Merz will Kurswechsel in der Migrationspolitik – Mehrheiten für Union-Entschließungsanträge stehen auf der Kippe

Am heutigen Mittwoch will die Union ihre Entschließungsanträge zur Asylpolitik und inneren Sicherheit im Bundestag zur Abstimmung stellen. Während CDU und CSU auf Zustimmung hoffen, lehnt die Ampel-Koalition die Vorschläge ab. Eine Mehrheit hängt von FDP und BSW ab – und könnte am Ende auf des Messers Schneide stehen.
Migration: Bundestag stimmt über Unions-Anträge ab - Scholz gibt Regierungserklärung. (Archivbild)
Migration: Bundestag stimmt über Unions-Anträge ab - Scholz gibt Regierungserklärung. (Archivbild)Foto: Michael Kappeler/dpa
Von 29. Januar 2025

Am Mittwoch, 29.1., wollen CDU und CSU ihre bereits im Vorfeld viel diskutierten Entschließungsanträge zur Asylpolitik und zur inneren Sicherheit im Bundestag zur Abstimmung bringen. Bis zuletzt war noch unklar, wann dies der Fall sein würde. Über die Tagesordnung bestand zwischen den Fraktionen bis Mittwochmorgen noch kein Einvernehmen. Allerdings will Bundeskanzler Olaf Scholz um 14:15 Uhr eine Regierungserklärung abgeben. Es zeichnet sich ab, dass im Anschluss daran die Vorlagen behandelt werden. Die Sitzung beginnt mit einer Sonderveranstaltung anlässlich des Gedenkens der Opfer des Nationalsozialismus um 12:00 Uhr.

Die Entschließungsanträge haben keine unmittelbaren Auswirkungen

In beiden Fällen handelt es sich um Entschließungsanträge. Wie auch der Bundeskanzler erklärt, haben diese keine unmittelbaren Auswirkungen. Auf einer Wahlkampfveranstaltung in Berlin äußerte Scholz am Dienstag:

„Das sind Entschließungsanträge. Und die sind dann beschlossen oder nicht beschlossen.“

Finden die Anträge eine Mehrheit, hat der Bundestag damit eine Aufforderung an die Bundesregierung beschlossen, bestimmte Inhalte umzusetzen. Die erste Vorlage trägt den Titel „Fünf Punkte für sichere Grenzen und ein Ende der illegalen Migration“. Sie enthält jene fünf „unverhandelbaren“ Forderungen, die sie auch zur Bedingung für Koalitionsverhandlungen nach der Bundestagswahl machen möchte.

Zu diesen gehören unter anderem die dauerhafte Einrichtung von Grenzkontrollen und eine Erweiterung der Möglichkeiten für Abschiebehaft gegen Ausreisepflichtige.

Mehrheit für Zustrombegrenzungsgesetz wahrscheinlich – Widerstand im Bundesrat angekündigt

Der zweite Entschließungsantrag ist überschrieben mit „Für einen Politikwechsel bei der inneren Sicherheit“. Dieser enthält gleich 27 Punkte, die von der Ausweitung technischer Befugnisse für die Polizei über das Absenken von Leistungen für Asylsuchende bis hin zur Rücknahme der Einbürgerungsreform reichen.

Am Freitag soll noch das von der Union bereits im September eingebrachte „Zustrombegrenzungsgesetz“ zur Abstimmung kommen. Der Ausschuss für Inneres und Heimat hatte dieses im November abgelehnt – kurz vor dem Ende der Ampelkoalition. Ein Änderungsantrag zum Asylgesetz und Aufenthaltsgesetz ist zudem in Vorbereitung.

Obwohl in der Begründung des Fünf-Punkte-Antrags massive Kritik an ihrer Politik laut wird, will die AfD allen Anträgen der Union zustimmen. CDU-Chef Friedrich Merz hat im Vorfeld der Einbringung der Vorlagen erklärt, er wolle sich um eine breite Zustimmung inklusive jener von SPD und Grünen bemühen. Gleichzeitig hatte er auch deutlich gemacht, eine Mehrheit mit den Stimmen der AfD billigend in Kauf zu nehmen.

Fraktionslose im Bundestag als „eiserne Reserve“ für die Union

Ob die Entschließungsanträge diese Mehrheit finden werden, ist unterdessen unklar. SPD, Grüne und die Gruppe der Linken im Bundestag haben angekündigt, dass die Union mit Stimmen aus ihren Reihen nicht rechnen könne. Am aussichtsreichsten erscheint eine Zustimmung für das Zustrombegrenzungsgesetz, das FDP, AfD und Bündnis Sahra Wagenknecht am Freitag mittragen wollen. Allerdings haben SPD-geführte Länder für diesen Fall schon Widerstand im Bundesrat angekündigt.

Sollten – was selten der Fall ist – alle Abgeordneten bei der Abstimmung anwesend sein, bräuchte die Union 367 Stimmen für eine Mehrheit. Stimmen diese entlang ihrer Parteilinien ab, kämen CDU/CSU (196 Sitze), FDP (90), AfD (76) und BSW (10) auf 372 Stimmen. Die Regierungsparteien SPD und Grüne kommen zusammen auf 324 Stimmen. Die Linke hält 28 Sitze.

Fraktionslos sind im Bundestag derzeit neun Abgeordnete. Zu diesen gehört der SSW-Parlamentarier Stefan Seidler, dessen Abstimmungsverhalten sich eher an der SPD orientiert. Fraktionslos ist nun auch der aus der FDP ausgetretene Bundesverkehrsminister Volker Wissing. Auch er wird voraussichtlich mit den Regierungsfraktionen stimmen.

Bei den übrigen sieben Fraktionslosen handelt es sich um Abgeordnete, die über AfD-Mandate in den Bundestag eingezogen sind, aber der Fraktion nicht oder nicht mehr angehören. Für die Unionsanträge wären sie eine potenzielle Reserve an Ja-Stimmen, wobei Robert Farle CDU-Chef Merz wegen dessen Ukrainepolitik als „Gefahr für Deutschland“ bezeichnet hat. Es spricht vieles dafür, dass er diese ausgehenden Vorlagen nicht unterstützt.

FDP gegen Antrag zur inneren Sicherheit – BSW sieht beide kritisch

Allerdings könnten die Entschließungsanträge der Union am Mittwoch an fehlenden Mehrheiten scheitern. Bezüglich des Fünf-Punkte-Plans geht BSW-Gründerin vonseiten ihrer Fraktion „nicht von einer Zustimmung aus“. Ob die FDP geschlossen zustimmt, ist ebenfalls fraglich. Damit würde die Mehrheit auf der Messerschneide stehen.

Noch weniger Aussichten auf Zustimmung hat der 27-Punkte-Plan zur inneren Sicherheit. Das BSW hat diesen bereits als „für uns auf keinen Fall zustimmungsfähig“ eingeordnet. Zudem spricht wenig dafür, dass die FDP diesen mittragen wird. Dies liegt zum einen an den dort enthaltenen Forderungen zur Ausweitung von Überwachungsbefugnissen. Zum anderen richtet sich der Antrag auch gegen die Reform des Staatsangehörigkeitsgesetzes. Diese haben die Liberalen, als sie noch Teil der Ampel waren, geschlossen mitgetragen.

Die FDP will sich Berichten zufolge dafür einsetzen, den Antrag der Union zur inneren Sicherheit in die Ausschüsse zu überweisen. Inwieweit ein Scheitern der Entschließungsanträge der Union im Wahlkampf schaden würde, lässt sich schwer abschätzen. SPD und Grüne würden ein solches als Niederlage für Merz darstellen. Sie hatten diesen bereits im Vorfeld davor gewarnt, Anträge einzubringen, deren Mehrheit von den Stimmen der AfD abhängt.

Habeck: Union begibt sich „in die Fänge der AfD“

Bundeskanzler Olaf Scholz nannte es am Dienstag „empörend“, dass die Union dies entgegen früheren Zusagen in Kauf nehme. Der Union sei deshalb auch nicht zu trauen, wenn diese ankündige, nach der Wahl nicht mit der AfD zusammenzuarbeiten. Es müsse auf jeden Fall „verhindert werden, dass es eine schwarz-blaue Mehrheit im Deutschen Bundestag gibt“.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck appellierte in einem Video noch einmal an CDU-Chef Merz, die Anträge nicht einzubringen. Auf Instagram äußert der Spitzenkandidat der Grünen:

„Wenn die Union das tut, macht sie gemeinsame Sache mit der AfD. Dann hat die AfD sie da, wo sie sie immer haben wollte: in ihren Fängen.“

Ausgangspunkt für die migrationspolitische Offensive ist der tödliche Messerangriff eines ausreisepflichtigen afghanischen Asylsuchenden in der Vorwoche in Aschaffenburg. Dabei starben zwei Menschen, darunter ein Kleinkind. Die damalige Ampelkoalition hatte im Herbst des Vorjahres nach dem Anschlag von Solingen ein Paket zur Verschärfung der Asylpolitik vorgelegt.

Die Union hatte die Zustimmung verweigert, weil unter anderem die Möglichkeit einer Zurückweisung der Flüchtlingen bereits an den Grenzen nicht enthalten war. Eine solche gilt als EU-rechtlich umstritten.



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