Meseberg-Klausur fällt flach – was steckt wirklich dahinter?

Im beschaulichen brandenburgischen Dorf Meseberg, traditioneller Tagungsort der Bundeskabinettsklausur, bleibt es dieses Jahr ruhig. Unerwartet hat die Regierung die Anfang September geplante Klausur abgesagt. Der im vergangenen Jahr vielbeschworene „Geist von Meseberg“ scheint in der Ampel verflogen zu sein.
Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände rufen Regierung zur Ordnung auf
Die traditionelle Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg wurde in diesem Jahr kurzfristig abgesagt.Foto: Kay Nietfeld/dpa
Von 1. September 2024

Meseberg ist ein normales Dorf in Brandenburg. Es gibt eine Haltestelle und den Dorfkrug. Dazu noch eine Handvoll Häuser und eine Kirche sowie 173 Einwohner. Berlin ist etwa eine Stunde entfernt. Und dann ist da noch das Schloss. Es liegt am Ende der Dorfstraße am Huwenowsee.

Einmal im Jahr steht dieses Schloss im deutschlandweiten Fokus der Medien: Dann fahren dunkle Limousinen vor und Sicherheitsbeamte steigen aus. Die Bundesregierung trifft sich zur traditionellen Klausur in Meseberg. Zwei Tage wird dann über die aktuellen Themen beraten, Beschlüsse gefasst und der politische Fahrplan für die kommende Zeit festgelegt. 

Große Themen standen auf der Tagesordnung vergangener Kabinettklausuren: Steuerreform, Klimaschutz, Digitalisierung, Zukunftsinvestitionen und Flüchtlingspolitik. 

2003 griff Rot-Grün auf Klausurtradition zurück

Im Jahr 2003 griff die rot-grüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder (SPD) nach 25 Jahren wieder auf eine alte Tradition zurück. Sie hielt eine Klausurtagung im Schloss Neuhardenberg ab. In einer symbolischen Geste versammelte sich das Bundeskabinett unter den Bäumen im Park – ein Bild, das an das Jahr 1967 erinnert, als die erste Große Koalition zusammentrat.

Damals zwang die sommerliche Hitze Bundeskanzler Kurt-Georg Kiesinger (CDU), die Kabinettssitzung in den Garten des Bonner Palais Schaumburg zu verlegen. Unter einer mächtigen Platane diskutierte das Kabinett über die mehrjährige Haushaltsplanung.

Seit 2006 lud die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) das Kabinett zu Klausurtagungen ein, anfangs im Schloss Genshagen, später dann meistens im Gästehaus der Bundesregierung in Meseberg. Die erste dieser Klausuren unter der Regierung Merkel führte zur Verabschiedung eines Konjunkturpakets im Wert von 25 Milliarden Euro, das zur Ankurbelung der Wirtschaft dienen sollte.

Im Jahr 2019 versammelte sich das Kabinett unter Angela Merkel zum letzten Mal im Schloss Meseberg, um sich mit Themen wie Klimaschutz und den Veränderungen in der Arbeitswelt durch die Digitalisierung zu beschäftigen.

Im Januar 2022 kommen die Ministerinnen und Minister der neuen Koalition aus SPD, Grünen und FDP erstmals zu einer eintägigen Klausurtagung im Kanzleramt zusammen. Die Schwerpunkte dieser Tagung sind die G7-Präsidentschaft sowie die Beschleunigung von Investitionen in die Zukunft.

Ampel beschwört den „Geist von Meseberg“

Im vergangenen Jahr dann die Klausur in Meseberg. Die Augen der Öffentlichkeit waren an diesen Tagen sehr genau auf das kleine brandenburgische Dorf gerichtet. Schlechte Umfragewerte und öffentlich ausgetragene Konflikte hatten kurz vor der Kabinettsklausur sogar Spekulationen über ein vorzeitiges Ende der Koalition ausgelöst.

Von Schloss Meseberg sollte nun das Signal der Harmonie ausgehen. Die Ampel, damals in der Halbzeit angekommen, wollte deutlich machen, dass die Koalition weiterregieren möchte. Die weitreichendste Entscheidung damals dürfte die Einigung auf das Wachstumschancengesetz gewesen sein. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) hatte sich zuvor mehrmals öffentlich gegen solch ein Gesetz ausgesprochen. In Meseberg konnte jetzt die Einigung verkündet werden.

Dieses Jahr ist nun aber alles anders. Ursprünglich hatte die Bundesregierung geplant, am kommenden Dienstag in Meseberg zusammenzukommen. Wie „Bild“ zuerst berichtete, wurde der Gipfel in der Sommerpause abgesagt. Das Blatt beruft sich auf Informationen aus Regierungskreisen. 

Sorgenvoller Blick auf Landtagswahlen

Offiziell wird die Absage mit Termingründen begründet. Inoffiziell, so schreibt „Bild“, hinge die Absage mit den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen zusammen. Dort erwarten die Ampelparteien allesamt ein schlechtes Abschneiden bei der Wahl. 

„Kein Minister hat Lust auf Meseberg“, soll ein Regierungsmitglied der „Bild“ gesagt haben. Man befürchtet offenbar, dass die möglichen Fotos des Kabinetts in dem idyllischen Schloss nach der zu erwartenden Niederlage in Sachsen und Thüringen fehl am Platz wirken könnten.

Der letzte Wahltrend vom vergangenen Freitag in Thüringen sieht die SPD bei 6,3 Prozent. Den Grünen (3,5 Prozent) und der FDP (2,9 Prozent) würde der Einzug am kommenden Sonntag nicht mehr gelingen und sie müssten ihre Stühle im Landtag räumen.

Der Wahltrend in Sachsen, auch von Freitag, sieht die SPD ebenfalls bei 6,3 Prozent. Die Grünen liegen bei 5,6 Prozent und müssen am Sonntag um ihren Wiedereinzug in den Landtag bangen. Die FDP hingegen ist mit 1,1 Prozent weit davon entfernt, auch nur in die Nähe der Fünf-Prozent-Hürde zu rücken, die den Landtagseinzug sichert.

Auch für Brandenburg, wo am 22. September gewählt wird, ist der Wahltrend für die Ampel alles andere als rosig. Die SPD, seit Gründung des Landes Brandenburg gewohnt, die stärkste Partei im Lande zu sein, könnte dann mit 20 Prozent der Wählerstimmen auf Platz 2 verwiesen werden.

Stärkste Kraft könnte dann mit vorhergesagten 24 Prozent die AfD werden. Die Grünen (5 Prozent) müssen wie in Sachsen um den Einzug in den Landtag bangen. Die FDP kann sich mit vorhergesagten 2 Prozent keine Hoffnung machen, den Sprung in den Landtag zu schaffen.  

Ersatztermin nicht vorgeschlagen

Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich mancher noch sehr gut an die Tage in Meseberg im vergangenen Jahr erinnert. Die Medien benannten damals mehrmals den „Geist von Meseberg“.

So schrieb beispielsweise die „Tagesschau“, kurz vor Beginn der Klausur im vergangenen Jahr unter der Überschrift „Ampelkoalition hofft auf ‚Geist von Meseberg‘“ im Vergleich zu Großen Koalitionen der vergangenen Jahre:

„Wer in Zeitungsarchiven nach Artikeln aus der Zeit der Großen Koalition sucht, wird auch dort Hinweise auf langanhaltende Konflikte finden. Mit der Ampelkoalition setzt also nicht zum ersten Mal eine Regierung auf den sprichwörtlichen ‚Geist von Meseberg‘, der Harmonie und Einigkeit befördern möge. Und es dürfte auch nicht die letzte sein, die ein Treffen in dem Barockschloss mit dieser Hoffnung verbindet.“

Über den Punkt Hoffnung scheint die Ampel aber inzwischen hinweg zu sein. Es würde vollkommen reichen, wenn die Ampel jetzt die Liste der anstehenden Aufgaben wie Migrationskrise, Haushalt 2025, Wachstumsinitiative, Rentenpaket abarbeiten würde, zitiert die „Bild“ weiter aus Regierungskreisen. Ein Ersatztermin wurde bisher nicht vorgeschlagen. Der Geist von Meseberg scheint verflogen zu sein.



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