Mitglied des Corona-Rats warnt: Psychische Erkrankungen durch Schulschließungen
In einer Sonderschalte beraten die Kultusminister der Länder heute über die Situation an den Schulen wegen einer befürchteten Omikron-Welle.
Zur Wochenmitte läuft in der Hälfte der Bundesländer nach der Weihnachtspause wieder der Unterricht. Millionen weitere Schülerinnen und Schüler kehren nächste Woche zurück. Bei den Beratungen geht es darum, wie der Schulbetrieb auch bei steil ansteigenden Infektionszahlen aufrechterhalten werden kann.
Vorab machten Vertreter mehrerer Bundesländer deutlich, dass erneute Schulschließungen im großen Stil nicht zur Debatte stehen, und forderten vereinfachte Quarantäneregeln. Bindende Vereinbarungen sind von den Beratungen der Kultusministerkonferenz (KMK) nicht zu erwarten. Da Bildung Ländersache ist, fasst die KMK meist Beschlüsse, die eher Appell-Charakter haben.
Schulschließungen als Ultima Ratio
Der Koordinator der SPD-regierten Bundesländer in der KMK, Hamburgs Schulsenator Ties Rabe, sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Ich gehe davon aus, dass die Kultusministerkonferenz noch einmal ihren Beschluss bekräftigen wird, die Schulen so lange wie möglich offen zu halten“. Man müsse die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen besser im Blick haben als bisher, sagte Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU), die zum Jahresbeginn die KMK-Präsidentschaft übernommen hat, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Das bedeutet, dass wir die Schulen erst dann schließen, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind.“
Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger sicherte den Ländern Hilfe zu. „Ich hoffe sehr, dass sich die Kultusministerkonferenz dafür aussprechen wird, die Schulen auch mit Omikron offen zu halten. Wir unterstützen als Bund mit allem, was notwendig ist, um das zu ermöglichen“, sagte die FDP-Politikerin der Neuen Osnabrücker Zeitung“.
„Kritische Infrastruktur“
Hessens Kultusminister Alexander Lorz (CDU), Koordinator für die CDU-regierten Länder in der KMK, forderte mit Blick auf das am Freitag anstehende Corona-Krisengespräch zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und den Ministerpräsenten eine Entscheidung zur Reduzierung der Quarantänezeiten. „Denn die Schulen zählen mit bundesweit elf Millionen Schülerinnen und Schülern sowie 800.000 Lehrkräften für mich zur kritischen Infrastruktur, die jetzt besonders geschützt werden muss“, sagte Lorz der dpa.
Diskutiert wird seit Tagen darüber, ob in Deutschland wie auch in anderen Ländern die Quarantänezeiten verkürzt werden sollten, um wichtige Versorgungsbereiche am Laufen zu halten, falls Infektionen sprunghaft zunehmen.
In den Schulen soll eine Situation wie vor einem Jahr vermieden werden. Damals waren die Schulen im Lockdown, der in den Frühling hinein nur schrittweise aufgehoben wurde. Manche Schüler kehrten erst im Mai in die Klassen zurück. Wegen der langen Ausfälle wird geschätzt, dass sich bei fast einem Viertel der Schülerinnen und Schüler Lernrückstände aufgebaut oder vergrößert haben.
Allen sei bewusst, wie sehr Schülerinnen und Schüler im vergangenen Jahr unter den Schulschließungen gelitten hätten, sagte die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD). In der KMK bestehe weitgehend Einigkeit darin, dass der Unterrichtsstoff am besten in der Schule vermittelt werden könne.
Psychische Erkrankungen durch Schließungen
Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, Jörg Dötsch, der auch Mitglied im Corona-Expertenrat der Bundesregierung ist, verwies auf die Gefahr psychischer und körperlicher Erkrankungen durch Schließungen.
Außerdem könnten die Schulen durch das gute Testsystem auch zur Regulierung des Infektionsgeschehens unter Kindern und Jugendlichen beitragen, sagte er der dpa. „Die Omikron-Variante verläuft glücklicherweise ähnlich wie die Deltavariante bei Kindern und Jugendlichen deutlich schwächer als bei Erwachsenen. Es gibt hier keine Verschlimmerung.“
Flächendeckende Schulschließungen sind nach Änderungen am Infektionsschutzgesetz durch die Ampel-Parteien inzwischen auch nicht mehr möglich. Thüringen musste deshalb seinen Plan zurückziehen, im ganzen Freistaat mit Distanzunterricht ins neue Jahr zu starten. Nun wird es den Schulen selbst überlassen, wie sie vorgehen wollen.
Drei-Stufen-Plan in Mecklenburg-Vorpommern
Auch in Mecklenburg-Vorpommern sollen die Schulen selbst entscheiden. Das Bildungsministerium in Schwerin hat einen Drei-Stufen-Plan erstellt. Die Einrichtungen sollen immer am Donnerstag mit Blick auf die aktuelle Personallage festlegen und Eltern, Schulträger und Schulämter informieren, ob es in der kommenden Woche Unterricht in voller Präsenz (Phase 1), mit wechselnden Gruppen bei älteren Schülern (Phase 2) oder auch Distanzunterricht (Phase 3) gibt.
„Ich glaube, dass es Mecklenburg-Vorpommern richtig macht“, sagte der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, der „Rheinischen Post“. Es gebe ja nicht nur die Alternative Präsenzunterricht oder Schulschließungen, sondern ein vielfältiges Maßnahmenbündel dazwischen. Dem Portal „Watson“ sagte er: „Grundsätzlich sind Lehrkräfte natürlich für Präsenzunterricht, weil wir um die Folgeschäden von Schulschließungen wissen – allerdings nicht um jeden Preis.“
Die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Maike Finnern, glaubt nicht, dass Präsenzunterricht an allen Schulen durchgängig möglich sein wird. „Wir müssen uns ehrlich machen“, sagte sie dem Portal „Business Insider“. „Es wird Schulen geben, die auf Distanz unterrichten müssen“. (dpa/oz)
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion