Ministerpräsident Woidke: „Wir haben eine Überlastung des Gesundheitssystems verhindert“

Die fünfstündige Befragung von Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) im Corona-Untersuchungsausschuss des Landes wirkte teilweise wie ein Schlagabtausch. Hitzige Diskussionen zwischen den AfD-Vertretern und dem Ausschussvorsitzenden, Lachen von der Zuschauertribüne und ein Rechtsbeistand, der alle Hände voll zu tun hatte, den Landeschef vor Aussagen zu bewahren.
Titelbild
Vernehmung des Zeugen Dietmar Woidke, Ministerpräsident des Landes Brandenburg, beim Corona-Untersuchungsausschuss im brandenburgischen Landtag, am 15.03.2024.Foto: Matthias Kehrein/Epoch Times
Von 18. März 2024

In der letzten öffentlichen Sitzung des Corona-Untersuchungsausschusses für diese Legislaturperiode am Freitag, 15. März, ging es hoch her. Geladen war der brandenburgische Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). Er war bereits beim ersten Corona-Untersuchungsausschuss geladen.

Dabei ging es darum, wie die Entscheidungsprozesse waren und auf welcher Grundlage Maßnahmen erlassen wurden. Aussagen zu operativen Abstimmungsprozessen im Kabinett durfte er jedoch nicht machen, denn dies schloss seine Aussagegenehmigung aus.

Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses Danny Eichelbaum (M., CDU). Foto: Matthias Kehrein/Epoch Times

AfD sieht unrechtmäßiges Zusammenwirken

Während der Befragung bezeichnete der AfD-Fraktionsvorsitzende Dr. Hans-Christoph Berndt aufgrund des wiederholten Eingreifens des Ausschussvorsitzenden Danny Eichelbaum (CDU) bei manchen Fragen der AfD den Untersuchungsausschuss als „Vertuschungsausschuss“.

Er empfinde es als Skandal, dass Eichelbaum Fragen zur Ministerpräsidentenkonferenz „abbügelte“, die er hätte durchgehen lassen müssen.

Auch kritisierte Berndt es als „Beeinflussungsversuche“, als Woidkes Rechtsbeistand auf Eichelbaum einwirkte. Er sah darin ein „unrechtmäßiges Zusammenwirken“ des Ministerpräsidenten mit seinem Rechtsbeistand und dem Ausschussvorsitzenden. „Die Drei versuchen, was sie können, um jede Aufklärung zu verhindern“, beklagt er sich nach der Sitzung.

Woidke erklärte in der Zeugenbefragung, dass die Corona-Maßnahmen ergriffen wurden, um Infektionsverläufe zu beeinflussen. „Das ist mit der Summe der Maßnahmen erfolgreich geschehen, darauf bin ich ein Stück weit auch stolz. […] Wir haben eine Überbelastung des Gesundheitssystems mit den Maßnahmen verhindert.“ Später schränkte er ein, dass es diese in Teilen gegeben habe.

Vernehmung des Zeugen Dr. Dietmar Woidke, Ministerpräsident des Landes Brandenburg, beim Corona-Untersuchungsausschuss im brandenburgischen Landtag, am 15.03.2024. Foto: Matthias Kehrein/Epoch Times

„Die Landesregierung hat das Pandemiegeschehen kontinuierlich beobachtet und in kurzen Abständen [Maßnahmen] auf Verhältnismäßigkeit und Wirksamkeit überprüft.“ Fachliche Fragen zu Maßnahmen habe man nach besten Wissen und Gewissen nach den vorhandenen Informationen des Robert Koch-Institut (RKI) und Paul-Ehrlich-Institut (PEI) diskutiert und abgewogen.

„Alle Klagen blieben erfolglos“

Er betonte: „Alle Klagen gegen das Land sind erfolglos geblieben.“ Alle Gerichte bis hoch zum Bundesverfassungsgericht hätten das Handeln der Landesregierung für rechtmäßig erklärt.

Der SPD-Politiker führte aus, dass der Bund in Form des Bundesgesundheitsministeriums durch das vom Bundestag mit der Regierungsmehrheit beschlossene Infektionsschutzgesetz tiefgreifend in die Landespolitik in Bezug auf die Coronapolitik Einfluss genommen und somit den Rechtsrahmen für Entscheidungen gesetzt hatte. „Wir waren an das Bundesrecht als Land Brandenburg gebunden.“

Jedoch gab es für die Bundesländer auch ein Widerrufsrecht bei neuen Corona-Verordnungen: „Davon hat Brandenburg nie Gebrauch gemacht“, so Woidke.

Auf die Frage, ab wann der Regierung Daten zur Immunität der Brandenburger vorlagen, nannte er keinen genauen Zeitpunkt. Bundesbehörden wie das RKI, das PEI und Gremien wie die Ständige Impfkommission und die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) erhoben Daten, werteten sie aus und machten sie dann für die Regierungen und die Öffentlichkeit verfügbar.

Daher hatte Brandenburg keine eigenen Daten erhoben, sondern die Aussagen dieser Behörden und Gremien als Richtschnur genommen.

Dabei machte der Landeschef deutlich, wie wichtig die Ministerpräsidentenkonferenzen (MPK) als Bund-Länder-Runde gewesen waren. An ihnen hätten der Bundesgesundheitsminister, der während Corona federführend agierte, der Charité-Virologe Dr. Christian Drosten, der RKI-Vertreter Lothar Wieler sowie Klinikleiter und weitere Sachverständige teilgenommen.

Allerdings habe Woidke schwerwiegende Veränderungen der Verordnungen auch mit den Leitern der beiden größten brandenburgischen Kliniken, dem Klinikum Ernst von Bergmann in Potsdam und dem Carl-Thiem-Klinikum in Cottbus, besprochen und dort Informationen zur Situation eingeholt.

Man habe nicht alles, was vom Bundesgesundheitsministerium gekommen war, einfach durchgewunken, so der Ministerpräsident. Die Regierung sei dem geschworenen Eid gefolgt, Schaden vom Volk in Brandenburg abzuwenden. Als man sicher war, dass man von dem harten Kurs der Bundesregierung abweichen konnte, habe man das gemacht.

„Landesregierung musste Gesundheit der Bevölkerung schützen“

„Wir haben in der MPK immer die Position Brandenburgs vertreten und die Interessen seiner Bevölkerung eingebracht“, so Woidke. Die Landesregierung musste sich schützend vor die Gesundheit der Bevölkerung stellen. Von der Zuschauertribüne wurden einige Äußerungen des Landeschefs durch Lachen und Raunen quittiert. Der Ausschussvorsitzende ermahnte die anwesende Öffentlichkeit daraufhin.

„Wir waren die letzten, die Schulen und Kitas geschlossen haben, wir waren die ersten, die sie wieder aufgemacht haben.“ Er bezeichnete den Kurs der brandenburgischen Regierung während Corona in Bezug auf die Kinder und Jugendliche als „liberal“. Mit diesem Vorgehen sei man nicht nur auf positive Reaktionen gestoßen, berichtet er. „Bei Kindern und Jugendliche sind wir sehr vorsichtig vorgegangen.“

Die Maskendiskussion für pädagogische Einrichtungen in der MPK sei „sehr sachlich und fachlich“ geführt worden. Die Experten seien der Meinung gewesen, dass durch das Maskentragen schneller wieder in den Präsenzunterricht gegangen werden könne. Deshalb habe man sich dafür entschieden.

Bürger forderten auch schärfere Maßnahmen

Ihn habe neben Zuschriften aus der Bevölkerung zu der Aufhebung von Maßnahmen auch Schreiben mit der Forderung zu Verschärfungen erreicht. Wie der prozentuale Anteil zwischen beiden Gruppen war, könne er nicht sagen, da dies nicht statistisch erhoben wurde.

Ziel der brandenburgischen Impfstrategie sei es gewesen, so viele Menschen wie möglich für die Impfung zu gewinnen. Sie biete Schutz vor Infektionen als auch vor schweren Erkrankungen.

CDU-Ausschussmitglied Saskia Ludwig zeigte sich nach der Sitzung verwundert, dass Woidke immer noch mit dem Fremdschutz argumentiert habe, obwohl in der Zulassung der COVID-Impfung keine Rede davon sei und die Impfstoffe auch nie auf Fremdschutz getestet worden seien. Die COVID-Impfstoffe seien auch nicht unter diesem Aspekt entwickelt worden. Trotzdem behaupten viele Politiker noch immer, dass es diesen Schutz gäbe.

Impfstofffläschchen von Moderna, BioNTech/Pfizer und AstraZeneca: THOMAS KIENZLE/AFP via Getty Images

Laut Woidke sei der Kern der Bemühungen gewesen, mit der Impfung die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen und Erkrankungen zu hemmen und eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern. Das sei auch Ziel der Schließungen von Weihnachtsmärkten, Geschäften und anderen Einrichtungen gewesen.

Auf die Frage, wann in der MPK erstmals über die COVID-Impfung als „einziges Mittel“ gegen die Pandemie gesprochen wurde, erklärte er, dass dies im Oktober oder Dezember 2020 geschehen sei.

Warum nicht andere Behandlungsmethoden verfolgt wurden, dazu könne er nichts sagen: „Da müssen sie Herrn Spahn oder andere Personen fragen.“

„Pandemie der Ungeimpften“

Auf die Frage, wie er zu der Aussage im September 2021 kam, dass es eine Pandemie der Ungeimpften gebe, dass die Impfung wirke und Ungeimpfte aus dem Alltagsleben herausgehalten werden müssten, sagte er:

„Es ging nicht darum, Menschen Freiheiten zu nehmen, sondern ihnen durch die Impfungen Freiheiten wieder zurückzugeben.“

Wörtlich teilte er damals dem „Deutschlandfunk“ mit: „Aber wir sehen doch auch an den Zahlen, die wir jetzt in den Krankenhäusern haben, wir sehen an den Zahlen der Infektionen, dass es jetzt zunehmend eine Pandemie der Ungeimpften wird.“

Die CDU-Politikerin Saskia Ludwig wollte wissen, auf welcher Grundlage er diese Aussage machen konnte. Denn von 70 Prozent der hospitalisierten Menschen mit COVID-19 in Brandenburg hatte man laut einer Regierungsantwort gar nicht den Impfstatus dokumentiert.

„War dies Thema im Kabinett?“, wollte Ludwig wissen. Woidke verwies dann darauf, dass er keine Aussagegenehmigung zu den Gesprächen im Kabinett habe.

In einem Krankenhaus während der Corona-Krise. Foto: Robert Michael/dpa-Zentralbild/dpa/dpa

4,7 Millionen Impfdosen verabreicht

Woidke berichtete, dass mit Stand Januar 4,7 Millionen Impfdosen verabreicht worden seien und 68,1 Prozent der Brandenburger mit mindestens zwei Impfungen vollständig geimpft wurden.

Die brandenburgische Impfstrategie sah vor, eine Impfquote von 70 Prozent zu erreichen. Dadurch sollte eine Herdenimmunität entstehen, die zum Aufheben der Maßnahmen führte. Hinter dieser Strategie hätten das Bundesgesundheitsministerium, das RKI, das PEI und die STIKO gestanden.

Die Corona-Maßnahmen wurden in zweiwöchigem Abstand und später in vierwöchigem Abstand auf Auswirkungen, Effektivität und Verhältnismäßigkeit geprüft und angepasst.

Wie kam es zu den Ausgangssperren?

Auf konkrete Nachfrage, wie er zu regional erlassenen Ausgangssperren in Landkreisen oder Städten für Ungeimpfte stand und ob es dazu absprachen mit ihm gab, blickte Woidke lange zum Ausschussvorsitzenden Eichelbaum.

Dieser hatte zuvor mehrfach Fragen von Ausschussmitgliedern für unzulässig erklärt oder den bereits antwortenden Woidke unterbrochen und gesagt: „Darauf müssen sie nicht antworten.“

Doch dieser ließ die Frage in diesem Fall zu. Man habe eine drohende Überbelastung des Gesundheitssystems gesehen und es ging ja nur um einzelne Landkreise, so der Landeschef. Er begrüßte das eigenverantwortliche Handeln von kommunalen Entscheidungsträgern. Eine konkretere Antwort auf die Frage gab er nicht.

Was Bußgelder für Verstöße gegen die Corona-Verordnungen wie das Betreten von Spiel-, Sportplätzen und andere öffentlichen Räume angeht, sagte der Ministerpräsident, es hätte keine landesweit einheitliche Richtlinie gegeben.

Andererseits erklärte Woidke: „Wir sind mehrfach im Monat mit kommunalen Vertretern in Kontakt gewesen, um eine gemeinsame Linie mit Landräten und Oberbürgermeistern abzustimmen.“

Nächtliche Ausgangssperre. Foto: Istockphoto/flavijus & Animaflora & Comp ETD

RKI und STIKO-Empfehlungen als Richtschnur für Landespolitik

Auf die Frage, warum Brandenburg trotz der Aussage des RKI vom Dezember 2020, dass Kinder keine Treiber der Pandemie seien, für mehrere Monate die Schulen und Kitas geschlossen hatten, sagte er, er hatte eine andere Wahrnehmung. Schulen, Kitas, Horte hätten zur Übertragung und starken Verbreitung beitragen können, das habe man auf Fachvorträgen und vom Bundesgesundheitsministerium gehört.

Sie seien geschlossen worden, um das Funktionieren des Gesundheitssystems aufrechtzuerhalten.

Rechtsbeistand ergreift Arm von Woidke

Auf die Frage, von wem die Empfehlung zur Aufhebung der Präsenzpflicht an Schulen kam, wollte Woidke antworten, wurde jedoch von seinem Rechtsbeistand Heide Sandkuhl gestoppt, die seinen Arm umfasste.

Nach einem Austausch zwischen beiden sagte er: „Wir haben gemeinsam diese Auffassung vertreten.“ Eine exponentielle Ausbreitung hätte gestoppt werden müssen.

Später ergriff Sandkuhl noch mehrfach den Arm von Woidke, der sich dabei teilweise bei ihr entschuldigte. Es gab zudem längere Unterredungen zwischen ihr und Woidke während der Befragung.

Bei Fragen zu den Modellierungen, die in der MPK vorgestellt wurden, wie dem „Flatten the Curve“-Ansatz, der zur Verlangsamung der Ausbreitung der Epidemie führen sollte, griff Sandkuhl ein. Sie sprach direkt zum Ausschussvorsitzenden und schien sich über dessen Verhalten zu beschweren.

Woidke gab keine konkrete Antwort dazu. Man müsse schon konkrete Fragen zu den Szenarien-Modellen stellen, um eine konkrete Antwort zu erhalten.

Woidke wurde von Ausschussmitgliedern mit eigenen Zitaten aus verschiedenen Medienberichten konfrontiert. Trotz Angabe der Quelle und dem Vorlesen des wörtlichen Zitates forderte der Ausschussvorsitzende abweichend von vorhergehenden Sitzungen die schriftliche Vorlage des Zitates.

Laut Eichelbaum müssten die Zitate allen Ausschussmitgliedern, dem Vorsitzenden und dem Zeugen vorliegen, um beantwortet werden zu können. In früheren Sitzungen hatte die Ankündigung, dass man die Quellenangaben schriftlich nachreicht, ausgereicht.

„Es geht um Leben und Tod“

Woidke wurde mit seiner Aussage vom 15.1. 2021 in der „Welt“ konfrontiert: „Die Vernunft ist das wichtigste Handwerkszeug in der Krise. Alle staatlichen Maßnahmen können nur funktionieren, wenn die Menschen verstehen, warum wir das tun. […] Ich werbe für die Einsicht in die Notwendigkeit. Das Virus ist gefährlich. Es geht um Leben und Tod.“ Er würde diese Aussage genauso wiederholen, erklärte er bei der Zeugenbefragung.

An der rund fünfstündigen Zeugenbefragung von Woidke im Corona-Untersuchungsausschuss, den die AfD initiiert hatte, beteiligten sich in der Hauptsache die CDU-Politikerin Ludwig und die AfD-Mitglieder.

Anm. d. Red.: Dieser Artikel wurde am 18. März 2024 aktualisiert. 



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