Montag 10 Uhr beginnt „Air Defender“: NATO probt den Ernstfall mit 146 Flugzeugstarts
Der Countdown für die größte Verlegeübung von Luftstreitkräften seit dem Bestehen der Nato läuft: Deutschland und 24 weitere Staaten – darunter auch der auf Aufnahme wartende Nato-Partner Schweden – üben von Montag an die Verteidigung des Bündnisgebietes gegen einen Angreifer sowie die Rückeroberung umkämpfter Gebiete.
Zum Start am Montag seien 146 Flugzeugstarts vorgesehen, teilte die Luftwaffe mit. Um 10:00 Uhr geht es am Montag los. Der Einsatzbefehl – die Air Tasking Order (ATO) – für die beteiligten Kräfte lag seit Samstag vor. Im Gastgeberland Deutschland führt nun der für den nördlichen Nato-Raum zuständige Gefechtsstand in Uedem (Nordrhein-Westfalen) die Übung.
Seit 2018, also nach der russischen Annexion der Krim, und deutlich vor dem Angriffskrieg Russlands gegen die gesamte Ukraine, wurde die Übung geplant. In dem Szenario ist das fiktive östliche Bündnis OCCASUS der Gegner. Nach einer jahrelangen Konfrontation mit OCCASUS hat der Konflikt die Bundesrepublik erreicht. Das westliche Bündnis löst den Verteidigungsfall nach Artikel 5 des Nato-Vertrages aus.
Es kämpft Blau gegen Rot
Die OCCASUS-Allianz versucht in dem Szenario zur Ostsee vorzustoßen und den Rostocker Hafen in Besitz zu nehmen. Sie nutzt dabei auch Sabotageaktionen und den Einsatz von Spezialkräften, die aus der Luft unterstützt werden.
„Spezialkräfte der Organisation Brückner und andere Truppen von OCCASUS konnten von Osten nach Deutschland eingeschleust werden. Nun halten Luft- und Bodenkräfte die gesamte Region Klebius besetzt, etwa ein Viertel des Landes“, schreibt die Bundeswehr zu der Übung.
Tag 1 des Gegenangriffs: Es kämpft Blau gegen Rot, den Feind. Es geht um Luftnahunterstützung („close air support“) eigener Soldaten im Kampf am Boden sowie „2 gegen 2“ in der Luft, also den Kampf von Flugzeugen gegen andere Flugzeuge.
Die Nato-Partner streben nach Luftüberlegenheit und gehen gemeinsam und mit Maschinen in der Luft den Ablauf von Missionen durch. Dazu sammeln sich Flugzeuge der unterschiedlichen Staaten in Gebieten, sogenannten „assembly areas“: Zunächst identifizieren und unterdrücken Spezialflugzeuge für den Elektronischen Kampf (Eloka) gegnerische Radarstellungen und Flugabwehrstellungen. Jagdflugzeuge bekämpfen dann den Gegner in der Luft. Dann kommen Bomber gegen Ziele am Boden zum Einsatz. Über allem fliegen Aufklärungsmaschinen, und Tankflugzeuge sorgen für ausreichend Treibstoff – vereinfacht gesagt.
Generalleutnant: „Wir zeigen auch Stärke“
Geübt werden das Zusammenspiel und gemeinsame Taktiken, wie Generalleutnant Günther Katz, Kommandierender General des Luftwaffentruppenkommandos, im Bundeswehr-Format „Nachgefragt“ sagt. „Wir zeigen auch Stärke, denke ich mir, indem wir auch demonstrieren, dass wir abwehrbereit sind und dass wir auch bereit sind, jeden Quadratzentimeter des Bündnisgebietes gegen jeden möglichen Gegner zu verteidigen“, sagte er.
Der Hauptluftkampf finde in einer Höhe bis zu 20 Kilometern statt, höher also als die zivilen Fluggesellschaften fliegen. Es wird auch Tiefflüge geben, aber vor allem auf Truppenübungsplätzen.
An der Übung nehmen vom 12. Juni bis zum 23. Juni unter deutscher Führung 25 Nationen und 10.000 Soldaten mit 250 Flugzeugen teil, darunter 70 Militärmaschinen aus Deutschland. Die Übung findet vor allen in drei Lufträumen über Teilen Norddeutschlands und der Nordsee statt. Das Training wird in Teilschritten vollzogen. Auch wenn es im Szenario um Rostock geht, werden – natürlich – nicht nur Ziele im Umland der Stadt bekämpft.
Trotzdem: Es kann regional laut und auch eng werden am Himmel über Deutschland. Unterschiedliche Einschätzungen gibt es weiter zu den Beeinträchtigungen des zivilen Flugverkehrs. „Das wird sich maximal im Minutenbereich bewegen“, sagte der Inspekteur der Deutschen Luftwaffe, Ingo Gerhartz, in der vergangenen Woche zu möglichen Verspätungen von Flügen. Zudem laufe die Übung vor den Schulferien und der großen Urlaubsreisewelle.
Die Fluglotsengewerkschaft GdF hatte zuvor eine andere Prognose aufgestellt. Die Militärübung „wird natürlich massive Auswirkungen auf den Ablauf der zivilen Luftfahrt haben“, sagte ihr Vorsitzender Matthias Maas.
Friedensinitiativen protestieren
Keine Zweifel gibt es daran, dass vor allem Russland den Ablauf sehr genau verfolgt. Dass die Übung auch ein Signal der Stärke an den russischen Präsidenten Wladimir Putin sendet, machte US-Botschafterin Amy Gutmann bei einer Pressekonferenz mit Gerhartz deutlich.
Sie sagte: „Es würde mich sehr wundern, wenn irgendein Staatsoberhaupt der Welt nicht zur Kenntnis nehmen würde, was dies (das Manöver) in Bezug auf den Geist dieses Bündnisses, das heißt die Stärke dieses Bündnisses, zeigt. Und das schließt Herrn Putin ein.“
Vor dem Beginn des internationalen Manövers demonstrierten am Samstag Hunderte Menschen vor dem Fliegerhorst Wunstorf in der Region Hannover. Friedensinitiativen hatten zu der Demonstration unter dem Motto „Frieden üben – statt Krieg“ aufgerufen.
Die Demonstranten sprachen sich für diplomatische Lösungen und einen Waffenstillstand im Krieg in der Ukraine aus. Zu sehen waren etwa Banner mit der Aufschrift „Nieder mit den Waffen! Nein zum Krieg! Abrüstung jetzt!“ Nach Angaben eines Polizeisprechers versammelten sich insgesamt rund 300 Menschen friedlich. (dpa/red)
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