Milliarden-Hickhack: Union lässt geplantes Wachstumsgesetz platzen

Für die Ampel gab es nun den nächsten Rückschlag. Die Vermittlungen zwischen Bund und Ländern über das Wachstumschancengesetz sind vorerst gescheitert. Die Union hat die Gespräche gestoppt, weil die Ampelregierung bisher keinen Haushalt 2024 vorlegen kann.
«Wir müssen unabhängiger von China werden und Telekommunikation ist kritische Infrastruktur», sagt der Oppositionspolitiker Jens Spahn (CDU).
Unionsfraktionsvize Jens Spahn stoppte am Freitag die informellen Gespräche mit der Regierung.Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
Von 10. Dezember 2023

Zum 1. Januar 2024 sollte das sogenannte „Wachstumschancengesetz“ in Kraft treten. Daraus dürfte nun nichts mehr werden. Am Freitag hat die Union die Gespräche über das Gesetz platzen lassen. Für die Ampel ist das ein weiterer Rückschlag.

Das Gesetz, das bereits im Bundestag verabschiedet wurde, sah ursprünglich jährlich sieben Milliarden Euro an Steuererleichterungen bis 2028 für die Wirtschaft vor.

Mit dem Gesetz, so der Plan der Ampelkoalition, sollte die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschland gestärkt werden. So sollten etwa sogenannte Transformationsprämien Investitionen fördern. Mit zusätzlichen Abschreibungsmöglichkeiten sollte der Mietwohnungsbau angekurbelt werden.

Länder und Kommunen befürchten Steuerausfälle

In der Anhörung im Finanzausschuss des Bundestages hatte die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände diese Steuerausfälle kritisiert. Den Kommunen drohten Steuerausfälle in Höhe von 3,3 Milliarden Euro, argumentierte der Verband damals in seiner Stellungnahme.

Zusammen mit anderen Maßnahmen seien laut dem Spitzenverband sogar 5,58 Milliarden Euro im Jahr zu befürchten. Dadurch würde die kommunale Investitionstätigkeit gebremst. Klimaschutz, Wärmewende, Wohnungsbau und der Ausbau von Schul- und Kitaplätzen könnte so deutlich langsamer vorankommen, argumentierten damals die Kommunen.

Auch die Kölner Stadtkämmerin Dörte Diemert kritisierte in der Ausschussanhörung, der Gesetzentwurf gehe mit erheblichen Steuerausfällen für die kommunale Seite einher. Die Ausfälle müssten vom Bund kompensiert werden, forderte sie.

Trotz der Bedenken passierte am Ende das Gesetz dann doch mit der Ampelmehrheit den Bundestag. Union, AfD und Linke stimmten damals gegen das Gesetz. Im Bundesrat legten die Länder dann ihr Veto ein und begründeten dieses mit den Einnahmeausfällen von Ländern und Kommunen.

In einem Vermittlungsausschuss wollten Länder und Bund einen Kompromiss aushandeln. In der Vorbereitung darauf hatte es daher in der letzten Woche täglich informelle Gespräche zwischen den Ländern, den Ampelfraktionen und der Union gegeben.

Vernünftige Beratungen im Moment nicht möglich

Am Freitagnachmittag brach die Unionsseite die Gespräche mit dem Bundesfinanzministerium ab. Fraktionsvize Jens Spahn nannte gegenüber der Nachrichtenagentur dpa die aktuelle Haushaltskrise als Grund der Entscheidung. „So sind vernünftige Beratungen nicht möglich“, sagte Spahn. Bürger, Handwerk, Industrie; alle seien verunsichert. Keiner wisse, was ab dem 1. Januar gelte.

Auch der CDU-Haushaltsexperte Mathias Middelberg sieht in der momentanen Unklarheit über den Haushalt 2024 den Hauptgrund, die Gespräche in dieser Situation nicht fortsetzen zu wollen. CDU und CSU sähen derzeit „keine belastbare Entscheidungsgrundlage“, um das Vermittlungsverfahren fortzusetzen, sagte der Unionsfraktionsvize dem „Handelsblatt“. Es gebe „keinerlei Klarheit“ über den Haushalt 2024.

„Vor diesem Hintergrund ist nicht übersehbar, welcher Finanzierungsrahmen für das Wachstumschancengesetz gegeben ist“, sagte der CDU-Politiker. Middelberg sieht zwar die Notwendigkeit für Investitionsanreize und Entlastungen der Wirtschaft, aber sie müssten verlässlich finanziert sein. „Sobald eine belastbare Haushaltsplanung vorliegt, sind wir sofort wieder gesprächsbereit“, erklärte Middelberg.

Wie das „Handelsblatt“ weiter schreibt, soll Teilnehmerkreisen zufolge die Unionsfraktion den Verhandlungsstopp initiiert haben, der dann von den unionsgeführten Ländern unterstützt worden sei. Zuvor soll die Ampel angeboten haben, die finanziellen Lasten für die Länder zu senken und anders zu verteilen.

Union verhindert notwendige Wachstumsimpulse

In der Regierungskoalition ist man nun sauer. Die Signale aus den CDU-geführten Ländern seien positiv gewesen, sagte Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch. CDU-Chef Friedrich Merz und Jens Spahn ließen jetzt die Wirtschaft im Stich. „Friedrich Merz ist Destruktion und Zerstörung zur eigenen Profilierung wichtiger, als sich um die deutsche Wirtschaft zu bemühen“, so Audretsch.

Unverständnis kommt auch von der FDP. „Man musste leider von Beginn an den Eindruck haben, dass sich die Unionsseite gar nicht verständigen wollte“, sagte Markus Herbrand, finanzpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion.

Während die unionsgeführten Länder über zu hohe Steuerausfälle durch die geplanten Entlastungen klagten, fordere die Unionsfraktion ein Mehr von allem, ohne Vorschläge zur Gegenfinanzierung zu unterbreiten. „Mit ihrer Uneinigkeit über die eigenen Ziele verhindert die Union dringend notwendige Wachstumsimpulse für unsere Wirtschaft“, sagte Herbrand weiter.

Dynamik der Wirtschaft würde sich kaum verbessern

Ob das geplante Gesetz am Ende tatsächlich so viel Wachstumsdynamik bringt, wie die FDP verspricht, muss allerdings bezweifelt werden. Einer Studie aus dem Oktober kommt zum Ergebnis, dass sich die Dynamik in der Wirtschaft mit dem Gesetz kaum verbessert. Die deutsche Wirtschaftsleistung werde durch das Gesetz in den Jahren 2024 bis 2028 nur um insgesamt etwa sieben Milliarden Euro gesteigert, heißt es in einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), wie die Düsseldorfer „Rheinischen Post“ vor vier Wochen berichtete.

Das jährliche Wirtschaftswachstum steige so um 0,05 Prozent. „Auch wenn die Schritte in die richtige Richtung gehen, ist der Effekt auf die Investitionstätigkeit und das deutsche Bruttoinlandsprodukt voraussichtlich gering“, lautet das Fazit des Instituts. Das IW errechnete diese Ergebnisse demnach mithilfe des „Global Economic Model“ der Denkfabrik Oxford Economics. In dieses statistische Modell wurden die geplanten steuerlichen Entlastungen eingespeist.

Die Simulationsrechnungen würden demnach ergeben, dass die Anlageinvestitionen der deutschen Wirtschaft durch das Wachstumschancengesetz im Jahr 2028 um etwa 0,6 Prozent höher liegen als ohne das Gesetz. „Kumuliert über die Jahre 2024 bis 2028 beträgt das reale Investitionsplus rund elf Milliarden Euro“, schreibt das IW dem Bericht zufolge weiter. „Der resultierende Beschäftigungseffekt beläuft sich im betrachteten Zeitrahmen 2024 bis 2028 auf maximal knapp 9.000 zusätzliche Stellen.“

Investionsabsenkung sollte Gesetz retten

Die im Gesetzentwurf vorgesehenen Steuererleichterungen für Unternehmen seien bei Weitem nicht ausreichend, „um das für die Transformation erforderliche Investitionsvolumen auch nur annähernd zu erreichen“, schreibt Studienautor Tobias Hentze. Allerdings würde es zu hohen Steuermindereinnahmen der Kommunen führen.

Der Wachstumsimpuls, der laut der IW-Studie relativ gering ausfällt, hätte allerdings noch tiefer ausfallen können, wenn es nun eine Einigung gegeben hätte. Damit die Regierungskoalition das Projekt retten konnte, war zuletzt statt vom jährlich geplanten Entlastungsvolumen von sieben Milliarden Euro nur noch von drei Milliarden die Rede.



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