Merz bereitet sich auf Neuwahlen vor
Inmitten der seit Tagen schwelenden Regierungskrise bereitet sich der CDU-Parteichef und Unionsfraktionsvorsitzende Friedrich Merz offenbar auf das mögliche Szenario eines vorzeitigen Bruchs der Ampelkoalition vor.
Wie die „Welt“ berichtete, wird es mit Merz allerdings keine Juniorpartnerschaft der Union unter sozialdemokratischer Führung geben, falls die FDP die Bundesregierung vorzeitig verlassen sollte. Das habe der CDU-Chef während der Bundesvorstandssitzung seiner Partei am Montag, 4. November, klargestellt.
Er werde stattdessen für Neuwahlen plädieren – wie schon seit Wochen auch der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU), CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann und andere hochrangige Vertreter aus den Reihen der Union.
Am Donnerstag, 7. November, will Merz sich nach Angaben der „Welt“ zu einem vertraulichen Gespräch mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) treffen. Dabei werde es auch um das Thema Neuwahlen gehen, wie Merz selbst angekündigt hatte.
Nach Informationen der „Bild“ sind Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Dienstagmorgen, 5. November, gegen 8:00 Uhr zu einem zweiten gemeinsamen Krisengipfel zusammengetroffen. Sie hatten sich erst in den Nachmittagsstunden des Montags nach ihrer ersten gemeinsamen Sechsaugenkonferenz seit Wochen getrennt.
Bringt der Koalitionsausschuss am Mittwoch eine Lösung?
Bis Mittwochabend wollen sich die drei entscheidenden Männer der Regierung noch mindestens ein weiteres Mal treffen, bevor das womöglich richtungsweisende Treffen der Ampelspitzen im Koalitionsausschuss ansteht.
Unter dem frischen Eindruck der US-Wahl werden Scholz, Lindner und Habeck dann im Beisein ihrer Partei- und Fraktionschefs erneut über ihre Differenzen zur Wirtschafts- und Finanzkrise sprechen.
Gelingt es ihnen nicht, einen Haushaltskompromiss unter Berücksichtigung von Lindners Forderungskatalog für eine „Wirtschaftswende“ (PDF) auszuhandeln, würden die Haushaltsberatungen weiter in der Luft hängen. Der Ampel bliebe allerdings nur noch eine Woche Zeit. Denn am Donnerstag, 14. November, soll der Haushaltsausschuss des Bundestags bei der traditionellen Bereinigungssitzung seinen Segen zum Bundesetat für das Jahr 2025 geben.
Es ist unklar, was geschehen wird, falls die Haushaltspolitiker des Parlaments und die Bundesregierungsvertreter sich nicht spätestens dann zu einer gemeinsamen, verfassungskonformen Lösung durchringen können. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil hatte bereits die Tage rund um das Koalitionsausschusstreffen eine „Woche der Entscheidung“ genannt.
Ein Ultimatum für einen Koalitionsbruch liegt derzeit allerdings von keiner Seite auf dem Tisch.
Habeck will Koalition zusammenhalten
Habeck hatte im Anschluss des ersten Dreiermeetings in den ARD-„tagesthemen“ klargestellt, dass er am Bestand der Ampel festhalten wolle, auch wenn die Koalition aus seiner Sicht „keine Liebesbeziehung mehr werden“ werde: „Hängepartie oder Handlungsfähigkeit – das ist hier die Alternative“, betonte der Wirtschaftsminister.
Eine Einigung in der Haushaltsfrage halte er noch für „möglich“, so Habeck. Er sei bereit, im Klima- und Transformationsfonds auf jene rund zehn Milliarden Euro Subventionen zu verzichten, die durch den Stopp der Ansiedlungspläne des Chipherstellers Intel in Magdeburg frei geworden waren. Ansonsten sei es nun an den „anderen“, Vorschläge zu machen.
Auch sein Noch-Parteivorsitzender Omid Nouripour will offenbar am Bündnis festhalten. „Wir wollen den Bruch nicht. Wir gehen auch davon aus, dass andere vertragstreu sind und wir die Arbeit, die wir hier miteinander machen, zu Ende bringen“, sagte Nouripour am Montag nach einer Sitzung des grünen Präsidiums in Berlin. Weiterzumachen sei „ein Gebot des Anstands“.
Lindner beharrt auf Kurswechsel
Anlass für die Dreierrunden war das Forderungspapier Lindners, das nach dessen Aussage kurz vor dem Wochenende durch eine Indiskretion durchgesteckt worden sei.
Der Kanzler hatte seinen Finanzminister daraufhin zunächst für den Sonntagabend zu einem Tete-a-Tete einbestellt: Immerhin verlangt Lindner nichts weniger als eine Umkehr in praktisch allen zentralen Punkten der bisherigen rot-grün-gelben Finanz- und Wirtschaftspolitik.
Nach drei Stunden gingen Scholz und Lindner auseinander, ohne die Presse über etwaige Ergebnisse zu unterrichten. Tags darauf trafen sich dann Scholz, Lindner und Habeck zu ihrer ersten Sechsaugenkonferenz seit Wochen.
Scholz fordert Kompromissbereitschaft
Nach Informationen des „Tagesspiegel“ warb Lindner noch am Montagabend während eines Auftritts vor der nordrhein-westfälischen Bauindustrie in Düsseldorf für seine Ideen. Der „weltweit einmalige Sonderweg in der Energie- und Klimapolitik“ Deutschlands müsse ein Ende finden. Vielmehr müsse das Land zu einem „Symbol für den Mut zur Veränderung“ werden. „Ich glaube, dass wir Richtungsentscheidungen für unser Land treffen müssen“, habe der Finanzminister und FDP-Parteivorsitzende nicht zum ersten Mal geäußert.
Scholz habe am selben Tag von seinen Koalitionspartnern mehr Kompromissbereitschaft verlangt: „Es geht darum, dass wir in ernsten Zeiten die Herausforderung bewältigen, vor denen wir stehen“, so Scholz während einer Pressekonferenz mit NATO-Generalsekretär Mark Rutte am Montag. Es sei nun die Zeit für „Pragmatismus“, nicht für „Ideologie“. Er erwarte von allen Seiten, „seriös“ zu arbeiten: „Ich bin der Kanzler. Es geht darum, dass wir in ernsten Zeiten die Herausforderung bewältigen, vor denen wir stehen“, so Scholz laut „Tagesspiegel“. Und weiter:
Jetzt geht es darum, die notwendigen Entscheidungen zu treffen angesichts der wirtschaftlichen Entwicklungen, aber auch der Notwendigkeit, dem Parlament ein paar zusätzliche Vorschläge zu machen für den endgültigen Abschluss des Haushalts für das nächste Jahr.“
SPD-Chefin Esken lehnt Linder-Papier ab
Auch SPD-Chefin Saskia Esken will die Ampel offenbar nicht vorzeitig platzen lassen. In einer Pressekonferenz am Montag bekräftigte sie allerdings ihr Nein zu Lindners Reformweg. Sie habe in dessen Papier „keinen Vorschlag gefunden, der geeignet wäre, um in dieser sozialdemokratisch geführten Regierung umgesetzt zu werden“.
Die SPD besitze selbst die Kraft und die Ideen, „wie wir unsere Industrie, wie wir unsere Wirtschaft zukunftsfähig aufstellen“, sagte Esken. Der Regierungsauftrag liege immer noch beim Bundeskanzler (Video auf X).
Vor rund zwei Wochen hatte Habeck selbst ein eigenes Vorschlagspapier zur Lösung der Krisen vorgestellt. Doch seine Ideen für einen milliardenschweren, schuldenfinanzierten Deutschlandfonds, der zur Finanzierung privatwirtschaftlicher und staatlicher Investitionen dienen sollte, stießen bei Finanzminister Lindner auf Ablehnung.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion