Mit welchen Hoffnungen kamen die Mitglieder zum BSW-Parteitag?

Mit welcher Motivation sind Menschen in die neu gegründete Partei Bündnis Sahra Wagenknecht eingetreten? Epoch Times sprach mit Teilnehmern des ersten Bundesparteitages des BSW in Berlin.
Titelbild
Der erste Bundesparteitag des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) im ehemaligen Kosmos-Kino am 27. Januar 2024.Foto: Matthias Kehrein/Epoch Times
Von 1. Februar 2024

„Das Gesicht ganz vorn in den Wind zu halten, das erfordert Mut […]. Ihr habt die Entscheidung getroffen, deshalb seid ihr heute hier als Mitglieder des Bündnisses Sahra Wagenknecht, das es ohne euch nicht geben würde.“

Mit diesen Worten begrüßt die Parteivorsitzende Sahra Wagenknecht am 27. Januar die anwesenden 382 stimmberechtigten Parteimitglieder. Sie trafen sich – aus dem gesamten Bundesgebiet angereist – unter großem Medienrummel zum ersten Bundesparteitag im ehemaligen Kino Kosmos in Ostberlin.

Doch was hat die Menschen bewegt, in eine neue Partei einzutreten und aus welchen Organisationen kommen sie zum BSW?

Digitalunternehmer hofft auf Regierungsverantwortung

Der Digitalunternehmer Oliver Skopec (38) zeigt sich begeistert von einer „heterogenen Vielfalt“ an Menschen im BSW. Wozu auch solche zählen würden, die vorher überhaupt nicht parteipolitisch oder vielleicht auch gar nicht politisch engagiert waren. Sie würden jetzt mit ganz unterschiedlicher Expertise zusammenkommen.

„Das ist etwas, was mich unglaublich darin bestätigt, dass es wirklich auch ein Neuaufbruch ist und nicht nur eine neue Verpackung für eine bereits da gewesene politische Arbeit auf der linken Seite.“ Damit verbunden hoffe er, „dass wir hier wirklich neu und relativ frei denken können, um pragmatische Lösungen zu finden“.

Er glaube, dass eine politische Einordnung im jetzigen Spektrum zwischen links und rechts mittlerweile schwierig sei.

Skopec habe das Gefühl, dass ein Eintritt in eine Partei wirklich an den Kern dessen geht, wo wirklich Veränderungen stattfinden können.

Die etablierten Parteien und etablierten Politiker seien damit überfordert, inhaltlich und unvoreingenommen an Problemen zu arbeiten. Die gewachsenen Strukturen, die Abhängigkeiten innerhalb und zwischen den Parteien mit wirtschaftlichen Interessenverbänden seien so gefestigt, dass ein neuer Kurs schwer möglich sei. „Ich habe die Hoffnung, dass das BSW hier unvoreingenommener und lösungsorientierter arbeiten kann.“

Skopec glaube, dass es mit dem BSW einen neuen Akteur gebe, der nicht nur „kluge und weise Zwischenrufe“ mache, sondern auch Regierungsverantwortung übernehmen werde.

BSW-Mitglied Oliver Skopec. Foto: Matthias Kehrein/Epoch Times

„Bildungsgerechtigkeit lässt sehr zu wünschen übrig“

Der Rechtsanwalt und Unternehmer Peter R. Ackermann hat im Parteiprogramm der BSW die größte Übereinstimmung mit seinen persönlichen Ansichten gefunden.

Er ist Träger des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse, das ihm 2015 für sein langjähriges Engagement in der Kinder- und Jugendarbeit verliehen wurde.

Bildung und überhaupt die Möglichkeit aufzusteigen sei seiner Ansicht nach in Deutschland „eine sehr privilegierte Veranstaltung“. Das BSW erkenne wenigstens das Problem, so der 84-Jährige. „Ich hoffe, dass sie was tun können, um das zumindest abzumildern.“

Zudem störe den Berliner der überbordende Lobbyismus in Deutschland. Politische Entscheidungen würden dadurch stark wirtschaftlich beeinflusst, „und nicht von der Vernunft“, so die Kritik.

Auch betreibe Brüssel seiner Ansicht nach zunehmend einen ungesunden Zentralismus. „Dinge von übergeordneter europäischer Bedeutung könnten dort entschieden werden, aber Dinge, die eher nationale oder lokale Bedeutung haben, sollten sie uns hier entscheiden lassen.“ Als begeisterter Europäer sei er dadurch skeptischer geworden.

BSW-Mitglied Peter R. Ackermann. Foto: Matthias Kehrein/Epoch Times

„Friedenspolitik“ soll mehr Gewicht bekommen

Barbara Siebert (Rentnerin) ist dem Bündnis beigetreten, weil die „Diffamierung der Friedensbewegung“ aufhören müsse und die „Friedenspolitik“ in Deutschland mehr Gewicht bekommen soll.

Ein Sascha Lobo dürfe im „Spiegel“ die Friedensbewegung als Lumpen-Pazifismus bezeichnen. Als „Lump“ habe der Richter Roland Freisler am nationalsozialistisch ausgerichteten Volksgerichtshof die Hitlerattentäter bezeichnet, kritisiert sie. „Das ist eine Vokabel, die muss verbrannt sein.“

Gleichzeitig kritisiert das ehemalige SPD-Mitglied Aussagen von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD). Deutschland müsse „kriegstüchtig“ werden, habe Pistorius erklärt. „Als Deutschland kriegstauglich war, hat Deutschland Millionen Russen und Juden getötet. Das kann kein Ziel sein, und das erschreckt mich wie auch die Diffamierung von Andersdenkenden“, so die 77-Jährige aus Kerpen (Nordrhein-Westfalen).

Sie sei aufgrund von Gerhard Schröders Agenda 2010 aus der SPD ausgetreten, habe dann die WASG im Rhein-Erft-Kreis aufgebaut und sei dann über die Fusion der WASG mit der SED-Nachfolgepartei PDS zur Partei Die Linke gekommen.

BSW-Mitglied Barbara Siebert. Foto: Matthias Kehrein/Epoch Times

Ehemaligem Linken-Mitglied fehlte „solidarische Debattenkultur“

Für den Studenten Joshua Müller (24) ist die BSW die Alternative für Menschen, die für eine gute Rente, gute Löhne und für Frieden kämpfen wollen. Sie seien hier willkommen. Dabei sei es egal, wie sich jemand politisch einordnet.

Das frühere Linken-Mitglied vermisste zuletzt besonders eine „solidarische Debattenkultur“. „Das hat mir in der Linken in den letzten Monaten, vor allem aber auch schon teilweise in den letzten Jahren extrem gefehlt.“ Er habe das Gefühl gehabt, mit einer Meinung überhaupt nicht mehr durchzudringen.

Dann, so Müller, hätte es geheißen, das sei nicht links oder das sei „bei uns nicht willkommen“. „Daher hatte ich oft das Gefühl, an den Rand oder aufs Abstellgleis gestellt zu werden.“

Amira Mohamed Ali (l.) und Sahra Wagenknecht. Foto: Matthias Kehrein/Epoch Times

Parteitag in Eintracht

Es zeigte sich, dass die fast 400 handverlesenen Parteimitglieder auf einer Linie sind. Es gab keine Zwischenfragen, keine Änderungsanträge, die vorher 20 Kandidaten wurden im Rekordtempo und allesamt ohne Gegenkandidaten auf die Liste zur Europawahl gewählt.

Auch bei den übrigen Abstimmungen zeigte sich eine außergewöhnliche Eintracht. Selbst bei der Generaldebatte zum Europawahlprogramm zeigte sich keine Meinungsverschiedenheit.



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