Migration, Tesla, Windräder: Letzte Spitzenkandidaten-Debatte vor der Landtagswahl

In der letzten Debatte der Spitzenkandidaten vor der Landtagswahl in Brandenburg standen Migration, Fachkräftemangel und die Ansiedlung von Tesla im Zentrum. Die Politiker diskutierten hitzig über Zuwanderung, wirtschaftliche Herausforderungen und die Energiewende – Themen, die die Brandenburger laut Umfragen stark beschäftigen.
Die Spitzenkandidaten der Brandenburger Parteien zur Landtagswahl bei der Sendung «rbb24 - Ihre Wahl: Der Kandidatencheck». Von links nach rechts: Peter Vida (BVB/Freie Wähler), Sebastian Walter (Die Linke), Robert Crumbach (BSW), Hans-Christoph Berndt (AfD), Dietmar Woidke (SPD), Jan Redmann (CDU) und Benjamin Raschke (Bündnis 90/Die Grünen).
Die Spitzenkandidaten der Brandenburger Parteien zur Landtagswahl bei der Sendung „rbb24 - Ihre Wahl: Der Kandidatencheck“. Von links nach rechts: Peter Vida (BVB/Freie Wähler), Sebastian Walter (Die Linke), Robert Crumbach (BSW), Hans-Christoph Berndt (AfD), Dietmar Woidke (SPD), Jan Redmann (CDU) und Benjamin Raschke (Bündnis 90/Die Grünen).Foto: Annette Riedl/dpa
Von 18. September 2024

Am Dienstagabend, 17. September, fand beim rbb die letzte Diskussion der Spitzenkandidaten vor der Landtagswahl am kommenden Sonntag statt. Eingeladen war neben den im Landtag vertretenen Parteien SPD, AfD, CDU, Linke und Grüne auch das erstmals kandidierende BSW. Nicht vertreten war demgegenüber die FDP, der Umfragen maximal ein Ergebnis von zwei Prozent am Wahlabend zutrauen.

Arbeitskräftezuwanderung für Brandenburg: Nur Hochqualifizierte oder auch schlechter Bezahlte?

Ein zentrales Thema bei der Debatte war das Thema Migration. Der rbb zitierte eine infas-Umfrage, der zufolge 40 Prozent der Brandenburger dieses als wichtigstes Problem mit Blick auf die Landtagswahl betrachteten. Im Vorfeld größerer Themenblöcke kamen jeweils Bürger zu Wort, die ihren Alltagsbezug dazu illustrierten.

Burkhard Scholz vom „Inselhotel“ in Potsdam machte auf den Arbeitskräftemangel aufmerksam, der nicht allein die Ebene der Fachkräfte betreffe. Es sei auch im geringer qualifizierten Bereich ein enormer Bedarf vorhanden, und es sei unverständlich, dass man „um Arbeitskräfte förmlich betteln“ müsse, die man dringend brauche.

Demgegenüber plädierte Hightech-Unternehmer Alexander Knüttel „überall die Anforderungsprofile anheben“ und auch bei der Zuwanderung nur Spitzenkräfte berücksichtigen.

Lange Wartezeiten auf Bewilligungen – Sorge vor schlechtem Image

Ministerpräsident Dietmar Woidke, der als Spitzenkandidat der SPD ins Rennen geht, erklärte, Brandenburg sei bereits heute sowohl von Fachkräften als auch anderen ausländischen Arbeitskräften abhängig. In Perleberg komme jeder zweite Arzt aus Drittstaaten, bei Rolls Royce oder Tesla arbeiteten Menschen aus 60 bis 70 verschiedenen Nationen. Woidke hält es unabhängig vom Anlass der Zuwanderung für erforderlich, dass die Betreffenden vom ersten Tag an arbeiten könnten.

CDU-Spitzenkandidat Jan Redmann betonte, dass Brandenburg qualifizierte Zuwanderung in mehreren Branchen benötige. Allerdings würden beispielsweise OP-Schwestern aus Ankara, die man dringend für Operationen brauche, zu lange auf einen Visumtermin bei der Botschaft warten. Man mache es Fachkräften zu schwer. Gleichzeitig müsse man jedoch die allgemeine Zuwanderung bekämpfen. Die irreguläre Zuwanderung löse kein Problem auf dem Arbeitsmarkt.

Der Spitzenkandidat der Linkspartei, Sebastian Walter, sieht in mehreren Bereichen des Arbeitsmarktes Engpässe. Er gab jedoch auch seiner Sorge Ausdruck, dass sich die Parteien einen Überbietungswettbewerb bezüglich restriktiver Migrationspolitik lieferten. Dann würden auch keine qualifizierten Arbeitskräfte mehr kommen wollen. Diese würden nicht in ein Land streben, „in dem eine Stimmung entsteht, in der sie bedroht und angemacht werden“.

Brandenburg sei Schlusslicht bei der Anerkennung von Berufsabschlüssen, die Wartezeiten auf Arbeitsgenehmigungen betrage bis zu einem Jahr, und von 4.000 Ausreisepflichtigen stünde die Hälfte in Arbeitsverhältnissen. Integration funktioniere über Arbeit.

BSW: „Probleme nicht ignorieren“ – Grüne: „Wettbewerb der Schäbigkeit“

Namens des BSW warnte Robert Crumbach davor, faktische Probleme zu ignorieren. Aus eigener Erfahrung als Vormund eines minderjährigen Schutzsuchenden wisse er, dass sich eine Integration in den Arbeitsmarkt langwierig gestalten könne. Hotelier Scholz warf er vor, diesem gehe es vor allem um Billigarbeitskräfte. Deutschland dürfe anderen Ländern auch nicht die besten Kräfte wegschnappen.

AfD-Spitzenkandidat Hans-Christoph Berndt wandte sich gegen eine Vermengung von Asylmigration und Fachkräfte-Debatte. Es seien seit 2016 mehr als zehn Millionen Menschen ins Land gekommen, ohne dass sich an dem Mangel an Fachkräften etwas geändert hätte. Qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland würden angesichts von „stündlichen Messerattacken und Gruppenvergewaltigungen“ und der Gewalt an Schulen, in Parks und in Zügen nicht nach Deutschland kommen wollen.

BVB/FW-Kandidat Péter Vida kritisierte die teils „schikanösen“ Tests, denen ausländische Fachkräfte auf Arbeitssuche unterworfen seien. Brandenburg gehe von allen Bundesländern am langsamsten vor bei der Anerkennung von Qualifikationen. Außerdem führe die Integration auch über den Spracherwerb.

Grünen-Spitzenkandidat Benjamin Raschke sprach von einem „Wettbewerb der Schäbigkeit“, den sich die Parteien mit Blick auf Restriktionen bei der Zuwanderungspolitik lieferten. „Wir haben in das Land generell zu wenig investiert“, lautete sein Credo. Man spare das Land kaputt, deshalb müsse die Schuldenbremse fallen.

Zur Schwerfälligkeit der Bürokratie im Bereich der Arbeitskräftezuwanderung hatte Ministerpräsident Woidke diese mit der Geschichte nach der Wiedervereinigung begründet. In den 1990er- und 2000er-Jahren hatte es in Brandenburg noch zweistellige Arbeitslosenquoten gegeben. Dazu kam die EU-Osterweiterung. Deshalb sei die Angst umgegangen, ausländische Zuwanderer könnten Arbeitsplätze wegnehmen. Heute müsse man auch kleineren Unternehmen helfen, kurzfristig Arbeitskräfte einzustellen.

Schafft Tesla Perspektiven für Brandenburg?

Neben Themen wie Hochwasser, Bildung und Umwelt war auch das Tesla-Werk in Grünheide zentral in der Spitzenkandidaten-Debatte. Woidke und Redmann nahmen dabei die Betreiber gegen Vorwürfe in Schutz, die Grundwasserversorgung zu gefährden.

Der Ministerpräsident bezeichnete das Unternehmen gar als „positives Beispiel für Wasserverbrauch, weil es in der Produktion auf 100 Prozent Recycling setzt“. Tesla verbrauche weniger Wasser, als ihm vertragsgemäß zustehe. Brandenburg brauche „mehr Industrie, wenn wir den Wohlstand halten wollen“.

Redmann wies darauf hin, dass vor dem Hintergrund von Kritik aus der Gemeindevertretung ursprüngliche große Ausbaupläne modifiziert worden seien. Es werde „viel mit falschen Fakten operiert“, wenn es um die Gigafabrik gehe. Allerdings müsse die „Tesla-Geschwindigkeit der Behörden auch für andere gelten“.

Kritischer sahen Vertreter anderer Parteien die Ansiedlung. BSW-Spitzenkandidat Crumbach wies darauf hin, dass Elon Musk, „wenn er keine Lust mehr auf Tesla hat, das Werk zuschließt“. Das Land solle deshalb „auf das setzen, was wir haben“.

Vida wies darauf hin, dass es durchaus Ankündigungen der Behörden gebe, die Wasserentnahme in der Gemeinde zu limitieren. Dies schade der Akzeptanz. Die Landesregierung habe das Problem fehlender Infrastruktur unterschätzt.

AfD-Kandidat: Mittelstand fördern statt Prestigeprojekte

Berndt musste sich von dem Grünheider Ingenieur Bodo Domhardt, der am Ausbau von Tesla mitwirkt, den Vorwurf gefallen lassen, AfD-Vertreter hätten „gemeinsam mit Linksextremisten das Werk gestürmt“. Der Spitzenkandidat erklärte zwar, dass sich seine Partei gegen den Standort ausgesprochen habe, dieser jedoch nun Realität sei. Tesla liefere jedoch „keine Perspektive für Brandenburg“. Klein- und Mittelbetriebe seien die Motoren des Wohlstands, diese solle man fördern „statt Prestigeprojekten der Energiewende“.

Linken-Spitzenkandidat Walter nannte Woidke einen „Genossen der Bosse“. Tesla sei „kein Vorzeigeunternehmen“. Es bezahle nicht nach Tarif, hintertreibe die betriebliche Mitbestimmung und wollte einen Betriebsrat verhindern. Dennoch habe man „den roten Teppich für den reichsten Milliardär“ ausgerollt. Grünen-Spitzenkandidat Raschke betonte, dass bei großen Investitionsvorhaben „Wasserchecks künftig vor der Ansiedlung“ kommen müssten.

Windkraft: Gewinnbeteiligung der Bürger könnte Akzeptanz stärken

Unterschiedliche Positionen zeigten sich auch im Bereich der Windkraft. Der rbb hatte dabei eine Bürgerin aus Löhme zu Wort kommen lassen, die über die Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität durch nahe ihrer Wohnstätte errichtete Windräder klagte.

Woidke erklärte daraufhin lediglich, zur Energiewende zu stehen und damit auch zum Ausbau erneuerbarer Energien. Demgegenüber räumten Vida und Redmann ein, dass es „Überkapazitäten“ beim Ausbau der Windkraft gebe.

Walter erklärte, dass es in Löhme tatsächlich einen „absurden Wildwuchs“ bei den Anlagen gebe. Grundsätzlich sei die Beteiligung von Bürgern und Gemeinden an den Gewinnen aus den neu errichteten Anlagen ein Weg, um Akzeptanz zu vergrößern. Diese Auffassung vertraten auch Raschke und Crumbach.

Berndt sprach demgegenüber von der „dümmsten Energiepolitik der Welt“, die in Deutschland betrieben werde. Die Energiewende als solche müsse, so der AfD-Kandidat, beendet werden.

Der fast zweistündige Kandidatencheck kann hier gesehen werden.



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