef Martin Winterkorn aber in Braunschweig vor Gericht erwartet. Der 76-Jährige soll als Zeuge zur Dieselaffäre aussagen, die ihn 2015 wenige Tage nach dem Auffliegen den Chefsessel beim Wolfsburger Autobauer kostete. Was ist von seiner Aussage zu erwarten?
Auch im neunten Jahre nach dem Bekanntwerden Abgasmanipulationen bei Volkswagen bleibt die Frage, wer was wann wusste. Gerichte versuchen in aufwendigen Verfahren weiterhin, die Verantwortung zu klären.
Im milliardenschweren Zivilverfahren um mögliche Schadenersatzansprüche von Investoren vernimmt das Oberlandesgericht Braunschweig derzeit etwa 80 Zeugen, darunter mehrere frühere VW-Vorstandschefs.
Nach Herbert Diess und Matthias Müller wird in dieser Woche der Auftritt Winterkorns erwartet. Als Zeuge soll er zu verschiedenen Behauptungen, die teils bis in das Jahr 2007 zurückreichen, befragt werden. Wie jeder andere Zeuge vor Gericht muss sich Winterkorn dabei nicht selbst belasten. Viele andere potenzielle Zeugen haben sich auf ein umfassendes Aussageverweigerungsrecht berufen und wollen in Braunschweig gar nicht aussagen.
Neues medizinisches Gutachten
Winterkorn werde versuchen, die geplanten Vernehmungen in Braunschweig bestmöglich zu absolvieren, hieß es aus seinem Umfeld. Dem früheren Topmanager, der zurückgezogen in München lebt, geht es demnach gut, auch wenn mehrere größere Operationen Spuren hinterlassen haben.
Zu diesen Eindrücken passt, dass es nach Angaben des Landgerichts Braunschweig ein neues medizinisches Gutachten gibt, nach dem auch die Verhandlungsfähigkeit Winterkorns ab September 2024 wieder gegeben sein dürfte. Einige Medien hatten daher über mögliche Auftritte auch als Angeklagter noch in diesem Jahr berichtet. „Es gibt aber noch keine Termine“, sagte ein Gerichtssprecher dazu.
Im ersten großen Braunschweiger Strafprozess, bei dem seit September 2021 gegen vier andere Ex-VW-Manager sowie -Ingenieure verhandelt wird, wurde Winterkorns Komplex aus gesundheitlichen Gründen abgetrennt.
Sein Verfahren liege nun in einer anderen Wirtschaftsstrafkammer, hieß es dazu vom Landgericht. Vor dem Jahreswechsel wurde zudem bekannt, dass das Verfahren wegen des Verdachts der Marktmanipulation gegen Winterkorn wieder aufgenommen wurde. Auch dafür gibt es bisher keine Termine.
Anleger ringen seit 2018 um Schadenersatz
„Wir sind gespannt“, hieß es von der Klägerseite zur bevorstehenden Winterkorn-Befragung im Investorenprozess. „Es ist völlig offen, was die Aussage überhaupt bringen kann“, sagte Anwalt Axel Wegner. Denn in Winterkorns Fall sei die Gefahr einer Selbstbelastung womöglich schnell gegeben. Winterkorns Nachfolger Matthias Müller und Herbert Diess hatten in ihren Befragungen jegliche Verantwortung für den Dieselskandal zurückgewiesen.
In dem Verfahren nach Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMug) ringen Anleger seit 2018 um Schadenersatz, weil sie nach dem Auffliegen des Skandals Kursverluste in Milliardenhöhe erlitten hatten. Musterklägerin ist dabei die Deka Investment, die Beklagten sind die Volkswagen AG und die Dachholding Porsche SE.
Er habe zu akzeptieren, dass sein „Name verbunden ist mit der sogenannten Dieselaffäre“, sagte Winterkorn einmal rückblickend. Als Eingeständnis einer Mitschuld an den Abgasmanipulationen wollte er dies allerdings keinesfalls verstanden wissen. Er beteuerte, vor dem Bekanntwerden des Skandals nichts von illegalem Tun gewusst zu haben. (dpa/red)
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