Messerattacke in Solingen: Mutmaßlicher Angreifer festgenommen

Der Attentäter von Solingen soll festgenommen worden sein. Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul sagte, man habe einen „wirklich Verdächtigen“ festgenommen. Zugleich wird berichtet, ein 26-Jähriger habe sich am Abend einer Streife gestellt.
Bei einer gemeinsamen Andacht versuchen die Menschen in Solingen, den Anschlag zu verarbeiten.
Bei einer gemeinsamen Andacht versuchen die Menschen in Solingen, den Anschlag zu verarbeiten.Foto: Henning Kaiser/dpa
Von 25. August 2024

Nach dem Anschlag im nordrhein-westfälischen Solingen mit drei Toten hat die Polizei den mutmaßlichen Angreifer festgenommen. „Der, den wir den ganzen Tag in Wirklichkeit gesucht haben, der ist seit kurzer Zeit bei uns im Gewahrsam“, sagte Landesinnenminister Herbert Reul (CDU) am Samstagabend in den ARD-„Tagesthemen“.

Reul sagte, der festgenommene Mann sei im „höchsten Maße“ tatverdächtig. „Es ist jetzt mehr als eine Vermutung. Wir haben nicht nur einen Hinweis auf diese Person gehabt, sondern wir haben auch Beweisstücke gefunden.“

26-Jähriger stellte sich

Der „Spiegel“ meldete fast zeitgleich, der 26-jährige Syrer Issa al H. habe sich am Abend einer Polizeistreife gestellt. Die Kleidung sei schmutzig und blutverschmiert gewesen.

Das Magazin schreibt weiter, der Verdächtige sei in der syrischen Stadt Deir al-Sor geboren und Ende Dezember 2022 nach Deutschland gekommen. In Bielefeld habe er einen Antrag auf Asyl gestellt und ein Jahr später einen sogenannten subsidiären Schutz erhalten, wie bei Flüchtlingen aus Syrien üblich. Er soll sunnitischer Muslim sein. Den Sicherheitsbehörden sei er bislang nicht als islamistischer Extremist bekannt gewesen, meldet der „Spiegel“ weiter.

Offenbar handelt es sich nicht um den Mann, der am Abend in einem Flüchtlingsheim in Solingen nur wenige Hundert Meter vom Tatort entfernt festgenommen worden war. Diesen hatte die Polizei als einen Mann Mitte 30 identifiziert. Am Morgen war zudem ein 15-Jähriger festgenommen worden, der mit dem möglichen Täter in Verbindung gestanden haben könnte.

„Das waren aber sehr wahrscheinlich, immer noch vorsichtig gesagt, nicht diejenigen, die wir wirklich verdächtigen“, sagte Reul mit Blick auf die beiden Festnahmen. Auch der nun festgenommene Tatverdächtige habe seiner Kenntnis nach in der Flüchtlingsunterkunft gewohnt. Er werde nun vernommen „und es wird alles Weitere geklärt“, sagte Reul.

Der Täter hatte am Freitagabend auf einem Stadtfest in Solingen auf mehrere Menschen mit einem Messer eingestochen. Drei Menschen wurden getötet – ein 67-Jähriger, ein 56-Jähriger und eine 56-Jährige. Vier Opfer wurden zudem lebensgefährlich sowie zwei weitere schwer und zwei leicht verletzt. Die Tat löste bundesweit Entsetzen aus.

Die Ermittler schließen einen Terrorhintergrund nicht aus. „Wir gehen nach den Gesamtumständen davon aus, dass der Anfangsverdacht einer terroristisch motivierten Tat nicht ausgeschlossen werden kann“, sagte der Oberstaatsanwalt in Düsseldorf, Markus Caspers, am Samstagnachmittag bei einer Pressekonferenz in Wuppertal.

Die Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) beanspruchte die Messerattacke für sich. Reul sagte zu dem IS-Bekenntnis, dies müsse nun sorgfältig geprüft werden. „Das gibt es immer wieder, diese Bekenntnisse. In der Regel sind die auch durchaus richtig. Aber es kann natürlich auch eine falsche Meldung sein“, sagte der CDU-Politiker. „Aber es spricht etwas dafür.“

Festnahme in Asylunterkunft nur 300 Meter vom Tatort in Solingen entfernt

Ein Mantrailer-Hund soll die Beamten zu der Asylunterkunft geführt haben, die sich nur 300 Meter vom Ort des Anschlags befand. In 150 Metern Abstand hatte man zuvor die Tatwaffe gefunden. Bewohner wurden befragt. Bereits am Nachmittag war ein 15-Jähriger als möglicher Mitwisser festgenommen worden.

Zeuginnen haben Berichten zufolge wahrgenommen, wie der mutmaßliche Täter diesem gegenüber angekündigt haben soll, „heute alle abstechen“ zu wollen. Bei der Attacke starben eine 56-jährige Frau und zwei männliche Besucher des „Festivals der Vielfalt“ im Alter von 56 und 67 Jahren. Der Fronhof, wo der Anschlag stattfand, war noch bis weit in den Samstag hinein gesperrt. Das Fest, das noch bis Sonntag andauern sollte, wurde abgebrochen.

IS präsentiert Bekennerschreiben – mehrere verdächtige Gewalttaten in europäischen Ländern

Am Samstagabend veröffentlichte das Propagandaorgan des IS, „Amaq“, ein Bekennerschreiben, in dem es hieß, ein „Soldat“ der Terrormiliz habe eine „christliche Versammlung“ angegriffen. Er habe die Tat „aus Rache für die Muslime in Palästina und überall“ begangen.

Der Terrorexperte Peter Neumann vom Kings College in London misst dem Schreiben gegenüber „Bild“ Authentizität zu. Bekenntnisse der Terrormiliz hätten sich nur in wenigen Fällen als falsch herausgestellt. Er warnt auch vor möglichen weiteren Bluttaten:

„In der Regel kommt da noch mehr. Die nächsten 12 Stunden werden sehr relevant.“

Messerangriffe wurden am Samstag auch aus Wien und Zürich gemeldet. In La Grande-Motte im Süden Frankreichs kam es am Samstagmorgen zu einer Explosion an einer Synagoge. Ob es zwischen einzelnen Taten einen Zusammenhang gibt, ist bis dato nicht bekannt.

Name des Verdächtigen wird nicht genannt

Es ist auch ungewiss, ob die Terrormiliz tatsächlich den Angriff in Solingen geplant oder den Attentäter gezielt darauf vorbereitet hat, die Tat zu begehen. In dem Bekennerschreiben wurde nicht einmal der Name des Tatverdächtigen genannt. Allerdings hat der IS bereits in den späten 2010er-Jahren angesichts seiner Zurückdrängung in Syrien und dem Irak eine Art Franchisesystem des Terrorismus entwickelt.

Neben Fällen, in denen Einzelpersonen, die spektakuläre Gewaltakte verübten, tatsächlich zuvor dem IS Treue geschworen hatten, hat die Terrormiliz auch in mehreren Fällen, in denen dies nicht der Fall war, Bekennerschreiben nachgeschoben. Dies sicherte dem IS Medienöffentlichkeit in einer Zeit, in der er durch Antiterroreinsätze in seinen Stammländern und stärkere Überwachung in Europa geschwächt war.

Nach seiner weitgehenden Vertreibung aus Syrien und dem Irak, wo der IS Mitte der 2010er-Jahre weite Landstriche erobern konnte, hatte er seine Schwerpunkte geändert. Bis etwa 2018 gehörten westliche Länder zu den bevorzugten Anschlagszielen. In den vergangenen Jahren standen jedoch vermehrt asiatische und afrikanische Staaten im Fokus der Terrororganisation. Zu diesen gehörten unter anderem Afghanistan, Pakistan und Nigeria.

Dass nun das Bekennerschreiben bezüglich des Messerangriffs von Solingen auftaucht, lässt auf eine neue strategische Ausrichtung schließen. Die führenden Köpfe der Terrormiliz scheinen wahrgenommen zu haben, wie sich seit Oktober des Vorjahres pro-palästinensische Gruppierungen im Wege der Proteste gegen den israelischen Militäreinsatz in Gaza radikalisieren.

Das große Risiko für westliche Gemeinwesen besteht nun darin, dass es dem IS gelingen könnte, diese Proteste zu vereinnahmen. In diesem Fall könnte Terrorismus durch gezielte Messerangriffe gegen zufällig ausgewählte Opfer zu einer neuen Normalität werden. Europäischen Ländern könnte dann eine Situation wie in den Jahren 2015 und 2016 in Israel drohen, als die sogenannte Messer-Intifada mehrere Dutzend Todesopfer gefordert hatte.

(Mit Material der afp)



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