Deutscher Migrationsexperte: „Selbst bei Nullzuwanderung würde der Migrationsanteil hier zunehmen“
Am Mittwoch veröffentlichte das Statistische Bundesamt die aktuellen Zahlen zur Bevölkerung in Deutschland. Daraus geht hervor, dass ein Viertel der in Deutschland lebenden Menschen 2018 einen Migrationshintergrund besaß (20,8 von 81,6 Millionen). Das entspricht einem Zuwachs gegenüber dem Vorjahr von 2,5 % bzw. rund 500.000 Menschen.
Etwas mehr als die Hälfte (52 Prozent) der Menschen mit Migrationshintergrund war im Besitz eines deutschen Passes. 48 Prozent von ihnen stammen aus dem Ausland. Das sind 13,5 Millionen Menschen, die nicht in Deutschland geboren sondern zugewandert sind.
Daniel Thym vom Sachverständigenrat Migration (SVR) überraschen die neuen Zahlen nicht. Denn die Zahlen seien seit Jahren hoch und würden weiter steigen, so Thym. Es sei mit weiterer Zuwanderung zu rechnen und die durchschnittlich jüngere Bevölkerung mit Migrationshintergrund würde aufgrund von Geburten weiter wachsen, äußert er gegenüber der „Welt“.
Selbst wenn wir jetzt eine Nullzuwanderung hätten, würde der Migrationsanteil zunehmen“, so Thym zur „Welt“.
Menschen in Gemeinschaftsunterkünften unberücksichtigt
Hochgerechnet wurden bei den Zahlen des Statistischen Bundesamtes nur Personen in Privathaushalten. Menschen in Gemeinschaftsunterkünften werden seit 2017 nicht mehr in die Statistik eingerechnet. So bleiben beispielsweise Menschen in Asylbewerberunterkünften unberücksichtigt.
Allein in Berlin befanden sich Ende 2018 rund 22.000 Asylbewerber in Gemeinschaftsunterkünften. Das bedeutet, dass die tatsächliche Zahl von Menschen mit Migrationshintergrund weitaus höher liegt.
Bundesamt berücksichtigt nicht die ethnische Herkunft
Zu den Menschen mit Migrationshintergrund zählt der Spätaussiedler-Großvater, die Gastarbeitertochter, der abgelehnte Asylbewerber sowie auch die Einwandererfamilie, dessen Familienvater in der Führungsabteilung eines Großkonzerns arbeitet.
Dem Statistischen Bundesamt geht es bei seiner 2005 eingeführten Form der Hochrechnung nicht um eine ethnische Zugehörigkeit, sondern rein darum zu erfassen, wie viele Menschen nach Deutschland zugewandert sind und wie viele Menschen mindestens ein Elternteil haben, das ohne deutschen Pass geboren ist. In der Enkelgeneration fällt dieses Unterscheidungsmerkmal weg. Die Enkel zählen dann zu Herkunftsdeutschen.
Anzahl der Personen mit Migrationshintergrund um 11,5 Prozent in 14 Jahren
Als man 2005 begann den Migrationshintergrund in der Bevölkerungsstatistik aufzuführen, betrug der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund gerade mal 14 Prozent. Bis 2011 stieg dieser Anteil zunächst langsam an. Ab 2011 nahm der Anstieg rasch zu bis zum aktuellen Stand von 25,5 Prozent.
Zuwanderung ist allerdings nur ein Faktor, der den Anteil an Menschen mit ausländischen Wurzeln anwachsen lässt. Ein anderer ist die niedrige Geburtenrate unter den Deutschen. Dadurch sinkt der Anteil der sogenannten Herkunftsdeutschen Jahr für Jahr um einige Hunderttausend Menschen. Waren es 2005 noch 66,4 Millionen Herkunftsdeutsche, so waren es 2018 nur noch 60,8 Millionen.
Je jünger der Jahrgang, desto weniger Herkunftsdeutsche
Auffallend ist dabei, dass der Anteil Herkunftsdeutscher je jünger der Jahrgang ist, umso niedriger ist. Dies hängt mit der in den letzten Jahren stark zugenommen Migration nach Deutschland und der höheren Geburtenrate der eingewanderten Migranten im Vergleich zu den Herkunftsdeutschen zusammen.
So leben in der Altersklasse der 50- bis unter 55-Jährigen 5,6 Millionen Deutsche ohne Migrationshintergrund. Bei den 25- bis unter 30-Jährigen sind es mit 3,4 Millionen schon deutlich weniger Herkunftsdeutsche. Und bei den jüngsten fünf Jahrgängen sind es gerade einmal 2,2 Millionen Herkunftsdeutsche.
In der jüngsten Altersgruppe haben bereits 1,5 Millionen Kinder einen Migrationshintergrund. Das sind 41 Prozent der insgesamt 3,68 Millionen Kinder unter fünf Jahren.
Türkei ist Spitzenreiter beim Migrationshintergrund
Sortiert nach Zuwanderungsregion wurde hochgerechnet: Von den 20,8 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund stammen 13,59 Millionen aus Europa (davon 7,43 Millionen aus EU-Ländern), 936.000 aus Afrika und 4,47 Millionen aus Asien, von den 3,2 Millionen aus dem Nahen und Mittleren Osten kommen, die beide mit zu Asien gezählt werden.
Wichtig dabei ist auch zu wissen, dass die Türkei durch das Statistische Bundesamt zu Europa gezählt wird. Die 2,77 Millionen Menschen in Deutschland mit türkischen Wurzeln belegen somit innerhalb Europas vor Polen mit 2,25 Millionen den Spitzenplatz.
Zudem wird Kasachstan in der Bevölkerungsstatistik zum Nahen und Mittleren Osten gezählt. Bei den 1,25 Millionen Migranten mit kasachischen Wurzeln soll es sich dabei vor allem um Spätaussiedler handeln.
Menschen mit nordamerikanischen Wurzeln (198.000 Menschen) und mittel- und südamerikanischen Wurzeln (349.000 Menschen) bilden dabei die kleinsten kontinentalen Gruppen.
Zahlen vom Bundesamt sind Hochrechnungen aus stichprobenartigen Erhebungen
Bei den Zahlen des Statistischen Bundesamtes gilt zu beachten, dass sie durch Stichprobenerhebung plus Hochrechnung entstanden sind. Jährlich werden dazu rund 1 % der Bevölkerung in Deutschland befragt. Aus den erhobenen Daten werden dann Aussagen über die Gesamtbevölkerung aufgrund von hochgerechneten Daten getroffen. (er)
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