Ministerien wollen von Lindner 400 Milliarden Euro mehr
FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner stehen turbulente Wochen bevor. Hatte er noch anlässlich seines Amtsantritts getönt, er werde „alle Ausgaben auf den Prüfstand stellen“ und seine Kabinettskollegen zur Sparsamkeit mahnen, sickern nun erste Details über die Wünsche der einzelnen Ministerien bezüglich der künftigen Finanzplanung durch.
Erste große Bewährungsprobe für Lindner
Diese haben es, glaubt man übereinstimmenden Medienberichten der vergangenen Tage, durchaus in sich. Allein für dieses Jahr sollen die Anmeldungen der Ressorts bereits um 70 Milliarden Euro über der geltenden Finanzplanung liegen, schreibt das „Handelsblatt“. Das ist aber bei Weitem noch nicht das Ende der Fahnenstange – bis zum Jahr 2026 soll sich die Lücke, die sich insgesamt zwischen dem vorgesehenen Finanzrahmen und den Sonderwünschen der Ressorts auftut, auf rund 400 Milliarden Euro ausweiten.
Bis zum Beschluss über die Eckwerte für die mittelfristige Finanzplanung ist noch ein guter Monat Zeit: Am 9. März soll das Kabinett zusammenkommen und diese sowie den Haushaltsentwurf für das Jahr 2022 beschließen.
Für Lindner bedeutet das eine erste umfassende Bewährungsprobe. Er hatte gleich zu Beginn angekündigt, seine Kollegen an der kurzen Leine zu halten. Zwar wolle er sein Ressort als ein „Ermöglichungsministerium“ verstehen, ließ er sich in den Medien zitieren. Dennoch wies er seinen Haushaltsstaatssekretär Werner Gatzer an, seinen Amtskollegen die Botschaft zu überbringen, dass jedem neuen Projekt, für welches zusätzlicher Finanzierungsbedarf angemeldet werde, Vorschläge für Einsparungen an anderer Stelle beigefügt werden müssten.
Umgewidmete Notkredite stoßen auf Missbilligung aufseiten der Opposition
Als vertrauensbildende Maßnahme veranlasste Lindner bei erster Gelegenheit die Umwidmung jener 60 Milliarden Euro aus zugesagten Notkrediten zur Bewältigung der Coronakrise, die nicht in Anspruch genommen worden waren. Diese sollen nun dem Energie- und Klimafonds zufließen.
Kritik daran kam nur aus den Reihen der oppositionellen Union, die Klagen gegen den damit verbundenen Nachtragshaushalt ankündigte und vor „Finanzakrobatik“ sowie einer weiteren Aushöhlung der Schuldenbremse warnte. Diese verfehlte weitgehend die gewünschte Wirkung, da die Union selbst erst vor wenigen Monaten noch als Regierungspartei nicht alle zusätzlichen Kredite zur Überwindung der Corona-Folgen ausschließlich für diese nutzte.
Kindler betonte, dass auch die alte Bundesregierung das Geld der zusätzlichen Kredite nicht nur für das Gesundheitssystem ausgegeben habe. Verfassungsrechtlich, so heißt es aus den Reihen der Ampel, habe eine Regierung in solchen Fällen auch einen gewissen Spielraum.
Lauterbach muss neben Corona auch die Krankenkassenfinanzierung bewältigen
Details bezüglich der Wünsche sind immer noch schwierig in Erfahrung zu bringen, aber es kristallisieren sich einzelne Trends heraus, welche Ministerien den Löwenanteil zu den angestrebten Mehrausgaben beisteuern könnten.
Die umfangreichsten Wunschzettel dürften demnach das Bundesgesundheitsministerium unter Karl Lauterbach, das Superministerium für Wirtschaft und Klimaschutz unter Robert Habeck und das Verkehrsressort von Lindners FDP-Parteikollege Volker Wissing vorlegen.
Grundsätzlich zeichnet sich vor allem in diesen Bereichen auch ein erheblicher Mehrbedarf ab. Lauterbachs Gesundheitsministerium hat nicht nur in den kommenden Jahren noch mit Spätwirkungen der Corona-Krise und Maßnahmen zu tun, die als Lehren aus dieser gezogen werden.
Auch unabhängig von Corona haben die Krankenkassen ihre während der 2010er-Jahre angesammelten Überschusspolster weitgehend aufgebraucht und reichen auch mit den früheren Bundeszuschüssen perspektivisch nicht mehr aus.
Die Kassen rechnen schon auf der Grundlage der Berechnungen aus dem Jahr 2021 mit einem benötigten Steuerzuschuss von etwa 31 Milliarden Euro. Dieser Bedarf kann schnell auf bis zu 60 Milliarden Euro steigen, zeichnen sich keine tiefgreifenden Reformen im Gesundheitssystem ab, die für mehr Effizienz und eigene Tragfähigkeit sorgen.
Ministerien von Habeck und Wissing müssen liefern
Habeck und Wissing stehen demgegenüber vor der Herausforderung, diverse „Wenden“, die sie seit Jahr und Tag anmahnen und die bis dato vor allem subventionsintensiv gewesen waren, endlich in zählbare Erfolge umzumünzen.
Die „Energiewende“ ist nur ein Aspekt davon. Bislang zeichnet sich diese durch Ausstiege und Klagen über andere Länder aus, die nicht bereit sind, Deutschland auf seinem Weg zu folgen – während immer mehr an Energie aus diesen Ländern immer kostspieliger bezogen werden muss.
Die Preisexplosion und die immensen Mehrbelastungen für Unternehmen und Haushalte mögen beim genügsamen deutschen Michel zwar möglicherweise auch mittelfristig noch keine Hungerrevolten auslösen. Dennoch werden auch die Ampel-Parteien früher oder später von den Folgen eingeholt werden, wenn durch Firmenschließungen, Privatinsolvenzen und eine Abwanderung von Leistungsträgern Steuereinnahmen ausbleiben.
Jüngste Umfragen zeigen nicht nur zunehmende Zweifel an den demokratischen Qualitäten des deutschen Gemeinwesens, sondern auch eine zunehmende Bereitschaft, dort, wo es möglich erscheint, dem Land den Rücken zu kehren.
Energie- und Verkehrswende bislang Verlustgeschäfte
Neben der sogenannten Energiewende wird auch die viel beschworene Verkehrswende vor allem mit hohen Startinvestitionen verbunden sein müssen, soll zumindest irgendwann in absehbarer Zeit der Markt mitspielen. Schon bis dato sind die sinkende Nachfrage nach Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor und die steigende Nachfrage nach Hybridmodellen vor allem künstliche Effekte aus doppelseitigem Nudging – auf der einen Seite hohe Subventionen und Eintauschprämien für den Erwerb von Elektroautos, auf der anderen Verlust von Steuervorteilen und horrende Preisentwicklungen bei konventionellen.
Dennoch schafft auch teures Nudging keine verbesserte Leistung und vor allem keine ausreichende flächendeckende Infrastruktur an Ladestationen in der Energie-Ausstiegsrepublik trotz stetig steigenden Strombedarfs.
Zudem soll auch das Netz an öffentlichen Verkehrsmitteln auf eine Weise ausgebaut werden, dass Bahnfahren sowohl bezüglich der Flexibilität als auch hinsichtlich des Preises zu einer akzeptablen Alternative zum Individualverkehr werden kann. Auch das wird sich in entsprechenden Anforderungen des Bundesverkehrsministeriums für die Finanzierung dafür erforderlicher öffentlicher Investitionen niederschlagen.
Ökonomen appellieren an Verantwortungsbewusstsein der Amtsträger
Allein für dieses Jahr geht Lindner von einer Neuverschuldung in Höhe von 99,7 Milliarden Euro aus. Möglicherweise ist er sich selbst nicht mehr sicher, ob er 2022 noch unter der 100-Milliarden-Schwelle bleiben wird.
Christian Haase, Haushaltspolitiker der Union, spielt auf Lindners Anfangsversprechen bezüglich Sparsamkeit und Haushaltsdisziplin an und diagnostiziert: „Niemand hört offensichtlich auf den Bundesfinanzminister.“ Es sei nur zu hoffen, „dass dies nicht zum Markenzeichen des Bundesfinanzministers wird“.
Auch der frühere Chef der Wirtschaftsweisen, Lars Feld, appelliert an die Ampel-Parteien, die Wünsche der Ministerien müssten „jetzt auf das Machbare heruntergefahren werden“. Sein Ökonomenkollege Jens Südekum sekundiert mit der Forderung, jetzt „Prioritäten auf der Ausgabenseite“ zu setzen und die „Zukunftsagenda“ an die oberste Stelle zu setzen.
Explosion an Planstellen und Kosten für Infrastruktur des Bundestages
Bis dato ist diesbezüglich noch wenig Bereitschaft aufseiten der Ampel zu erkennen, und dies zeigt sich bereits im Kleinen, wie Publizist Gabor Steingart auf seinem Blog darstellt.
Er verweist unter anderem auf den Ausbau des Bundeskanzleramts samt Neubau mit Kindergarten, Wintergarten und Hubschrauberlandeplatz – verbunden mit Kosten, die bereits nach jetzigem Stand die geplanten 485 Millionen Euro um mindestens 115 Millionen übersteigen würden.
Auch das neue Rekordniveau an Parlamentarischen Staatssekretären, 37 an der Zahl, die als gleichzeitige Abgeordnete Doppelverdiener seien, sei kein Signal in Richtung einer tiefgreifenden Spargesinnung. Von den 17 Ministern inklusive Kanzler, hätten 12 auch ein Bundestagsmandat.
Ein erhebliches Wachstum gibt es zudem auch im Beamtenapparat. Steingart schreibt von einer Entwicklung der Kosten für die Beamten in den Bundesministerien von knapp 2,5 Milliarden im Jahr 2014 auf etwa vier Milliarden jetzt. Innerhalb von zwei Jahrzehnten sei deren Gesamtzahl von 14.000 auf 24.000 angestiegen.
Nicht immer, so der Publizist, sei realer Bedarf der Grund hinter der Aufstockung der Anzahl an Planstellen. Manchmal, so deutet er an, mute es eher nach einem „Respekt-Lohn“ für verdiente Parteisoldaten an. Dazu kämen noch Mitarbeiter der Abgeordneten, wissenschaftlicher Dienst und Vergünstigungen wie Fahrdienst, Bahncard und in manchen Fällen sogar die Senator-Karte der Lufthansa.
(Mit Material von dts)
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