Mobilitätsgipfel: Politik formuliert Erwartungen an den Automarkt

Der Mobilitätsgipfel in Berlin hat grüne Politiker zu strategischen Empfehlungen an die Autoindustrie motiviert. Auch Minister Wissing steht in der Kritik.
Der Umstieg auf E-Autos wird von steigenden Kosten und fehlender Infrastruktur gebremst.
Der Umstieg auf E-Autos wird von steigenden Kosten und fehlender Infrastruktur gebremst. Der Mobilitätsgipfel endete dennoch mit einem Bekenntnis zu den Zulassungszielen der Bundesregierung.Foto: Julian Stratenschulte/dpa
Von 12. Januar 2023

Am Dienstag (10.1.) trafen sich Bundeskanzler Olaf Scholz und mehrere Minister unter anderem mit Vertretern von Industrie und Gebietskörperschaften zum Mobilitätsgipfel. Auch Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Gewerkschaften waren eingeladen. Aus Interessengruppen für Bahn und Fahrradverkehr hatte es Kritik gegeben, man habe diese Segmente der Mobilität nicht berücksichtigt.

Bundesregierung erneuert Bekenntnis zu E-Auto-Zielen am Mobilitätsgipfel

Offiziell fungierte die „Strategieplattform Transformation der Automobil- und Mobilitätswirtschaft“ als Ausrichter des Treffens. Regierungssprecher Steffen Hebestreit zufolge seien die verschärfte Abgasnorm Euro-7 und die hohen Energiepreise Teil der Agenda gewesen. Zentrales Thema war jedoch die Elektromobilität.

Wie die „Tagesschau“ berichtet, hält die Bundesregierung an ihrem Ziel fest, bis 2030 mindestens 15 Millionen vollelektrischer Autos auf Deutschlands Straßen zu bringen. Aus der Erklärung des Regierungssprechers klingt durch, dass sich ein Erfolg dieses Vorhabens zurzeit noch nicht abzeichne. So heißt es darin:

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren sich einig, dass ein rascher Hochlauf der E-Mobilität erforderlich ist, um die Klimaziele im Verkehr zu erreichen.“

Deloitte nutzte Mobilitätsgipfel für kritische Worte

Kritische Töne kamen von der Unternehmensberatung Deloitte. Sie präsentierte eine Umfrage, der zufolge nur 16 Prozent der Verbraucher in Deutschland überhaupt den Wunsch verspüren, ein E-Auto zu erwerben. Damit stagniere dieser Anteil im Vergleich zum Vorjahr.

Die reservierte Haltung vieler Bürger gegenüber der von der Politik forcierten Technologie dürfte in Anbetracht der politischen Großwetterlage weiter zunehmen. Höhere Zinsen und die hohe Inflation hemmen den Wunsch, sich zeitnah ein neues Automobil zuzulegen. Dazu steigen die Preise für Batterien und Strom – während die staatliche Förderung kaum Erleichterung bietet.

Was auch vielen Verbrauchern Sorgen bereitet, ist die unzureichende Ladeinfrastruktur im Land. Der Mobilitätsgipfel machte sie sich zum Thema. Im Oktober hatte die Bundesregierung bereits einen „Masterplan Ladeinfrastruktur“ beschlossen. Für diesen sollen kurzfristig zusätzliche 6,3 Milliarden Euro zur Verfügung stehen.

Ladeinfrastruktur: Ausbau zu langsam und an der Nachfrage vorbei

Derzeit hält der Ausbau der Ladepunkte jedoch nicht einmal mit der Nachfrage nach E-Autos Schritt. Dem Verband der Automobilindustrie (VDA) zufolge waren Anfang 2021 noch 14 E-Autos auf einen Ladepunkt gekommen. Mittlerweile seien es 23, die sich einen teilen müssten.

In absoluten Zahlen hat sich der Bestand an Ladepunkte für E-Autos in Deutschland laut Bundesnetzagentur 2022 mehr als vervierfacht. Anfang November 2022 gab es demnach in Deutschland 72.000 Ladestationen – gegenüber 17.000 ein Jahr zuvor. Allerdings würde es bei gleichbleibendem Tempo bis ins Jahr 2077 dauern, ehe der von der Bundesregierung angepeilte Bestand von einer Million Ladesäulen erreicht sei.

Und selbst das wäre aus Sicht von Autoindustrie und Energieversorgern noch nicht gleichbedeutend mit einer angemessenen Bedienung der Nachfrage. Es fehle hauptsächlich an Hochleistungsladestandorten.

Nur 12.000 der vorhandenen Ladepunkte eigneten sich laut Bundesnetzagentur zum Schnellladen mit 22 Kilowatt. Und gar nur etwa 3.000 weisen eine Leistungskapazität ab 300 Kilowatt auf. Diese sei jedoch erforderlich, um ein E-Auto in weniger als 30 Minuten aufzuladen.

Experte: „E-Autos bremsen die Energiewende“

In der Vorwoche hatte auch der Energiewende-Experte von der TU Graz, Georg Brasseur, im „Standard“ eine erzwungene Wende hin zum E-Auto als unrealistisch bezeichnet. Es sei „unverantwortlich von der Politik, ein System durchsetzen zu wollen, von dem klar ist, dass der Vollausbau nicht funktionieren kann“.

E-Autos bremsten eher die Energiewende, statt sie voranzutreiben, meinte Brasseur. Zudem drohe eine starke Abhängigkeit von China. Problematisch sei zudem, dass mehr Stromverbraucher ans Netz gingen, als grüne Kraftwerke entstünden. Eine Überlastung wäre vorprogrammiert. Man könne es sich nicht leisten, eine parallele Welt für neue Energieträger aufzubauen. Durch die Errichtung neuer Energievektoren würde „viel mehr fossiles CO₂ freisetzt als im Endeffekt eingespart würde“.

Der Versorgungsbedarf der Ladeinfrastruktur für E-Autos würde schon Industrieländer vor erhebliche Probleme stellen. In Schwellen- und Entwicklungsländern mit noch geringerer Stromversorgung wäre die Herausforderung noch weniger zu bewältigen.

Die Bundesnetzagentur selbst hatte jüngst zudem anklingen lassen, dass Besitzer von E-Autos und Wärmepumpen im Fall einer überschießenden Stromnachfrage benachteiligt werden könnten. Im Wege der sogenannten Spitzenglättung würde vor allem in diesen Bereichen die Versorgung gedrosselt.

Höhere Produktion Ursache oder Folge gestiegener Nachfrage?

Unbeirrt zeigen sich jedoch die Grünen. Im Anschluss an den Mobilitätsgipfel erhob deren verkehrspolitischer Sprecher im Bundestag, Stefan Gelbhaar, Vorwürfe gegen Verkehrsminister Stefan Wissing. Dieser sei für ein „Umsetzungsdefizit“ bei der E-Mobilität verantwortlich und setze sich nicht „konsequent“ genug für die Förderung der Elektromobilität ein. Der Grünen-Politiker richtete auch den Appell an Bundeskanzler Olaf Scholz, er solle Wissing „klar machen, was die Zeit geschlagen hat“.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) wiederum kritisiert die Automobilindustrie dafür, zu viele SUVs zu produzieren. Deren Zulassungszahlen seien gestiegen, und aus ihrer Sicht sei eine gestiegene Nachfrage nicht Ursache, sondern Folge der Produktion.

Stattdessen solle die Automobilindustrie mehr sparsame Kleinwagen bauen, so Lemke in „RTL Direkt“:

Ich kenne sehr viele Familien, die gerade angesichts der gegenwärtigen Treibstoffpreise der Energiekrise auf kleine, auf sparsame Autos setzen. Ich denke, das ist ein wichtiger Markt, der von der deutschen Automobilindustrie selbstverständlich bedient werden muss.“

(Mit Material von dts und AFP)



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