Merz trifft Scholz: Machtwechsel in Berlin wird vorbereitet – die Erwartungen im Überblick

Am Dienstagvormittag trafen sich der scheidende Bundeskanzler Olaf Scholz und sein designierter Nachfolger Friedrich Merz zu Gesprächen im Kanzleramt. Themen waren die Übergangsphase und erste Weichenstellungen für eine neue Regierung. Während Merz eine klare Linie in der Migrations- und Wirtschaftspolitik fordert, verlangt die SPD weitreichende Zugeständnisse.
Kanzler Scholz würde zu Kanzlerkandidat Merz ins Flugzeug steigen.
Am Dienstagvormittag trafen sich Olaf Scholz und Friedrich Merz, um die Übergangsphase zur neuen Regierung zu besprechen.Foto: Michael Kappeler/dpa-Pool/dpa
Von 26. Februar 2025

Wie Regierungskreise berichten, haben sich der scheidende Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und dessen designierter Nachfolger Friedrich Merz (CDU) am Dienstagvormittag, 25. Februar, im Kanzleramt getroffen. Dabei soll es um die Gestaltung einer „Übergangsphase“ bis zum Antritt einer neuen Regierung gegangen sein.

Merz hatte am Montag ein vertrauliches Gespräch in dieser Angelegenheit angekündigt. Bis Ostern soll sein Kabinett stehen. Scholz hatte deutlich gemacht, nicht zur Führung von Regierungsverhandlungen zur Verfügung zu stehen. Schon am Montagabend hatte Merz auch mit SPD-Chef Lars Klingbeil erstmals über Sondierungen gesprochen, berichtet der mdr. Diese sollen nach dem Willen von Merz nach der Bürgerschaftswahl in Hamburg beginnen, die am kommenden Sonntag stattfindet.

Merz: „Keine großen Entscheidungen mehr ohne uns“ – Klingbeil: „Koalition nicht ausgemacht“

Bislang stehen die wechselseitigen Erwartungshaltungen im Vorfeld der Gespräche im Vordergrund. Die einzig mögliche Zweierkoalition, die für die Union in Betracht kommt, ist der Mandatsverteilung im Bundestag zufolge eine mit den Sozialdemokraten. Ein rechnerisch ebenfalls mögliches Bündnis mit der AfD haben CDU und CSU bereits im Vorfeld der Bundestagswahl ausgeschlossen.

Merz äußerte seinen SPD-Gesprächspartnern gegenüber, er erwarte, dass „seitens der Bundesregierung keine Entscheidungen mehr getroffen werden, die von Dauer sind, ohne unsere Mitwirkung“. Dies gelte auch für Personalentscheidungen. Klingbeil wiederum erklärte, er erwarte, dass Merz „seinen Kurs und auch seinen Ton deutlich ändert“.

Es sei „überhaupt nicht ausgemacht“, dass es eine gemeinsame Regierung mit den Sozialdemokraten gebe, erklärte Klingbeil gegenüber der ARD. Demgegenüber äußerte CSU-Chef Markus Söder, es stünden „beide Seiten in der Pflicht, sich am Riemen zu reißen und eine neue Regierung zu bilden“. Insbesondere bedürfe es gemeinsamer Lösungen in der Migrations- und Wirtschaftspolitik.

Schuldenbremse soll nicht in nächster Zukunft besprochen werden

Klingbeil forderte bereits jetzt gegenüber dem ZDF-„heute journal“ von der Union weitreichende Zugeständnisse. Dies müsse die Löhne für die arbeitende Mitte ebenso betreffen wie stabile Renten und Investitionen in Höhe von mehreren Milliarden Euro.

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat am Dienstag in „Bild“ die Union dazu aufgefordert, beim Bundeswehretat eine Ausnahme von der Schuldenbremse zu beschließen. Merz erklärte, dieses Thema sei „schwierig“. Man spreche miteinander, es sei jedoch „viel zu früh, darüber jetzt schon etwas zu sagen“. Die Union hatte sich in der zu Ende gehenden Legislaturperiode stets gegen Modifikationen der Schuldenbremse ausgesprochen. Mehrere Ministerpräsidenten der Union zeigten sich jedoch diesbezüglich gesprächsbereit.

Die Union nannte als eine ihrer Prioritäten eine Änderung des Wahlrechts. Vor allem CDU und CSU waren die Leidtragenden der sogenannten Zweitstimmendeckung, die SPD, Grüne und FDP 2023 bei ihrer Wahlrechtsreform geschaffen haben.

Diese entwertet Direktmandate für siegreiche Erststimmenkandidaten, wenn die Zahl der gewonnenen Wahlkreise höher ist als die Summe der Sitze, die einer Partei aufgrund ihres Zweitstimmenanteils zustehen. Merz wies darauf hin, dass nicht nur 23 direkt gewählte Bundestagsabgeordnete, davon 18 von der Union, nicht im Bundestag vertreten sein werden, sondern auch vier deutsche Städte nun keine Abgeordneten mehr im Bundestag aufwiesen.

Wie wird die Koalition sich zu Migration und Bürgergeld positionieren?

Potenziell konfliktträchtig sind auch noch weitere Themen, die Gegenstand der Koalitionsgespräche sein werden. Die Union fordert beispielsweise eine deutliche Verschärfung der Migrationspolitik – inklusive einer Zurückweisung von Asylsuchenden an den Grenzen. Die SPD zweifelt an der Vereinbarkeit einer solchen Regelung mit Verfassung und EU-Recht. Auch das von der Union geforderte Ende des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten stößt bei den Sozialdemokraten auf taube Ohren.

Die Union fordert auch die Möglichkeit einer kompletten Streichung von Bürgergeld für sogenannte Totalverweigerer. Dafür will Merz auch Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht in Kauf nehmen. Außerdem lehnt die Union eine Erhöhung des Mindestlohns ohne Empfehlung der unabhängigen Mindestlohnkommission ab.

Im Bereich der Klimapolitik mahnt die Union den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft an. Die EU-Vorgaben zur Abkehr vom Verbrennermotor will sie ebenso wie das Heizungsgesetz abschaffen. Die Union denkt über einen Wiedereinstieg in die Kernenergie nach. Das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 will sie „im Blick behalten“ und auch die politische Bepreisung von CO₂ will sie beibehalten. Konsens mit der SPD gibt es jedoch bezüglich der Bezahlung eines „Klimageldes“, das die Bürger vor den Folgen der dadurch bewirkten Teuerung schützen soll.

„Taurus“ wohl vom Tisch – SPD bleibt bei ihrer ablehnenden Position

Vom Tisch dürfte das Thema der „Taurus“-Lieferungen an die Ukraine sein. Zwar forderten Unionspolitiker und auch Friedrich Merz wiederholt diese weitreichenden Waffen für Kiew, Merz ruderte jedoch im Wahlkampf zurück und verwies auf die Notwendigkeit einer Abstimmung mit den europäischen Partnern. Die SPD will jedoch offenbar an ihrer ablehnenden Position festhalten – und nach dem Ausscheiden der FDP aus dem Bundestag würden nur noch die Grünen die Lieferung befürworten. Zudem könnte sich das Thema erübrigen, wenn es US-Präsident Donald Trump gelingt, ein Ende des Krieges zu erreichen.

Bezüglich der Steuerpolitik setzt die Union auf eine Senkung der Unternehmenssteuern. Die SPD hingegen will Unternehmen durch eine Prämie bei Investitionen in Deutschland entlasten. Beide Parteien wollen Entlastungen für die breite Masse der Bevölkerung bei der Einkommensteuer. Allerdings fordert die SPD einen höheren Beitrag für sogenannte Topverdiener. Der neue Bundestag muss laut Grundgesetz spätestens bis zum 25. März zu seiner ersten Sitzung zusammenkommen.



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