Migration, Wirtschaft, Sicherheit: Harte Fronten im Kanzler-Duell

Im ersten von drei TV-Duellen vor der Bundestagswahl trafen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Herausforderer Friedrich Merz (CDU) aufeinander. In einer 90-minütigen Debatte stritten sie über Migration, Wirtschaftspolitik und Sicherheit – drei zentrale Themen, die Deutschland bewegen.
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Heftige Wortgefechte: Olaf Scholz und Friedrich Merz im TV-Duell von ARD und ZDF.Foto: MICHAEL KAPPELER/POOL/AFP via Getty Images
Von 10. Februar 2025

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Das erste von drei TV-Duellen zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und seinem Herausforderer Friedrich Merz (CDU) vor der Bundestagswahl ging am Sonntagabend, 9.2., in Berlin-Adlershof über die Bühne. Die Sender ARD, ZDF und Phoenix haben den Schlagabtausch übertragen.

Die Moderation des ersten Aufeinandertreffens übernahmen Maybrit Illner und Sandra Maischberger. Das Duell dauerte 90 Minuten. Zeitvorgaben oder ein Schlusswort gab es nicht.

Sandra Maischberger und Maybrit Illner moderieren das erste TV-Duell zwischen Scholz und Merz auf ARD und ZDF. Foto: MICHAEL KAPPELER/POOL/AFP via Getty Images

Letzte Chance für Scholz zur Trendwende?

Für den Kanzler, dessen Partei in Umfragen zwei Wochen vor der Wahl deutlich hinter der Union liegt, galt der Auftritt als möglicherweise letzte Chance, einen Stimmungswechsel herbeizuführen.

Wie erwartet lautete seine Botschaft, er sei der Kandidat der „Besonnenheit und des Weitblicks“, während Merz ein kaum kalkulierbares Sicherheitsrisiko darstelle. Seine Hauptargumente dafür waren der Kurs des Unionskanzlerkandidaten im Ukrainekonflikt und die jüngsten gemeinsamen Abstimmungen mit der AfD im Bundestag.

Merz hingegen versuchte, seine Stärken auszuspielen – zu denen unter anderem die höhere Glaubwürdigkeit gehörte, die ihm Wähler laut Umfragen in Bereichen wie der Migrationspolitik zuschreiben.

Scholz äußerte seine „ernste Sorge“, dass Merz lediglich pro forma mit SPD oder Grünen verhandeln und dann mit der AfD koalieren könnte. Das gemeinsame Abstimmungsverhalten im Bundestag sei ein „Wort- und Tabubruch“ gewesen.

Merz wies dies entschieden zurück. Es gebe „keine Gemeinsamkeiten mit der AfD“ und die gemeinsame Abstimmung sei keine Zusammenarbeit. Zudem verwies er auf einen Zeitungsartikel, in dem Scholz mit den Worten zitiert wurde, man dürfe sich „nicht davon abhängig machen, wie die AfD abstimmt“. Scholz erklärte daraufhin, dass diese Aussage auf kommunale Entscheidungsprozesse bezogen war.

Migration blieb zentrales Thema im TV-Duell

Merz verteidigte sein Vorgehen im Bundestag. Er habe es nach der Bluttat von Aschaffenburg „mit meinem Gewissen nicht mehr vereinbaren“ können, weitere Maßnahmen zu unterlassen. Er habe vier Stunden mit SPD und Grünen gesprochen, um das Zustrombegrenzungsgesetz durchzusetzen – ohne Erfolg.

Scholz hingegen sprach von einem „bedrückenden Tabubruch“ und betonte, dass die Bundesregierung bereits 40.000 Zurückweisungen durchgesetzt habe. Im Januar habe man die niedrigste Zahl an Asylanträgen seit 2016 verzeichnen können. Zudem werde das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) Verbesserungen bringen.

Merz hielt dagegen, dass innerhalb von vier Tagen so viele Asylbewerber nach Deutschland einreisten, wie in einem Monat abgeschoben würden. Wirksame Maßnahmen habe der Kanzler selbst mit SPD und Grünen nicht durchsetzen können. Zudem kritisierte Merz, dass GEAS erst 2026 in Kraft trete. Andere EU-Länder würden jetzt schon Asylsuchende aus anderen Ländern an den Grenzen zurückweisen. Deutschland dürfe dies seit 1993 auch. Scholz warnte hingegen davor, „europäische Solidarität“ mit Deutschland aufs Spiel zu setzen. Es habe in Deutschland im Asylbereich „noch nie so scharfe Gesetze gegeben, wie ich sie durchgesetzt habe“.

Merz hat nach den Umfragen derzeit die beste Chancen, aus der Wahl am 23. Februar als Sieger hervorzugehen.

Merz hat nach den Umfragen derzeit die beste Chancen, aus der Wahl am 23. Februar als Sieger hervorzugehen. Foto: Kay Nietfeld/dpa

Kanzler will mit Blick auf Deutschland nicht von „Deindustrialisierung“ sprechen

In der Wirtschaftspolitik wurde Scholz mit Aussagen von DIHK-Chefin Helena Melnikov konfrontiert. Diese erklärte, es habe „noch nie eine so schlechte Stimmung in Deutschland“ gegeben und warnte vor einer „Deindustrialisierung“. Scholz konterte, Deutschland sei nach wie vor das Land mit der zweitgrößten Industriedichte und dem zweitgrößten BIP weltweit.

Außerdem habe es Investitionen in Höhe von 100 Milliarden Euro im Land gegeben. Die Inflation sei gesenkt worden, der Bürokratieabbau werde vorangetrieben.

Merz hingegen sprach vom „dritten Jahr einer Rezession“, drei Millionen Arbeitslosen bei 700.000 offenen Stellen und einer Insolvenzwelle. Der Kapitalabfluss sei auf Rekordniveau, 300.000 Industriearbeitsplätze seien verloren gegangen.

Scholz verwies auf 46 Millionen Erwerbstätige und Investitionen von über 100 Milliarden Euro. Die Energiekrise sei Putins Schuld, so der Kanzler: „Ich habe die Ukraine nicht überfallen.“ Merz erwiderte, auch andere Länder seien von den Kriegsfolgen betroffen, stünden aber wirtschaftlich besser da.

Den Kernkraftausstieg nannte der CDU-Chef eine „Schnapsidee“. So sei das Stahlwerk Georgsmarienhütte hauptsächlich auf die Versorgung durch ein KKW ausgerichtet gewesen, jetzt habe es keinen bezahlbaren Strom mehr.

Merz: „25 Prozent Steuern bei Wachstum bringen mehr als 30 in Rezession“

Den „Made in Germany“-Bonus, den Scholz als Rezept für eine Rückkehr zum Wachstum vorschlägt, hält Merz für ein „vergängliches Strohfeuer“. Scholz hingegen kritisierte Merz‘ Konzept, Unternehmen dauerhaft um 20 Milliarden Euro zu entlasten. Er warnt, dass diese Steuerersparnisse auch ins Ausland abfließen könnten, während seine eigenen Steuerprämien gezielt Investitionen in Deutschland fördern würden.

Für Scholz gilt das TV-Duell als eine der letzten Chancen, in den Umfragen Boden gut zu machen.

Für Scholz gilt das TV-Duell als eine der letzten Chancen, in den Umfragen Boden gut zu machen. Foto: Kay Nietfeld/dpa

Beim Mindestlohn sprach sich Scholz für 15 Euro aus, während Merz betonte, dass dies Aufgabe der Mindestlohnkommission sei. Merz widersprach Darstellungen des DIW, wonach seine Pläne für eine Steuerreform Kosten von 111 Milliarden Euro verursachen würden. Er erklärte, Wachstum sei die Voraussetzung dafür. 25 Prozent Unternehmenssteuern in einer wachsenden Wirtschaft seien einträglicher als 30 Prozent in einer schrumpfenden.

Scholz hält das Vorhaben dennoch für nicht finanzierbar. Allein schon die künftigen Bundeswehrausgaben seien ohne zusätzliche Schulden nicht zu stemmen. Einig waren sich beide Kandidaten, dass die CO₂-Bepreisung ab 2027 als Ergebnis einer gemeinsamen europäischen Entscheidung, kein Grund zur Sorge sei. Für die Bürger werde es eine Kompensation durch ein Klimageld geben. Dieses, so der Kanzler, habe sogar eine „soziale Komponente“.

Scholz warnt vor zu hohen Ambitionen beim NATO-Ziel

Bezüglich des Ukraine-Krieges mahnte Scholz zu Besonnenheit. Der Konflikt sei weiterhin gefährlich. Man müsse „darauf achten, dass es nicht zu einem Krieg zwischen der NATO und Russland kommt“. Die Lieferung von Marschflugkörpern, die schwere Schäden im russischen Kernland anrichten könnte, berge dieses Risiko.

Merz erklärte, eine solche Lieferung müsse „europäisch abgestimmt werden“. Der Krieg hätte aber durch frühzeitige Waffenlieferungen eher enden können, behauptete der CDU-Chef. Beide Kandidaten hofften auf einen baldigen Frieden durch US-Präsident Donald Trump. Dieser dürfe jedoch „nicht über die Köpfe der Ukraine hinweg“ geschlossen werden.

Was das Zwei-Prozent-Ziel der NATO anbelangt, betonte Scholz, dass bereits dieses eine große finanzielle Herausforderung darstelle. Eine weitere Erhöhung des Ziels ginge zulasten von Sozial- und Infrastrukturinvestitionen. Merz entgegnete, dass eine wachsende Wirtschaft auch höhere Verteidigungsausgaben ermöglichen könne. Man müsse möglicherweise „Prioritäten setzen“ und bei Subventionen oder im öffentlichen Dienst sparen.

Wirkung von TV-Duellen ungewiss – bis zu einem Viertel der Wähler noch unentschlossen

Welchen Einfluss TV-Duelle auf den Wahlausgang haben, ist umstritten. Der Anteil der noch unentschlossenen Wähler liegt laut Meinungsforschern zwischen 20 und 25 Prozent. Für diese sind TV-Konfrontationen von Kandidaten häufig eine bedeutsame Entscheidungshilfe.

Politikwissenschaftler Prof. Jürgen Maier von der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau (RPTU) wies gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa) darauf hin, dass TV-Duelle vor allem auf politisch weniger interessierte Gruppen abzielten. Langzeitstudien zufolge sehen sich 27 Prozent jener Bürger, die sich überhaupt nicht für Politik interessieren, TV-Duelle an. Diese Zielgruppe sei auf anderem Wege nur schwer zu erreichen.

Vor der Bundestagswahl am 23.2. wird es noch mehrere Debattenformate unter Einschluss von Scholz und Merz geben. Am 12.2., folgt ein weiteres TV-Duell auf Sat.1, am 19.2. auf „Welt TV“. Dazu kommen Viererrunden („Quadrell“) unter Beteiligung der Spitzenkandidaten von Grünen und AfD am 13.2. auf ZDF, am 16.2. auf RTL und am 17.2. auf ARD.

Am 20.2. gibt es auf ARD und ZDF eine „Schlussrunde“ mit den Spitzenkandidaten mehrerer Parteien und am 22.2. den „Wahl-Countdown: Die Kandidaten im Bürger-Speed-Dating“ auf ProSieben und Sat.1.

Einer Erhebung des ZDF zufolge haben 84 Prozent der Bürger ein starkes Interesse an der Bundestagswahl. Vor der Wahl im September 2021 waren es nur 75 Prozent.



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