Merkels Europawahlkampf in Kroatien
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) absolviert am Samstag ihren ersten Auftritt im Europawahlkampf. Zusammen mit dem EVP-Spitzenkandidaten Manfred Weber (CSU) und Kroatiens Ministerpräsident Andrej Plenkovic nimmt Merkel an der Abschlussveranstaltung der kroatischen Regierungspartei HDZ zur Europawahl in Zagreb teil.
Es ist der erste von nur zwei Wahlkampfauftritten der Kanzlerin im Europawahlkampf. Einziger weiterer Termin ist die Abschlusskundgebung von CDU und CSU am 24. Mai in München.
CDU-Kreise erklärten die Zurückhaltung der Kanzlerin mit ihrem Verzicht auf den Parteivorsitz im Dezember. Demnach will Merkel nicht mehr an reinen CDU-Veranstaltungen teilnehmen, sondern nur noch an Kundgebungen mit ausländischen Staats- und Regierungschefs, wie es in München und Zagreb der Fall ist. Spekulationen, wonach Merkel nach ihrer Kanzlerschaft ein Führungsamt auf europäischer Ebene anstrebe, erteilte sie am Donnerstag eine klare Absage.
Die Spekulationen waren aufgekommen, weil die Kanzlerin in einem Interview von ihrer Sorge um Europa und einem daraus erwachsenen „gesteigerten Gefühl der Verantwortung“ gesprochen hatte.
Dass Merkel ausgerechnet in Zagreb ihren einzigen Wahlkampfauftritt im Ausland hat, ist insofern interessant, als dass Kroatien in vielerlei Hinsicht exemplarisch für die Chancen und Herausforderungen der EU in Osteuropa steht.
Die damalige Bundesregierung hatte während des Jugoslawienkonflikts die Anerkennung Kroatiens und Sloweniens vehement vorangetrieben. Auch bei der EU-Osterweiterung nahm Deutschland eine führende Rolle ein. Kroatien ist 2013 als bisher letztes EU-Mitglied der Staatengemeinschaft beigetreten. Außer Slowenien ist es das einzige Land des ehemaligen Jugoslawiens, das die strengen Aufnahmekriterien bisher erfüllen konnte. Serbien, Bosnien-Herzegowina, Nordmazedonien, Montenegro und der Kosovo streben den Beitritt ebenfalls an.
Beim Westbalkan-Treffen Ende April in Berlin hatte Merkel hervorgehoben, dass „wir uns der europäischen Perspektive des westlichen Balkans verpflichtet fühlen“ und die Stabilität der Region in Deutschlands und Frankreichs „eigenem Interesse“ liege.
Aufgrund seiner Lage ist Kroatien zudem ein wichtiger Anlaufpunkt für Migranten, die über die sogenannte Balkanroute in die EU gelangen wollen. Brüssel stellt dem Land deswegen erhebliche Mittel für die Grenzsicherheit zur Verfügung. Im vergangenen Jahr versuchten mehr als 8000 Einwanderer illegal ins Land zu kommen. Bundeskanzlerin Merkel hat nicht nur in Deutschland, sondern auch in Osteuropa viel Kritik für ihre Flüchtlingspolitik in den Jahren 2015 und 2016 einstecken müssen.
Merkels Wahlkampfauftritt findet zudem vor dem Hintergrund wachsender Spannungen innerhalb der EU statt. Nicht zuletzt viele osteuropäische Länder sind mit den Institutionen in Brüssel über Kreuz. Während die EU Ländern wie Ungarn, Rumänien oder Polen Versäumnisse in der Rechtsstaatlichkeit vorwirft, sehen einige ost- und südosteuropäische Länder – immerhin fast die Hälfte der Mitgliedstaaten – ihre Standpunkte in Brüssel unterrepräsentiert.
CDU und CSU hatten ihren Wahlkampf vor zweieinhalb Wochen in Münster gestartet. Die Schwesterparteien treten erstmals mit einem gemeinsamen Wahlprogramm an. Umfragen lassen vor der Wahl Ende Mai in vielen EU-Staaten ein starkes Abschneiden von europakritischen Kräften erwarten. (afp)
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