Mit Mindestlohnerhöhung weg vom Niedriglohn?
Die aktuelle Debatte um den Mindestlohn in Deutschland dreht sich vorrangig um die Forderung, diesen deutlich anzuheben. Der gesetzliche Mindestlohn war im Oktober 2022 auf 12,00 Euro hochgesetzt worden. Anfang 2024 stieg er auf 12,41 Euro pro Stunde und soll bis 2025 um weitere 41 Cent auf 12,82 Euro angehoben werden. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) fordern eine weitere Erhöhung bis 2026 auf bis zu 15 Euro, um Vorgaben der EU-Mindestlohnrichtlinie zu erfüllen.
Arbeitgeber kritisieren Mindestlohnerhöhung
Dem Vorhaben von Scholz und Heil stellt sich Arbeitgebervertreter Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), entgegen und kritisiert das Vorhaben der Erhöhung auf bis zu 15 Euro in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“:
Das deutsche Mindestlohngesetz sagt: Wir haben im Rahmen einer Gesamtabwägung einen Mindestlohn festzusetzen, der sich an der Tarifentwicklung nachlaufend orientiert. Die europäische Mindestlohnrichtlinie nennt darüber hinaus unverbindliche weitere Maßstäbe.“
Dass der Bundesarbeitsminister jetzt über EU-Recht hinausgehen will, dazu bestehe weder rechtlich noch sozialpolitisch oder ökonomisch ein Anlass. Die Orientierung an der Tariflohnentwicklung sei angemessener als die strikte Einhaltung des EU-Kriteriums, so Kampeter, der auch Mitglied der Mindestlohnkommission ist.
EU gibt Regeln vor
Der Mindestlohn, das gesetzlich festgelegte Minimum, das ein Arbeitnehmer pro Stunde verdienen muss, wurde in Deutschland 2015 eingeführt und von der sogenannten Mindestlohnkommission regelmäßig angepasst. Ziel ist, eine Balance zwischen fairer Bezahlung und möglichen negativen Folgen für den Arbeitsmarkt zu halten. Lohndumping soll verhindert und sichergestellt werden, dass niemand unterhalb einer bestimmten Grenze arbeitet, die als notwendig für die Existenzsicherung angesehen wird.
In der EU-Richtlinie wird als Referenzwert für den Mindestlohn 60 Prozent des sogenannten Medianlohns, des mittleren Lohnniveaus eines Landes, genannt. Der Medianlohn teilt das Lohnspektrum in zwei Hälften – 50 Prozent der Beschäftigten verdienen mehr, die anderen 50 Prozent weniger als den Medianlohn. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts entspricht der aktuelle Mindestlohn einer Vollzeitstelle in Deutschland gut 57 Prozent des Bruttomedianverdienstes.
Der in Deutschland aktuelle Mindestlohn in Höhe von 12,41 Euro pro Stunde entspricht bei einer Vollzeitstelle rechnerisch einer Lohnuntergrenze von 2.054 Euro brutto im Monat. Das ist weniger als die Hälfte dessen, was ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer 2023 als durchschnittlichen Bruttomonatsverdienst bekam: rund 4.479 Euro.
Höhere Löhne, höhere Preise
Gerade für kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) bedeuten höhere Mindestlöhne gesteigerte Lohnkosten und damit eine höhere Belastung. Bei starken Lohnsteigerungen werden negative Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit und die Beschäftigung befürchtet. Besonders in Branchen, in denen die Margen gering sind, könnten Unternehmen gezwungen sein, Kosten an anderer Stelle zu senken, beispielsweise durch Personalabbau, weniger Investitionen oder eine Verlagerung von Produktionsstandorten.
Gestiegene Lohnkosten werden in der Regel vom Unternehmen durch Preiserhöhungen für Waren und Dienstleistungen ausgeglichen. Diese Verteuerungen sind insbesondere für Haushalte problematisch, deren Einkommen nicht durch den Mindestlohn erhöht wird. Inflation wiederum trifft am Ende besonders Niedriglohnempfänger.
In Deutschland: Mindestlohnbetrug strafbar
Eine Unterschreitung des festgelegten Mindestlohns ist in Deutschland strafbar. Ein Mindestlohnbetrug liegt dann vor, wenn Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern nicht den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn zahlen, um Kosten zu sparen. Mindestlohnbetrug ist in Deutschland eng verbunden mit dem Vorwurf der Schwarzarbeit.
Bundesweit knapp 50.000 Ordnungswidrigkeitenverfahren und über 100.000 Strafverfahren haben die Zöllner der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) 2023 wegen Schwarzarbeit, illegaler Beschäftigung und Sozialleistungsbetrugs eingeleitet. In dem Kontext wird ein Gesamtschaden von rund 615 Millionen Euro festgestellt. Epoch Times berichtete.
Unter dem Medianwert: Niedriglohn
Laut Stepstones jährlichem Gehaltsreport liegt das Medianeinkommen bei 43.750 Euro Jahresbrutto, also etwa 3.645 Euro monatlich. Medianeinkommen bedeutet, dass die Hälfte der Einkommen über und die andere Hälfte unter diesem Wert liegen. Der Medianlohn ist also der Lohn, bei dem die eine Hälfte der Beschäftigten mehr und die andere weniger verdient.
Wer mit seinem Brutto am Monatsende unter zwei Drittel des aktuellen Medianlohns liegt, der bekommt nur „Niedriglohn“. Zum Niedriglohnbereich zählen in Deutschland Jobs, in denen aktuell weniger als 13,04 Euro brutto pro Stunde gezahlt werden.
Rund 6 Millionen Arbeitsplätze werden als Niedriglohnjobs eingestuft: 2023 bekamen 16 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse im Westen Deutschlands, 18 Prozent im Osten Deutschlands Niedriglohn. Damit wurde fast jeder sechste Job brutto pro Stunde mit weniger als 13,04 Euro entlohnt.
Niedriglöhne profitieren von Anhebung des Mindestlohns
Der Niedriglohn beschreibt ein geringes Einkommen und ist Teil der Lohnverteilung, der besonders bei geringfügigen Beschäftigten oder Arbeitnehmern in prekären Verhältnissen vorkommt. Von einer Erhöhung des Mindestlohns würden vor allem diejenigen profitieren, die im Niedriglohnbereich vergütet werden.
Niedriglöhne sind in der Regel in Berufen anzutreffen, die keine hohe Qualifikation erfordern oder in Branchen, die eine geringe Tarifbindung aufweisen, wie Gastronomie oder Einzelhandel.
Mit 51 Prozent führt hier das Gastgewerbe, gefolgt von Beschäftigten in der Land- und Forstwirtschaft sowie in der Fischerei mit 43 Prozent. Aber auch im Bereich Kunst, Unterhaltung und Erholung (36 Prozent) wird schlecht gezahlt. Besonders Frauen haben niedrige Gehälter. 2023 bekamen 19 Prozent der Frauen Niedriglöhne im Vergleich zu 13 Prozent der Männer.
Viele von diesen „Niedriglöhnern“ würden wohl von einer Erhöhung des Mindestlohns profitieren, allein als Folge der letzten Mindestlohnerhöhung waren 1,5 Millionen Jobs weniger im Niedriglohnsektor.
Mindestlohn in anderen EU-Ländern
Höhere Mindestlöhne als in Deutschland mit aktuell 2.054 Euro brutto monatlich bei einer Vollzeitstelle werden laut Destatis in der EU gegenwärtig in Luxemburg (2.571 Euro), Irland (2.146 Euro), den Niederlanden (2.134 Euro) und Belgien (2.070 Euro) gezahlt.
Am unteren Ende der Skala liegen laut Daten der EU-Statistikbehörde Eurostat Bulgarien (477 Euro), Ungarn (675 Euro) und Lettland (700 Euro). In fünf EU-Mitgliedstaaten gibt es gegenwärtig keinen nationalen Mindestlohn: Dänemark, Italien, Österreich, Finnland und Schweden.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion