Migrationswende: Nach Frankreich verschärfen auch Deutschland und die EU ihre Regeln
Das Beispiel Frankreich macht Schule. Sowohl die EU als auch die Ampelkoalition in Deutschland haben sich in den vergangenen Tagen auf massive Restriktionen in der Migrationspolitik geeinigt. Bereits vor Wochen hatte Bundeskanzler Olaf Scholz eine „Migrationswende“ inklusive „Abschiebungen im großen Stil“ angekündigt.
Im Juni des kommenden Jahres stehen Wahlen zum EU-Parlament an. Im Jahr 2019 war es dem links-grünen Spektrum noch gelungen, die Klimapolitik zum Leitthema in den größten Mitgliedstaaten zu machen. Mittlerweile deutete sich jedoch an, dass das zentrale Thema im nächsten Jahr die Migration sein könnte – gefolgt von einem massiven Rechtsruck.
Weg frei für Asylverfahren an den EU-Außengrenzen
Am Mittwoch, 20. Dezember, haben sich die Unterhändler von EU-Parlament und Mitgliedsländern auf eine grundlegende Neuordnung des „Gemeinsamen Europäischen Asylsystems“ (GEAS) geeinigt. Kern der Reform ist die künftige Möglichkeit, Asylverfahren direkt an den Außengrenzen der EU durchzuführen. Diese sollen vor allem Asylsuchende betreffen, deren Aussichten, Asyl zu erhalten, als gering eingeschätzt werden.
Bereits im Juni hatten sich die EU-Mitgliedstaaten auf eine Reihe von Maßnahmen geeinigt, um den Zustrom von Asylbewerbern in die Gemeinschaftsstaaten zu begrenzen. Einige Fragen waren jedoch offengeblieben.
Deutschland hatte unter anderem gefordert, Familien mit Kindern von den Asylverfahren an den Außengrenzen auszunehmen. Immerhin ist davon auszugehen, dass diese mit einer haftähnlichen Unterbringung verbunden sein würden. Nun hat Berlin nachgegeben – es wird keine Ausnahmen geben.
Hindernisse für Migrationswende wurden ausgeräumt
Ein weiterer Streitpunkt war die sogenannte Krisenverordnung. Diese sollte Ersteinreisestaaten wie Italien im Fall eines massiven Zustroms an Asylsuchenden die Möglichkeit geben, Grenzkontrollen zu lockern. Dies würde Schutzsuchenden die Ausreise in andere Mitgliedstaaten erleichtern. Erst im September war es auf der Mittelmeerinsel Lampedusa zu mehreren Massenankünften gekommen.
Künftig soll ein verpflichtender Solidaritätsmechanismus die Situation entschärfen. Diesem zufolge sollen mindestens 30.000 Flüchtlinge jährlich auf die Mitgliedsländer verteilt werden – mit Freikaufmöglichkeit für nicht aufnahmewillige EU-Staaten. Auf Deutschland würden dem Schlüssel zufolge etwa 6.600 Asylsuchende entfallen. Allerdings kann Berlin bereits zuvor erbrachte Leistungen anrechnen.
Ungarn dämpft bereits jetzt die Erwartungen hinsichtlich seiner Bereitschaft, für jeden nicht aufgenommenen Flüchtling 20.000 Euro an einen EU-Fonds zu bezahlen. Außenminister Peter Szijjártó äußerte:
„Niemand aus Brüssel oder sonst woher kann uns sagen, wen wir reinlassen, und wir weigern uns aufs Schärfste, dafür bestraft zu werden.“
Rumänien fordert nun Aufnahme in die Schengen-Gemeinschaft
Trotz dieser verbliebenen Unstimmigkeiten begrüßten die Spitzen der EU und der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filippo Grandi, die Einigung. Grandi sprach von einem „sehr positiven Schritt“. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen äußerte über die Einigung:
„Sie bedeutet, dass die Europäer entscheiden, wer in die EU kommt und wer bleiben darf, nicht die Menschenhändler. Damit schützen wir diejenigen, die in Not sind.“
Auch aus besonders stark durch irreguläre Einreisen herausgeforderten Staaten wie Italien kommen positive Reaktionen. Italiens Premierministerin Giorgia Meloni erklärte, Länder wie Italien seien nun „nicht länger allein“. Aus Rumänien heißt es, dass fortan insbesondere für Österreich das zentrale Argument weggefallen sei, dem Land den Zutritt zum Schengen-Abkommen zu verweigern.
Vorsichtiger hingegen ist man in EU-Parlamentskreisen. Dort gibt man gegenüber „Euractiv“ zu bedenken, dass es „für die südlichen Ankunftsstaaten fatal“ wäre, endete die verpflichtende Solidarität „nur in finanzieller Unterstützung, und nicht in direkter Aufnahme“.
Grüne Jugend warnt vor „drastischen Einschnitten ins Asylrecht“
Menschenrechtsorganisationen zeigen sich bestürzt ob der Restriktionen, die sich aus dem EU-Asylpakt ergeben. Vor allem die zu erwartenden haftähnlichen Bedingungen an den EU-Außengrenzen, von denen nun auch Mütter mit Kindern nicht ausgenommen sein würden, stoßen auf Kritik.
Felix Braunsdorf von Ärzte ohne Grenzen sprach von einem „Kompromiss auf Kosten der Menschenrechte“. Andreas Grünewald von Brot für die Welt nannte die Einigung einen „schwarzen Tag für den Flüchtlingsschutz und für das Friedensprojekt Europa“.
Die Grüne Jugend NRW warnt vor „drastischen Einschnitten ins Asylrecht“. Bereits auf dem Grünen-Parteitag im November hatte die Jugendorganisation versucht, die „Migrationswende“ auf allen Ebenen durch einen Beschluss der Delegierten zu kippen. Das Vorhaben scheiterte jedoch deutlich.
Mitgliedsländer und das EU-Parlament müssen das Paket mit fünf Gesetzestexten noch formell beschließen, um ein Inkrafttreten zu ermöglichen. Danach läuft eine zweijährige Umsetzungsfrist für die Mitgliedsländer.
Ampel will Gesetz zur Migrationswende im Januar in den Bundestag bringen
Deutliche Verschärfungen in der Asylpolitik wird es allerdings auch in Deutschland geben. So hat sich die Ampelkoalition am Mittwoch auf Verfahrensvereinfachungen bei der Abschiebung geeinigt. Diese hatte Bundeskanzler Olaf Scholz bereits vor Wochen nach einer Konferenz mit den Ministerpräsidenten angekündigt. Details mussten allerdings noch abgestimmt werden.
Nun soll der Weg frei sein für eine Verlängerung des Ausreisegewahrsams von zehn auf künftig 28 Tage. Zudem sollen Behördenvertreter in Gemeinschaftsunterkünften auch andere Räume als das Zimmer des Abzuschiebenden betreten dürfen.
Neben einem Gesetzentwurf zur „Verbesserung der Rückführungen“ einigte sich das Kabinett auch auf eine Reform der Einbürgerung. Dabei werde es beim Erfordernis der Bestreitung des eigenen Lebensunterhalts ohne staatliche Hilfe als Voraussetzung bleiben. Eine Härtefallklausel soll es nur für Ausnahmefälle geben.
Im Gegenzug sollen Doppelstaatsbürgerschaften grundsätzlich akzeptiert werden und die Einbürgerung kann statt nach acht künftig bereits nach fünf Jahren erfolgen. Im Fall besonderer Leistungen für das Gemeinwesen würden Staatsbürgerschaften auch nach bereits drei Jahren möglich. Beide Gesetze sollen im Januar im Bundestag beschlossen werden.
Faeser will an Grenzkontrollen festhalten – Kommunalpolitiker rechnen nicht mit Kurzfristeffekt
Auf die zusätzlichen Grenzkontrollen, die Deutschland vor einigen Wochen auch an den Grenzen zu Polen und Tschechien eingeführt hatte, wird sich vorerst nichts ändern. Das machte Bundesinnenministerin Nancy Faeser in einer ersten Stellungnahme zum EU-Kompromiss deutlich.
Gegenüber dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (RND) erklärte die Ministerin, in der Frage der Grenzkontrollen „pragmatisch“ vorgehen zu wollen. Sie strebe ein Ende des „tiefen Eingriffs in die Freiheit des Schengen-Raums“ an. Eine Lockerung oder Aufhebung werde es jedoch erst geben, wenn die Flüchtlingszahlen tatsächlich sinken:
„Solange die Zahlen so hoch sind, kann ich das nicht verantworten. Deshalb arbeiten wir so hart daran, dass die EU-Außengrenzen endlich wirksam geschützt werden.“
Die Deutsche Polizeigewerkschaft forderte unterdessen, die stationären Grenzkontrollen an den deutschen Grenzen „mindestens noch zehn Jahre lang“ fortzuführen. Sonst, so erklärte deren Vorsitzender Rainer Wendt am Donnerstag in Berlin, „bricht das bisherige Chaos wieder los“.
Gegenüber der „Westfalenpost“ zeigte sich auch der Vizevorsitzende des Städtetages NRW, Bochums Oberbürgermeister Thomas Eiskirch, skeptisch. Ihm zufolge wäre es „ein Trugschluss zu glauben, dass die Asylreform kurzfristig die Situation in den NRW-Städten verändert“.
(Mit Material von AFP und dpa)
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