Moscheen in Duisburg und Hannover gehen in der Corona-Krise zum öffentlichen Gebetsruf über
Im Zuge der Regierungsmaßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus wurde auch Gottesdienststätten der großen Weltreligionen die vorübergehende Schließung verordnet. Dies ist eine Konsequenz aus dem Verbot der Versammlung in großen Menschengruppen und des Abstandsgebotes von mindestens 1,5 Metern gegenüber dem Mitmenschen.
Für das Gemeindeleben in und um die Kirchen, Moscheen und Synagogen stellt dies einerseits eine Härte dar, da feste Bestandteile des religiösen Lebens nicht in der gewohnten rituellen Form gepflegt werden können. Die Not macht allerdings erfinderisch. Immer mehr Gemeinden nutzen die Möglichkeiten, die moderne Technik und das Internet bieten, um Gebetsgemeinschaften und den sozialen Austausch der Mitglieder aufrechtzuerhalten.
„Geistermesse“ und „Online-Kehilla“
In der Katholischen Kirche spielen beispielsweise sogenannte „Geistermessen“ eine Rolle – die technische Bezeichnung dafür lautet „Eucharistiefeier ohne Mitfeiernde“.
Die Feier des eucharistischen Opfers ohne Messdiener und der Anwesenheit Gläubiger anstelle regulärer Gottesdienste ist seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil zwar nur in Ausnahmefällen und aus schwer wiegenden Gründen vorgesehen, andererseits wird die tägliche Vollziehung durch den Priester auch in mehreren päpstlichen Enzykliken explizit gutgeheißen. In vielen Fällen ermöglichen es die Geistlichen der Gemeinde nun, die Zeremonie online mitzuverfolgen.
Auch die jüdischen Gemeinden müssen improvisieren. Gottesdienste oder Schiurim (Erörterung religiöser Texte) finden mittlerweile via Zoom, Facebook, YouTube oder Whatsapp statt. Dort trifft sich auch die Kehilla, die Versammlung der Gemeinde, der jeweiligen Standorten regelmäßig.
Das Internet eignet sich auch für gemeinsame Gebete wie Schacharit, Mincha, Maariw oder die Kabbalat Schabbat. Es muss sich lediglich bei dieser Gelegenheit ein Minjan zusammenfinden – also eine Mindestanzahl von zehn religiös mündigen Juden, die nötig ist, um einen Gottesdienst abzuhalten.
Wie die „Jüdische Allgemeine“ berichtet, nehmen im Regelfall 40 Leute oder mehr an den virtuellen Zusammenkünften teil. Allerdings darf das Kaddisch-Gebet für die Toten nur bei einem realen Minjan gesprochen werden. „Aber es gibt ein anderes Gebet und einen Psalm, die wir derzeit zur Erinnerung an einen Verstorbenen sprechen“, erklärt Zsolt Balla, Rabbiner der Synagoge in Leipzig.
Gemeinsame Aktion in Duisburg
Das Jüdische Bildungszentrum von Chabad in Berlin arbeitet eigenen Angaben zufolge „mit Hochdruck daran, euch auch zu Hause mit der täglichen Dosis Yiddishkeit zu versorgen“. Dazu soll es deutschlandweite Online-Schiurim sowie weitere Lernangebote geben.
Duisburgs Muslime wiederum können sich seit Freitag (20.3.) erstmals darüber freuen, dass das Minarett der dortigen Merkez-Moschee zum Gebetsruf verwendet wird. Wie das „Deutsch-Türkische Journal“ (DTJ) berichtet, hat sich die Gemeinde im Stadtteil Marxloh mit den christlichen Kirchen darauf verständigt, dass an Freitagen gleichzeitig Glockengeläut und Gebetsruf erfolgen sollen. Mit der gemeinsamen Aktion wolle man nicht nur die Gläubigen ermuntern, sondern es soll auch, wie es in einer Erklärung heißt, „an die zahlreichen Helden in den Krankenhäusern, Apotheken, Supermärkten, Alten- und Pflegeheimen erinnert werden, die in diesen Wochen über ihre Grenzen hinaus gehen, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen“.
Ähnlich wie die Teilnahme am Sabbatgottesdienst für die Juden und die am sonntäglichen für die Christen – mit Ausnahme von Freikirchen wie den Siebenten-Tags-Adventisten, die ihren religiösen Ruhetag am Samstag begehen – eine religiöse Pflicht darstellt, ist es jedem männlichen, erwachsenen Muslim jeden Freitag zur Mittagszeit geboten, in die Moschee zu gehen.
Freitagsgebet in Moscheen ausgesetzt
Um den Kampf gegen das Virus zu unterstützen, haben inzwischen jedoch alle muslimischen Verbände in Deutschland sowohl das Freitagsgebet als auch alle anderen täglichen Gebete für eine unbestimmte Zeit ausgesetzt. Ähnliche Regelungen gelten auch in vielen mehrheitlich von Muslimen bewohnten Ländern wie der Türkei, wo diese Mitte März in Kraft getreten ist. Unter den gegebenen Umständen kann auch das Freitagsgebet zuhause verrichtet werden.
Bis dato war der Gebetsruf in Duisburg im Innenhof der Moschee und im unmittelbaren Umkreis lediglich über die Lautsprecheranlage zu hören. Die Vorsitzende des DITIB-Landesverbands NRW, Hülya Ceylan, erklärte, dass die Idee von der benachbarten Kirchengemeinde stamme. Der Gebetsruf komme bei den Duisburger Muslimen sehr gut an und sei in dieser schweren Phase „Balsam für die Seelen“.
Ob der Gebetsruf vom Minarett auch nach Ende der Krise beibehalten werde, sei „derzeit schwer zu sagen“, erklärte Ceylan. Man werde mit den Kirchen und den lokalen Behörden, die für die Erteilung einer solchen Genehmigung zuständig wären, im Gespräch bleiben. Sie lobte jedoch das hohe Ausmaß an Disziplin, das Duisburgs Muslime hinsichtlich der Einhaltung der Pandemie-Maßnahmen an den Tag legten. In der Türkei habe es diesbezüglich größere Probleme gegeben.
„Moral der Gesellschaft stärken“
Der Gebetsruf sei gerade in der jetzigen Zeit von hoher Wichtigkeit, erklärte Ceylan: „Menschen sind momentan auf der Suche nach Möglichkeiten, die Moral der Gesellschaft zu stärken. Der Gebetsruf ist in diesem Sinne ein sehr wirksames Symbol.“
Wie das Portal „Islamiq“ berichtet, hat die Stadt Hannover auch der „Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs“ (IGMG) genehmigt, seit Freitag den Adhan, den öffentlichen Gebetsruf, zu vollziehen. „Ich möchte den Behörden, die diese Aktionen ermöglicht haben, danken. Ich denke, dass es in den kommenden Tagen auch in anderen Städten öffentliche Gebetsrufe geben wird“, erklärte IGMG-Generalsekretär Bekir Altas.
Seit Beginn der Corona-Krise waren auch vielfach Videos in den sozialen Netzwerken aufgetaucht, die Muslime zeigten, wie sie auf ihren Balkonen den Gebetsruf rezitieren. Nun scheint die Aktion also koordiniert zu werden und sich auf den Freitag zu konzentrieren, schreibt das DTJ dazu.
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