Merkel und Macron suchen gemeinsame Linie
Für das Treffen mit Angela Merkel hat sich Emmanuel Macron einen symbolischen Ort ausgesucht: Den historischen Pharo-Palast in Marseille.
Von dort aus gibt es freie Sicht auf das Mittelmeer, das seit Jahren Schauplatz der Flüchtlingskrise ist. Der französische Staatspräsident will am Nachmittag mit der deutschen Kanzlerin über die europäische Migrationspolitik beraten, die in der Gemeinschaft der 28 für soviel Streit sorgt.
Knapp zwei Wochen vor einem informellen EU-Gipfel im österreichischen Salzburg ist Merkel aber nicht die einzige Gesprächspartnerin Macrons. Der 40 Jahre alte Europafreund tourt durch Hauptstädte, um für seine Strategie zu werben, gegen die „Nationalisten“ ein Lager der „Fortschrittlichen“ aufzubauen. Merkel sieht der Élysée-Chef auf der Seite der Fortschrittlichen: „Da gibt es keine Zweideutigkeit.“
Bei seinem EU-Marathon hat Macron auch die Europawahl in acht Monaten im Blick. Der Ton zwischen dem sozialliberalen Staatschef und dem ungarischen Regierungschef Viktor Orban wird dabei immer schärfer. Falls Orban und Italiens Innenminister Matteo Salvini ihn als Hauptgegner sehen wollten, hätten sie recht, sagte er unlängst.
Der Kanzlerin, die öffentlich immer wieder vor einer Radikalisierung der Sprache in der Migrationsdebatte warnt, dürfte eine derartige Polarisierung nicht gelegen kommen. Das gilt selbst vor dem Hintergrund, dass Orban in der EU einer der lautstärksten Kritiker ihrer Migrationspolitik ist. Und Salvini macht es Deutschland derzeit nicht gerade leicht, ein von Merkel gewünschtes bilaterales Rücknahmeabkommen für Migranten abzuschließen, die etwa bereits in Italien Asyl beantragt haben.
Für das Treffen und das anschließende Abendessen von Merkel und Macron gab es zunächst keine offizielle Tagesordnung. Folgende Themen dürften Insidern zufolge zur Sprache kommen:
MIGRATION: Frankreich pocht darauf, beim Aufbau zentraler Flüchtlings-Sammellager in der EU voranzukommen. Dazu hatte es im Kreis der EU-Chefs bereits im Juni eine Grundsatzeinigung gegeben. Macron komme es darauf an, mit Merkel in Salzburg mit einer Stimme zu sprechen, heißt es in Paris. Macron stehe auch zu Hause unter Druck: Der mit fallenden Beliebtheitswerten kämpfende Staatschef müsse zeigen, dass Europa bei dem Reizthema Migration handlungsfähig sei.
„BÜNDNIS DER FORTSCHRITTLICHEN“: Macron versucht, prominenten Rechts-Politikern in Europa die Stirn zu bieten – und sucht dafür Verbündete. Als Beispiel für ein „Bündnis der Fortschrittlichen“ nennt Paris die Lösung mit Malta für das NGO-Schiff „Aquarius“. Mitte August hatte sich Valletta bereiterklärt, das Schiff mit aus Seenot geretteten Migranten einlaufen zu lassen, nachdem Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Portugal und Spanien zugesagt hatte, die Geretteten aufzunehmen.
EU-PERSONALPOKER: Da der CSU-Mann Manfred Weber Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei (EVP) bei der Europawahl 2019 werden will, dürfte die Vergabe von EU-Topposten zur Sprache kommen, meinen Beobachter. Macron hat sich bisher nicht klar festgelegt, wie er seine Partei La République En Marche im kommenden Jahr positionieren will. Doch eins ist jetzt schon klar: Die EVP kann nicht auf seine Unterstützung hoffen, denn ihr gehört Orban an.
„Macron berührt den wunden Punkt der Reibereien und der Widersprüche in der EVP“, sagte Sébastien Maillard vom Pariser Jacques-Delors-Institut der Deutschen Presse-Agentur. Da die EVP eine wichtige Machtbasis für Merkel ist, sind Meinungsverschiedenheiten zwischen Berlin und Paris nicht ausgeschlossen.
POSTEN FÜR FRANKREICH: Falls der Topposten bei der EU-Kommission an einen Deutschen gehen sollte, bleibt die Frage, wie der große Partner Frankreich zum Zuge kommt. Mit Blick auf die Kandidatur von Weber schreibt die angesehene Tageszeitung „Le Monde“: „Ist das ein Ergebnis einer Aufteilung europäischer Posten zwischen Herrn Macron und der Kanzlerin? Die Präsidentschaft der Europäischen Zentralbank für Frankreich, die der Kommission für Deutschland?“
VERTEIDIGUNG: Macron pocht darauf, dass sich die Europäer bei ihrer Sicherheit nicht mehr alleine auf den großen Nato-Partner USA verlassen. Er will dazu die Architektur der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik grundlegend überprüfen. Damit liegt er grundsätzlich auf der Linie Merkels – sie hat allerdings das Problem, dass ihr Koalitionspartner SPD einer stärkeren Anhebung der Verteidigungsausgaben eher skeptisch gegenüber steht. (dpa/so)
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