Migrationsgesetz gescheitert: Was bedeutet das für Merz und seine Kanzlerambitionen?
Nach dem Scheitern ihres Vorstoßes für das sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz am Freitag, 31.1., im Bundestag weisen sich Union und FDP gegenseitig die Schuld an dem Abstimmungsergebnis zu. Mit nur 338 Ja-Stimmen gegen 349 Nein-Stimmen lehnte das Parlament nach einer turbulenten und mehrfach unterbrochenen Sitzung eine Schlussabstimmung ab.
Den Ausschlag für das Abstimmungsergebnis gaben fünf Enthaltungen und 41 Abgeordnete, die ihren Stimmzettel nicht abgegeben hatten. CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz hatte geringe Zustimmung der FDP für das Ergebnis verantwortlich gemacht. Dass 12 Abgeordnete seiner eigenen Fraktion ihre Stimme nicht abgegeben hatten, respektiere er.
„Merkel-Prätorianer“ oder FDP für Scheitern der Merz-Vorlage verantwortlich?
FDP-Fraktionschef Christian Dürr hingegen erklärte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur, die CDU/CSU-Fraktion habe ihren Gesetzentwurf zur Abstimmung gestellt. Deshalb habe auch sie die Verantwortung für eine Mehrheit getragen. Die FDP habe „heute alles versucht, damit es eine Mehrheit in der Mitte gibt“.
Allerdings wies Dürr auch darauf hin, dass es in der Union mehr Abstimmungsverweigerer gegeben habe als noch am Mittwoch. Dabei sah er einen eindeutigen Zusammenhang mit der Intervention von Altkanzlerin Angela Merkel. Diese hatte sich am Donnerstag mit einer Erklärung aus dem Ruhestand zurückgemeldet. Darin hatte sie Kritik an Merz geübt, dieser habe seine Zusage nicht eingehalten, Zufallsmehrheiten aufgrund von AfD-Stimmen zu vermeiden.
Bei mehreren Unionsabgeordneten, die sich nicht an der Abstimmung beteiligt hatten, handelt es sich um solche, die als enge Vertraute der Altkanzlerin galten, wie etwa ihr früherer Kanzleramtschef Helge Braun und Staatsministerin Annette Widman-Mauz. Ebenfalls nicht abgestimmt hat Antje Tillmann, die bereits am Mittwoch gegen den Fünf-Punkte-Plan gestimmt hatte.
CDU-Chef selbst sieht sich durch das Ergebnis gestärkt
Weitere Unionsabgeordnete, die ihre Stimme nicht abgegeben hatten, sind Marco Wanderwitz und dessen ebenfalls nicht mehr für den Bundestag kandidierende Lebensgefährtin Yvonne Magwas. Nicht abgestimmt haben aus der Union auch Roderich Kiesewetter, Monika Grütters, Elisabeth Winkelmeier-Becker, Sabine Weiss, Astrid Timmermann-Fechter, Martin Plum und Thomas Heilmann.
Merz selbst erklärte am Freitagnachmittag, er sehe künftige Koalitionsverhandlungen nicht durch die Ereignisse des heutigen Tages belastet. Er sei sich „ganz sicher, dass wir nach der Bundestagswahl mit den demokratischen Parteien der politischen Mitte in diesem Land, in diesem Hause hier vernünftige Gespräche führen können“.
Von einer Krise der Demokratie sei Deutschland „ziemlich weit entfernt“. Die Union gehe aus der Abstimmung „wirklich gestärkt hervor“. Immerhin sei die „Asylwende“, die sie versucht habe, herbeizuführen, „an den Sozialdemokraten und an den Grünen gescheitert“.
Verliert die Union in der Endphase in zwei Richtungen?
Der Eindruck, die CDU sei gespalten, lässt sich in der Endphase des Wahlkampfs dennoch nicht so leicht von der Hand weisen. Immerhin hatten mit Daniel Günther und Kai Wegner zwei Ministerpräsidenten angekündigt, im Bundesrat gegen das Zustrombegrenzungsgesetz zu stimmen. Dies ist jetzt zwar hinfällig, zeigt aber die Nervosität in Teilen der Partei.
Der CDU, die seit Frühjahr 2022 in allen Umfragen unangefochten stimmenstärkste Partei war, droht auf den letzten Metern eine Abwanderung von Wählern in zwei Richtungen. Auf der einen Seite könnten bisherige Wähler, die Merz seine Taktik im Bundestag übelnehmen, zu den Grünen abwandern. Auf der anderen Seite könnte die AfD von der Restunsicherheit profitieren, die es bei Befürwortern einer strikteren Asylpolitik auslöst, dass es in der Union selbst dagegen Widerstände gibt.
Bundestags-Aus für FDP würde Optionen für CDU/CSU weiter verringern
Was für Merz mit Blick auf die Zeit nach der Wahl eine ungünstige Ausgangsposition schaffen könnte, wäre ein Scheitern der FDP. Von deren Abgeordneten hatten 67 den Gesetzentwurf der Union unterstützt. Mit zwei Nein-Stimmen, fünf Enthaltungen und 16 nicht abgegebenen Stimmen war die liberale Fraktion am wenigsten geschlossen. Dies, obwohl führende Exponenten der Partei im Vorfeld eine Unterstützung durch die Fraktion angekündigt hatten.
Bei einem für viele Wähler zentralen Thema wie der Asylpolitik ein so wenig geschlossenes Bild abzugeben, könnte die Chancen der Partei auf einen Wiedereinzug in den Bundestag endgültig zunichtegemacht haben.
Dies verringert die Optionen für die Union nach der Wahl weiter. Auf X prognostizieren Nutzer, dass Merz als CDU-Chef zwischen innerparteilichen Rivalen wie Hendrik Wüst und CSU-Chef Markus Söder zerrieben werden könnte. Wüst äußerte sich in den vergangenen Tagen betont zurückhaltend zu der Abstimmungsdebatte. Söder fühlt sich hingegen in seinem kategorischen Nein zu einer möglichen Regierungskoalition mit den Grünen bestärkt – und geht in die Gegenoffensive.
Was das für den Wahlkampf heißt
Welchen Eindruck der gescheiterte Gesetzentwurf der Unionsfraktion zur Begrenzung der Migration nun bei den Wählern hinterlässt, wird sich zeigen. Laut dem aktuellen ARD-„Deutschlandtrend“ sind zwei von drei Bürgern (68 Prozent) der Meinung, Deutschland solle weniger Flüchtlinge aufnehmen als aktuell. Gut jeder Fünfte (22 Prozent) meint, Deutschland solle weiterhin so viele Flüchtlinge aufnehmen wie derzeit.
Die Grünen wollten vor der Bundestagswahl am 23. Februar eigentlich mit eigenen Inhalten werben: funktionierende Infrastruktur, bezahlbares Leben, Klimaschutz und soziale Absicherung. Doch nun dürfte die Warnung vor einem möglichen Rechtsruck für die Partei erneut zum beherrschenden Thema werden. Genau das hatte die Partei eigentlich vermeiden wollen nach mehreren erfolglosen Länder-Wahlkämpfen mit dieser Strategie.
Die SPD ist bereits umgeschwenkt: Seit Tagen wirbt sie in sozialen Medien für ein Bollwerk gegen den rechten Rand, nach dem Motto „Mitte statt Merz“. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat den Kurs vorgegeben mit der Warnung, Merz könne womöglich ein schwarz-blaues Bündnis eingehen.
Gegrummel auch in der CDU
Der wird darauf reagieren müssen. Statt wie zunächst angekündigt im Wahlkampf über Wirtschaftspolitik zu sprechen, dürfte sich der CDU-Chef nun vor allem mit der Frage herumschlagen müssen, ob die von ihm beschworene Brandmauer zur AfD wirklich hält.
Auch aus der eigenen Partei ist Unmut über die Taktik von Merz zu hören – auch wenn er in seiner Fraktion breiten Rückhalt genießt. Auf der Straße demonstrieren Tausende gegen eine mögliche Zusammenarbeit der Union mit der AfD. Merz habe SPD, Grünen und AfD mit seinem Vorgehen zudem ein regelrechtes Mobilisierungsprogramm geliefert, heißt es kritisch auch in den eigenen Reihen. Ein Selbstläufer ist die Bundestagswahl für Friedrich Merz spätestens seit Freitag nicht mehr.
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