Mittelalter auf dem Vormarsch
Wer dieser Tage plant, über die Weihnachtsmärkte seiner Heimatstadt zu schlendern, der könnte in all dem Weihnachtstrubel unerwartet auf Dinge aus längst vergessenen Tagen stoßen: Ein Schwert, Rüstungsteile, Rentierfelle, oder ganz einfach Gegenstände alten Handwerks, wie geschmiedetes Essbesteck, Holzeimer oder mundgeblasene Glasartikel. Auch dass an einem der Stände allerlei Spezereien aus dem fernen Orient feilgeboten werden, mag manch einen verwundern.
Wer sich dann noch etwas genauer umsieht, der wird feststellen, dass auch die Marktstände, andernorts lieblos „Buden“ genannt, nicht ganz alltäglich sind: hier findet man vereinzelt Ritterzelte, oder liebevoll gestaltete Stände aus altem, handbehauenem Holz, im Stile vergangener Jahrhunderte. Schnitzereien in gotischem oder keltischem Stil verzieren dicke Holzbalken, durch kleine Butzenglasfenster schimmert gedämpftes Licht. Spätestens jetzt ist klar: ein normaler Weihnachtsmarkt ist das wohl nicht … Hier ist etwas auf dem Vormarsch, das im Sommer längst zu einem festen Bestandteil des kulturellen Lebens geworden ist: Das Mittelalter.
Oder zumindest das, was viele dafür halten …
Denn geprägt von Hollywood und den Medien findet sich hier auch so mancher Wildwuchs, der mit dem „echten“ Mittelalter so gut wie nichts zu tun hat.
Ist aber auch nicht so schlimm, sagen die, die sich in der Szene wohlfühlen. Es geht hier den meisten schließlich nicht um eine möglichst authentische Wiedergabe des Lebens im Mittelalter. Man will aussteigen aus dem Alltag, das Interesse an Geschichte oder Handwerk vertiefen oder sogar ausleben. Einem Bürstenmacher oder Böttcher bei der Arbeit zuschauen, selber mal den Schmiedehammer schwingen, oder einen Bogen samt Pfeilen mit den eigenen Händen bauen. Mit anderen Gleichgesinnten fachsimpeln, über Sinn und Unsinn von Trinkhörnern etwa, oder über spezielle Schwertkampftechniken mit dem Anderthalbhänder. Und man möchte den Heranwachsenden neues Wissen über alte Dinge vermitteln, das sie so im normalen Leben nicht oder nur selten vermittelt bekommen. Und das am besten noch zum anfassen.
Das alles wird eingebettet in etwas, das viele als Lagerfeuer-Romantik missverstehen, in Wirklichkeit aber weit darüber hinausgeht. Hier bauen sich Freundschaften auf, die jahrelang Bestand haben, hier trifft Wissensdurst und echtes Interesse auf ein unerschöpfliches Reservoir an Informationen, die zum grossen Teil auch durch persönliche Erfahrungen aufgewertet werden. Geschichte zum anfassen, Handwerk zum erleben, Mittelalter für die Neuzeit.
Ja, und wo bleibt nun die Romantik? Die versteckt sich zunächst still in der stilvollen Beleuchtung aus Kerzen, Fackeln und Holzlaternen. Bei längerem Verweilen am Markt kann einem dann auch das Staunen in Kinderaugen nicht verborgen bleiben, oder die Vorfreude bei so manchem Erwachsenen, der völlig unerwartet genau hier das passende Geschenk für jemanden gefunden hat und dabei sicher weiss, dass kein anderer auf dieselbe Idee gekommen ist. Zu guter Letzt trägt dann sogar das Warenangebot seinen Teil dazu bei, welches fern von Kitsch und Haushaltsartikeln dazu einlädt, schöne Dinge mit schönen Gedanken an liebe Mitmenschen zu erstehen, um Freude und Behaglichkeit zu verschenken. Feinsinnige Romantik statt sinnlosem Konsumrausch…
Und wer mag, trinkt vielleicht noch einen Becher heissen Met (Honigwein), Glühwein oder Feuerzangenbowle. Und das natürlich nicht aus gewöhnlichen Tassen, sondern aus Tonbechern, die auch mal nach originalen Fundstücken aus frühen Jahrhunderten gestaltet sein können. So kann der Tag stimmungsvoll ausklingen, während man in der gemütlichen Athmosphäre einer fremden und doch unerwartet heimeligen Welt seinen Gedanken nachhängt…
Der besondere Weihnachtsmarkt
München wird als „Munichen“ erstmals 1158 geschichtlich erwähnt. Der Ortsname wurde schon im Mittelalter von „munich/münich“, also „Mönch“, abgeleitet, weshalb das erste überlieferte Stadtsiegel (1239) bereits einen Mönchskopf mit Zipfelmütze zeigt. Durch missverständliche Darstellungen wurde der Mönch später als Kind gedeutet und so zum „Münchner Kindl“.
Weihnachtsmärkte in München gehen nachweislich bis ins späte Mittelalter zurück. Bereits anno 1410 wurde hier eine „Nikolausdult“ erwähnt. Der Mittelaltermarkt auf dem Wittelsbacherplatz (nahe Odeonsplatz) zeigt, wie es anno dazumal gewesen und zugegangen sein könnte. Er knüpft an diese alte, bayerische Tradition an und gilt wegen seines historischen Gepräges als besonders stimmungsvoll. Für vier Wochen zieht dort lebendiges Mittelalter ein.
An den Wochenenden erwartet die Besucherinnen und Besucher ein mittelalterliches Unterhaltungs- und Festprogramm, bunt, fröhlich und anspruchsvoll: Geboten werden keltische Harfe und Gesang, irische Fidel, bayerische Drehleier, Sackpfeifen und verschiedene Spielleute mit Musik des 11. bis 16. Jahrhunderts.
Wittelsbacherplatz,
Brienner Strasse 6 – 10
täglich bis zum 23.12.2008
11:00 – 20:00 Uhr
www.mittelaltermarkt-muenchen.de
(Bernhard Schmitt)
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Bernhard Schmitt ist selbstständiger Unternehmer und 41 Jahre jung. Das „Mittelalter“ war zunächst sein Hobby, inzwischen ist es sein zweites Standbein. Mit seinem Marktstand ist er auf etwa fünfzehn Märkten pro Jahr anzutreffen. Infos unter www.DieKleyneKraemerey.de |
Übersicht Mittelaltermärkte in Deutschland:
www.marktkalendarium.de
Märkte, Veranstaltungen, Musik in Norddeutschland rund um das Mittelalter:
www.mittelalter-im-norden.de.vu
Online-Radio mit „Mittelalter und Irish Folk“-Programm
www.radio-aena.de
Erschienen in The Epoch Times Detschland Nr. 50/08
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