Migrationsgipfel: Union fordert drastischen Kurswechsel – Grüne dämpfen Erwartungen

In Berlin trifft sich die Bundesregierung mit Vertretern der Länder und der Union, um über die Zukunft der Migrationspolitik zu beraten. Angesichts des steigenden Drucks nach Solingen und den Landtagswahlen steht die Frage im Raum, wie Deutschland künftig mit Asylsuchenden umgehen soll. Die Grünen warnen vor zu hohen Erwartungen.
Nach der Messerattacke von Solingen geht die Debatte über Maßnahmen zur Eindämmung der illegalen Migration weiter.
Nach der Messerattacke von Solingen geht die Debatte über Maßnahmen zur Eindämmung der illegalen Migration weiter.Foto: Julian Stratenschulte/dpa
Von 3. September 2024

Zwei Tage nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen kommen am Dienstag, 3. September, Vertreter der Bundesregierung, der Länder und der Union in Berlin zusammen. Primäres Ziel ist es, einen Konsens über den künftigen Umgang mit Asylsuchenden in Deutschland zu finden und die Migrationspolitik effizienter zu gestalten. Der Anschlag von Solingen und die Wahlresultate, die auch als Ausdruck verbreiteten Unmuts über die Asylpolitik gedeutet werden, haben den Erfolgsdruck auf die Verhandler deutlich erhöht.

Migrationswende des Vorjahres hat keine weitreichenden Impulse gebracht

Die letzte größere Verhandlungsrunde in diesem Format liegt knapp ein Jahr zurück. Damals hatten sich Bund, Unionsvertreter und Länder unter anderem auf die erleichterte Einführung von Bezahlkartensystemen und auf Schritte geeinigt, die für mehr Abschiebungen sorgen sollen. Die damalige sogenannte Migrationswende erwies sich jedoch als schwieriger in der Durchsetzung, als ihre Protagonisten es erwartet hatten.

Unter anderem haben Gerichte pauschale Obergrenzen beim Bargeld gekippt, außerdem gibt es Verzögerungen bei der bundesweiten Einführung. Aber auch die Abschiebung ausreisepflichtiger Personen vollzieht sich nicht nahtlos – und das, obwohl abseits von abgelehnten Asylsuchenden mit Duldungsbescheid ohnehin nur eine begrenzte Anzahl in Deutschland Aufhältiger dafür infrage kommt.

Einer der Gründe dafür ist, dass zahlreiche Herkunftsländer die Rücknahme verweigern, zu anderen wiederum keine diplomatischen Beziehungen bestehen. Ungünstigerweise für die Bundesregierung fallen darunter auch Syrien und Afghanistan, deren Regierungen Berlin nicht anerkennt. Diese beiden Staaten sind jedoch die Hauptherkunftsländer von Geflüchteten in Deutschland.

Nouripour will Assad und die Taliban nicht diplomatisch aufwerten

Daran ließe sich zwar etwas ändern, nicht alle in der Ampel wollen jedoch den dafür erforderlichen Preis bezahlen. Dies macht auch Grünen-Bundessprecher Omid Nouripour im Vorfeld der Gesprächsrunde deutlich – und warnt vor zu hohen Erwartungen. Es sei zwar jede Idee willkommen, diese müsse jedoch „Sinn machen, die muss machbar sein, die muss rechtens sein“, erklärte er gegenüber dem ZDF-„Morgenmagazin“.

Keinen Sinn macht demnach der mittlerweile auch aus den Reihen der Union geäußerte Vorschlag, mit afghanischen Behörden über Abschiebungen zu verhandeln. Bei diesen handele es sich nämlich um die Taliban, und deren Innenminister Siradschuddin Hakkani werde vom FBI mit Kopfgeld gesucht.

Wer mit den Taliban verhandele und ihnen vielleicht sogar Geld für ein Migrationsabkommen biete, stärke den „weltweiten Islamismus“. Umfragen zufolge befürwortet eine überwältigende Mehrheit der Bundesbürger Abschiebungen auch nach Syrien und Afghanistan – ungeachtet der realen Machtverhältnisse in den Ländern. Die Machthaber in den jeweiligen Ländern würden als Gegenleistung für eine Kontrolle der Migration und die Rücknahme von Straftätern und abgelehnten Asylsuchenden wahrscheinlich Geld, ein Ende von Sanktionen und diplomatische Anerkennung fordern.

Der Grünen-Chef betonte, dass die Ampel zwar Lösungen liefere, allerdings komme dies „in der Anmutung“ nicht bei der Bevölkerung an. Auch entstehe keine „Stabilität in der Stimmung“. Ob es noch gelingen werde, den Streit im Regierungsbündnis zu beenden, wisse er nicht.

Deutlich weniger irreguläre Grenzübertritte in Österreich

Im bisherigen Verlauf des Jahres 2024 ist die Zahl der Asylsuchenden in Deutschland gegenüber dem Jahr zuvor deutlich rückläufig. Bis einschließlich Juni ist die Zahl der Erstanträge dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zufolge um 19,1 Prozent auf 121.416 gesunken. Die Zahl der Erstanträge aus Syrien sei dabei um 13,6 Prozent, jene von afghanischen Staatsangehörigen sogar um 28,6 Prozent gesunken. Bei den Folgeanträgen gab es einen Rückgang um 10,9 Prozent auf 10.785.

Das ist ein Trend hin zu weniger Asylmigration, allerdings ist der Rückgang beispielsweise in Österreich noch deutlicher. Dort ist die Zahl der Asylanträge gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres gar um 47 Prozent auf 15.245 gesunken. Bis Mitte August habe es im Burgenland auch nur 757 irreguläre Grenzübertritte gegeben – gegenüber 33.000 bis August 2022 und noch 16.000 in der Vergleichsperiode 2023. Dabei sei der Anteil der weiblichen Geflüchteten auf 45 Prozent angestiegen.

Der wahrgenommene Problemdruck im Zusammenhang mit Asylmigration und insbesondere die Bedenken bezüglich der Sicherheit bleiben in Deutschland dennoch hoch. Der Terroranschlag von Solingen hat noch einmal zu einer Verschärfung beigetragen. Auch deshalb fordert die Union im Vorfeld der Spitzengespräche einen „grundlegenden Kurswechsel in der Migrationspolitik“, so CDU/CSU-Parlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei.

Landkreistag fordert „Gesamtkonzept für eine grundsätzlich andere Migrationspolitik“

Die Union hat sogar gedroht, die Treffen frühzeitig zu verlassen, sollte es zu keinem Konsens über eine Begrenzung der Zuwanderung geben. Allein durch Abschiebungen werde man „angesichts von mehr als 226.000 ausreisepflichtigen Personen das Problem niemals lösen können“, so Frei gegenüber dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (RND). Die zuletzt von der Ampel angekündigten Maßnahmen würden nicht ausreichen, um die „schwere Migrationskrise, in der sich unser Land befindet“, zu lösen.

In der Vorwoche hatte die Ampelkoalition in Reaktion auf den Anschlag in Solingen ein Maßnahmenpaket für mehr Sicherheit und strengere Regeln in der Asylpolitik beschlossen. Dazu gehörten eine Verschärfung des Waffenrechts, zusätzliche Befugnisse für die Sicherheitsbehörden sowie eine konsequentere Handhabung der Dublin-Regeln der EU.

Noch weitergehende Maßnahmen fordert auch der Deutsche Landkreistag. Die Kommunen klagen bereits seit 2022 über eine zunehmende Überforderung mit Aufgaben im Kontext der Unterbringung und Betreuung von Schutzsuchenden. In einem Grundsatzpapier forderte der Verband ein „Gesamtkonzept für eine grundsätzlich andere Migrationspolitik“.

Kein Staat sei „gezwungen, Flüchtlinge in einem Umfang aufzunehmen, der mit akuten Gefahren für das Funktionieren seiner Institutionen verbunden ist“, heißt es in dem Papier. Die Grenzen der Belastung der Verwaltung durch Überforderung und fehlende Kapazitäten für Unterbringung oder Integration seien „in vielerlei Hinsicht erreicht oder schon überschritten“.



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