Ministerium erteilt Gemeinde und Polizei erneut Maulkorb: 181 Straftaten in Boostedt vertuscht

Boostedt, das "friedlichste und sicherste Dorf in Schleswig-Holstein", verschweigt über hundert Straftaten in drei Monaten – die in einer Flüchtlingsunterkunft stattfanden. Ein Runder Tisch meint: Man muss nicht über jede Straftat informiert sein.
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Ministerium vertuscht 181 Straftaten in der Landesunterkunft für Flüchtlinge in Boostedt, darunter Vergewaltung und sexueller Missbrauch einens Kindes.Foto: iStock
Epoch Times12. März 2019

Die Statistik der Straftaten in Boostedt ist voller Widersprüche. Einerseits gab es 117 Straftaten zwischen Dezember 2018 und Februar 2019 allein in der Landesunterkunft für Flüchtlinge und Migranten Boostedt. Darunter waren Körperverletzungen, Bedrohungen, Sachbeschädigungen, Diebstähle, Unterschlagungen, eine Vergewaltigung im Januar, ein sexueller Missbrauch eines neunjährigen Mädchens im Februar. Verstöße wegen unerlaubten Aufenthalts sind in dieser Statistik noch gar nicht aufgeführt.

Andererseits wurden in der Gemeinde in derselben Zeit 64 Straftaten registriert. Bei 23 gelten Flüchtlinge oder Migranten als tatverdächtig. In Boostedt leben um die 4600 Menschen.

Nun ist Bürgermeister Hartmut König (CDU) überrascht: Denn die Delikte aus der Landesunterkunft wurden gar nicht in der Statistik aufgeführt, so die „Kieler Nachrichten“ auf „kn-online“. Einzig und allein der Missbrauchsfall sei ihm bekannt.

Ein interessantes Detail ist auch, dass keine der zusammengenommenen 181Straftaten in Boostedt in den 217 Pressemitteilungen der Polizeidirektion Bad Segeberg seit Dezember 2017 erwähnt wurde. Laut „kn-online“ bestätigte das Innenministerium jedoch gestern, dass die Kriminalität in Boostedt angestiegen ist. Solange keine gesicherten Erkenntnisse vorläge, ist eine „aktive Pressearbeit unverantwortlich“. Man wolle keine Vorurteile schüren.

Die widersprüchlichen Informationen seitens der Gemeinde und des Ministeriums sind nicht neu. Erst am 04.02.2019 berichteten die „Lübecker Nachrichten“ auf „Ln-online“, dass in Boostedt Ruhe eingekehrt ist. Bei einer Podiumsdiskussion am 30.01.2019 erklärte Hartwig Puhlmann, Leiter des Runden Tisches und pensionierter Polizeibeamter:

Boostedt ist wohl das zurzeit friedlichste und sicherste Dorf in Schleswig-Holstein. Es gibt hier keinerlei Straftaten auf der Straße, keinen Vandalismus, keine Raub- oder Sexualdelikte.“

Falschinformation durch Innenministerium – Informationssperre

In der Gemeinderatssitzung am 24.09.2018 (Niederschrift vom 12.11.2018) spricht Bürgermeister König noch davon, dass das Vertrauen zwischen dem Land und der Gemeinde aufgebaut werden müsse. Dieses wurde „nachhaltig vom Innenministerium und der dort anwesenden Führungsriege gestört.“ Damit nahm er Bezug auf eine gewalttätige Auseinandersetzung mit einem Messer am 14. September in der Landesunterkunft für Flüchtlinge.

Auf einer Einwohnerversammlung am 19.09.2018 waren der Innenminister des Landes Schleswig-Holstein, Herr Hans-Joachim Grote, sein Staatssekretär, Herr Torsten Geerdts, sowie von der Landespolizei Herr Joachim Gutt anwesend. Während dieser Veranstaltung wurde über Straftaten im Raum Boostedt in den letzten Jahren gesprochen.

Der Tenor war, es gebe keinen besonderen Vorkommnisse, oder gar Auffälligkeiten.“

Einen Tag später platzt die Bombe. Über die Medien erfährt Bürgermeister König, dass es in der Landesunterkunft für Flüchtlinge bereits am 14.09.2018 eine gewalttätige Auseinandersetzung mit einem Messer gab. Er wurde darüber nicht informiert und musste sich die Informationen aus dem Internet heraussuchen.

Innenminister sollte Probleme nicht klein reden

Anlässlich dieses Vorfalls forderte er Ministerpräsident Daniel Günther (CDU): „Wenn Boostedt weiter an der Seite des Landes hilfreich stehen soll, sicherzustellen, dass die Gemeinde Boostedt als Partner auf gleicher Augenhöhe wahrgenommen wird. Das ein Innenminister Boostedt gegenüber nicht die Probleme der Gemeinde klein macht und dass ein Staatssekretär ggf. auch für seine Aussagen im Innen- und Rechtsausschuss gerügt wird.“

Auch vonseiten der CDU wurde die Informationssperre stark kritisiert. Gemeindevertreter Wolfgang Brückner erklärte für seine Fraktion:

Wichtig ist, dass eine Straftat den Vertretern der Landesregierung Schleswig-Holstein bekannt war, den Boostedter Bürgern und den Offiziellen aber verschwiegen wurde. Von einem solchen Verhalten distanziert sich die Boostedter CDU in scharfer Form. So ein Vorgehen ist nicht akzeptabel. Wir verbieten uns ein solches Verhalten aus den Reihen der Landesregierung Schleswig-Holsteins.“

Die CDU stehe ausdrücklich geschlossen hinter dem Bürgermeister. Gemeindevertreterin Marina Webers erklärt darauf hin laut Protokoll,

dass sie eine andere Presseerklärung abgegeben … Das was veröffentlicht wurde, sei nicht ihre Wortwahl gewesen.“

Man muss nicht über jede Straftat informiert sein

Während der anschließenden Einwohnerfragezeit meldet sich Hartwig Puhlmann zu Wort. Laut Protokoll bedauert er, „dass auf der Einwohnversammlung nicht offensiv informiert worden sei, aber es wurde auch nicht gelogen. Er sei nicht der Meinung, dass man über jedwede Straftat informieren müsse.“

Ein halbes Jahr später, am 05.03. 2019 versichert Puhlmann in der Ausgabe des „Basses Blatt“  anlässlich einer Aktion zum Runden Tisch

Aufklärung ist uns ganz wichtig. Es kursieren immer wieder Gerüchte im Ort, denen wir durch Fakten begegnen wollen. So wird auch das subjektive Sicherheitsgefühl gestärkt.“

Nun liegen die Fakten auf dem Tisch und die Gerüchte können schon am kommenden Montag auf der 5. Sitzung der Gemeindevertretung in Boostedt beprochen werden. (sua)



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