Minister Heil: „Chancenkarte“ für mehr Zuwanderung geplant
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat Pläne für eine einfachere Zuwanderung von ausländischen Fachkräften nach Deutschland konkretisiert. Der „Bild am Sonntag“, sagte er: „Wir führen eine Chancenkarte mit einem transparenten Punktesystem ein, damit Menschen, die unser Land braucht, einfacher zu uns kommen können.“ Denn die Suche nach einem Job in Deutschland sei aus dem Ausland heraus oft schwierig. Er bekräftigte, dass die Ampelkoalition im Herbst ein Einwanderungsgesetz vorlegen werde.
Zur geplanten Chancenkarte erklärte er: „Wir legen Jahr für Jahr, entsprechend unserem Bedarf, ein Kontingent fest, wie viele Menschen mit der Chancenkarte nach Deutschland kommen dürfen, um sich hier für eine bestimmte Zeit, einen Job oder eine Ausbildung zu suchen. Für diese Zeit müssen sie ihren Lebensunterhalt selbst sichern können.“ Wer einen von Deutschland anerkannten Abschluss, egal ob Ausbildung oder Studium, vorweisen könne, erfülle sofort die Bedingung für die Chancenkarte. „Wir wollen aber auch Menschen, die andere Stärken haben und die wir am Arbeitsmarkt brauchen, eine Chance geben, nach Deutschland zu kommen“, sagte der Minister.
Nach Angaben der „Bild am Sonntag“ soll ein Punktesystem mit vier Kriterien eingeführt werden. Diese seien der ausländische Abschluss, eine Berufserfahrung von mindestens drei Jahren, Sprachkenntnisse oder ein Voraufenthalt in Deutschland und ein Alter von unter 35 Jahren. Wer drei der vier Kriterien erfülle, solle die Chancenkarte bekommen. Die genaue Ausgestaltung der Chancenkarte werde aber noch innerhalb der rot-grün-gelben Bundesregierung abgestimmt.
Merz kritisiert fehlende Anreize für Arbeitslose
Neben verstärkter Zuwanderung will Heil den Fachkräftebedarf auch mit gezielter Aus- und Weiterbildung der Menschen, die hier leben, und mehr Frauen in Arbeit decken. Heil: „Wir wollen den Erwerbsanteil bei Frauen steigern, der mit 72,1 Prozent immer noch rund 7 Prozentpunkte unter dem der Männer liegt. Könnten wir diese Lücke halbieren, hätten wir schon 900.000 Arbeitskräfte gewonnen.“
Nach Ansicht von CDU-Chef Friedrich Merz könnte der Arbeitskräftemangel in Deutschland zum Teil mit der Aktivierung von Arbeitslosen gelöst werden. „Von den rund 2,5 Millionen Arbeitslosen wäre bestimmt die Hälfte sofort im Arbeitsmarkt unterzubringen. Es fehlen allerdings die Anreize“, sagte Merz der „Bild am Sonntag“.
Das Problem sei, dass die Ampel-Regierung das Prinzip „Fördern und Fordern“ aufgegeben habe, so Merz. „Von Langzeitarbeitslosen wird jetzt ein halbes Jahr lang keinerlei Anstrengung erwartet, um wieder einen Job zu finden. Das ist ein völlig falsches Signal zum völlig falschen Zeitpunkt.“
Ähnlich äußerte sich der Arbeitsmarktexperte Holger Schäfer vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. Er sagte der „Bild am Sonntag“: „Die Bundesregierung setzt hier ein völlig falsches Signal. Sie suggeriert, dass für Langzeitarbeitslose keine Eile besteht. Dabei zeigen Studien, dass es für Arbeitslose immer schwieriger wird, eine Beschäftigung zu finden, je länger sie arbeitslos sind.“ Die Bundesregierung hatte zuletzt viele Sanktionen bei Pflichtverstößen gegen die Auflagen der Jobcenter ausgesetzt.
Industrie beklagt fehlende Fachkräfte
Auch die Wirtschaft sieht dringenden Handlungsbedarf. Gesamtmetall-Hauptgeschäftsführer Oliver Zander warnte in „Bild am Sonntag“: „Der Fachkräftemangel bedroht unseren gesellschaftlichen Wohlstand wie früher die Massenarbeitslosigkeit.“ Zwei von fünf Betrieben in der Metall- und Elektroindustrie klagten über Produktionsbehinderungen wegen fehlender Fachkräfte.
Der Zentralverband des Deutschen Handwerks meldet: Schon jetzt fehlen rund 250.000 Fachkräfte, 20.000 Ausbildungsplätze bleiben pro Jahr unbesetzt. Das Problem wird sich in den nächsten Jahren noch verschärfen: Laut der Fachkräfteprognose für das Arbeitsministerium gibt es 2026 nur noch in sechs Berufen einen Fachkräfteüberschuss, vor allem im Handel wegen des wachsenden Online-Shoppings.
Laut der Prognose von Arbeitsmarktexperte Enzo Weber braucht Deutschland wegen des demografischen Wandels künftig eine Netto-Zuwanderung von jährlich 400.000 Personen: „Ohne Zuwanderung verlieren wir bis 2030 rund fünf Millionen Arbeitskräfte. Um das auszugleichen, müssen pro Jahr 400.000 mehr Menschen zu- als fortziehen.“(dpa/dts/dl)
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