Mord-Werkzeug Auto? BGH prüft Berliner Raser-Fall
Das bundesweit erste Mordurteil gegen Raser steht auf dem Prüfstand: Der Bundesgerichtshof (BGH) verhandelt heute in Karlsruhe den tödlichen Unfall bei einem illegalen Autorennen in Berlin.
Auf den Tag genau vor zwei Jahren – in der Nacht zum 1. Februar 2016 – hatten sich zwei junge Männer auf dem Kurfürstendamm mit ihren Autos ein spontanes Rennen („Stechen“) geliefert. Sie waren mit bis zu 160 Kilometern pro Stunde unterwegs, missachteten rote Ampeln, einer rammte dabei einen Geländewagen. Dessen Fahrer hatte keine Chance: Der 69-Jährige starb noch an der Unfallstelle. Das Landgericht Berlin verurteilte beide Raser wegen Mordes. Dagegen legten sie Revision ein (Az.: 4 StR 399/17).
Welche Bedeutung hat der Fall?
Juristen und Verkehrsexperten schauen gespannt nach Karlsruhe. Erstmals prüfen die höchsten deutschen Strafrichter, ob rücksichtslose Raser bei einem Unfall mit tödlichem Ausgang wegen Mordes belangt werden können.
Wie urteilten die Gerichte bisher?
In der Vergangenheit gab es bei Raser-Unfällen mit tödlichem Ausgang Urteile wegen fahrlässiger Tötung, die teils zur Bewährung ausgesetzt wurden. Seit Oktober sieht das Strafgesetzbuch aber bis zu zehn Jahre Haft für verbotene Autorennen vor. Der Deutsche Verkehrsgerichtstag fordert auch, dass Raser und Drängler künftig höhere Bußgelder und schneller Fahrverbote erhalten.
Wie entschieden die Berliner Richter?
Das Landgericht Berlin verurteilte die zur Tatzeit 24 und 26 Jahre alten Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs zu lebenslangen Freiheitsstrafen. Auch wurde ihnen der Führerschein auf Lebenszeit entzogen.
Wie wurde das Mordurteil begründet?
Die Richter gingen davon aus, dass die beiden mit dem Wettrennen „mittäterschaftlich und mit bedingtem Vorsatz“ handelten. Sie hätten zwar niemanden töten wollen, den Tod anderer aber billigend in Kauf genommen, um zu gewinnen. „Es ging um den Kick und das Ansehen in der Raser-Szene“, hieß es im Urteil. „Schon eine Gleichgültigkeit gegenüber dem zwar nicht erstrebten, wohl aber hingenommenen Tod des Opfers rechtfertigt die Annahme bedingten Tötungsvorsatzes.“ Niedrige Beweggründe wollte die Kammer „nicht mit letzter Sicherheit bejahen“. Mörder seien die beiden aber, weil sie den Autofahrer mit einem „gemeingefährlichen Mittel“ – ihren bei dem Tempo unkontrollierbaren PS-starken Wagen – getötet haben.
Was prüft der BGH?
Die höchsten deutschen Strafrichter klopfen das Berliner Urteil auf Rechtsfehler ab. Dabei geht es insbesondere um die Feststellung des „bedingten Vorsatzes“ anstelle der „bewussten Fahrlässigkeit“. Kann man jemandem Vorsatz – Juristen nennen es „dolus eventualis“ (Eventualvorsatz) – unterstellen, der ohne Rücksicht auf mögliche Opfer durch die City rast? „Das ist sicher grenzwertig“, sagt Verkehrsrechtspezialist Andreas Krämer vom Deutschen Anwaltverein (DAV). Das Berliner Gericht habe sein Urteil aber gut begründet.
Was passiert, wenn der BGH das Urteil bestätigt?
Wenn der BGH das Mordurteil bestätigt, könnte dies Auswirkungen nicht nur auf Unfallfahrer von illegalen Wettrennen haben: „Dann könnten auch andere Raser-Unfälle mit Toten oder Verletzten als Mord oder versuchter Mord gewertet werden“, sagt Verkehrsrechtexperte Krämer. Das hätte abschreckende Wirkung, hofft Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer. Denn die Aggressivität im Straßenverkehr nehme zu: „Jeder dritte Getötete auf deutschen Straßen wird auf Drängeln, Schneiden, Überholen und zu hohes Tempo zurückgeführt.“
Was ist, wenn der BGH das Urteil kippt?
In dem Fall könnte aus Sicht von Unfallforscher Brockmann der Schuss nach hinten losgehen: „Das wäre ein furchtbares Signal für alle Raser – sie würden nur wahrnehmen: Das Urteil ist gekippt.“ Er hätte es deshalb besser gefunden, wenn das Berliner Landgericht wegen Totschlags geurteilt hätte: „Das schon wäre mutig gewesen.“ (dpa)
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion