Merkel übertrifft Erdogan: Kanzleramt-Umbau kostet mehr als der Palast vom türkischen Staatschef
Zwar ist das Bundeskanzleramt in Berlin bereits jetzt deutlich größer dimensioniert als zahlreiche andere Regierungssitze westlicher Länder – unter anderem als das Weiße Haus, die Downing Street oder der Elysée-Palast. Erst 2001 wurde es eröffnet. Dennoch hält man in Berlin bereits jetzt eine Erweiterung für erforderlich: Bis 2028 soll unter anderem die Nutzfläche von derzeit 25.347 auf etwa 50.000 Quadratmeter erweitert werden. Der Bund der Steuerzahler sieht das Projekt kritisch.
Kanzleramt in derzeitiger Form erst 20 Jahre alt
Derzeit umfasst der Komplex inklusive Hubschrauberlandeplatz und Kanzlerpark eine Gesamtfläche von etwa 73.000 Quadratmetern. Die Hauptnutzfläche liegt bei etwa 19.000 Quadratmetern. Wie die „Augsburger Allgemeine“ berichtet, hat der Bund der Steuerzahler die Kritik des Bundesrechnungshofes an den derzeitigen Erweiterungsplänen aufgegriffen.
Dessen Präsident Reiner Holznagel sprach gegenüber dem Blatt von einem „falschen Signal – vor allem in der Corona-Krise“ und bestritt, dass es sich bei der Erweiterung, die sich auf das gegenüberliegende Spreeufer erstrecken soll, lediglich um einen „funktionalen Zweckbau“ handeln werde, von dem in Berlin bis dato die Rede sei:
Weniger als 20 Jahre nach Eröffnung des Bundeskanzleramts in Berlin wird schon ein üppiger Erweiterungsbau geplant“, kritisiert er.
Zudem kritisiert Holznagel den Zweitsitz in Bonn, der Kosten verursache. Gegenüber der „Augsburger Allgemeinen“ forderte er eine Schließung dieses Standorts und die Verlegung der verbliebenen Mitarbeiter nach Berlin:
„Das Berlin/Bonn-Gesetz hat sich 30 Jahre nach der Wiedervereinigung überholt. Das Kanzleramt muss vorangehen und seinen Dienstsitz in Bonn auflösen.“
Bund der Steuerzahler zitiert Einschätzung des Bundesrechnungshofes
Bereits in der Vorwoche hatte der Bundesrechnungshof einem Bericht des „Tagesspiegels“ zufolge zu erwartende Kosten von 19.000 Euro pro Quadratmeter gerügt, die der geplante Erweiterungsbau für 395 Bedienstete nach sich ziehen werde.
Im Abschlussbericht, der nach Einholung von Stellungnahmen aus Bundesbauministerium und Bundeskanzleramt erstellt worden sei, hieß es, dass deutlich höhere Kosten als ursprünglich veranschlagt zu befürchten seien. Nach Auswertung aller Unterlagen habe man „weiterhin Zweifel, dass alle zu erwartenden Kosten bekannt sind“.
Gutachter, auf deren Einschätzungen sich der Rechnungshof beruft, gehen zudem von Gesamtkosten für die Erweiterung in Höhe von 601 Millionen Euro aus.
Ursprünglich, so der Bund der Steuerzahler, sei von 485 Millionen die Rede gewesen. Enthalten seien dabei auch geplante „neun fünfgeschossige Wintergärten“, die „keinen Mehrwert“ böten und sogar noch zu übermäßiger Aufheizung im Sommer beitrügen. Würde auf diese verzichtet, könnten mindestens 14 Millionen eingespart werden.
Erdogan baute größeren Palast – aber für weniger Geld
Auch der Nutzen eines weiteren Hubschrauberlandeplatzes, der zehn Millionen Euro kosten soll, will sich den Rechnungsprüfern nicht erschließen. Sie nennen den Planungsposten „sachlich nicht gerechtfertigt und konstruktiv äußerst aufwendig“. Nicht nur bezüglich der genannten Einzelelemente, sondern auch insgesamt empfehlen die Rechnungsprüfer, „erneut die Planung zu überarbeiten“.
Im Jahr 2014 wurde über die Grenzen der Türkei hinaus scharfe Kritik am damaligen türkischen Premierminister und späteren Präsidenten Recep Tayyip Erdogan geübt, weil dieser im Schnellverfahren einen neuen Präsidentenpalast errichten ließ, der Gegnern zufolge überdimensioniert sei und Landschafts- bzw. Naturschutzerwägungen außer Acht lasse.
Der „Weiße Palast“ des türkischen Staatspräsidenten ist mit einer Grundstücksfläche von 210.000 Quadratmetern und einer Gebäudefläche von etwa 40.000 Quadratmetern derzeit noch deutlich größer als das deutsche Bundeskanzleramt. Die Bausumme insgesamt betrug jedoch lediglich 491 Millionen Euro.
Bayernpartei fordert kompletten Planungsstopp
Einen vollständigen Stopp der Planungen fordert demgegenüber die Bayernpartei. Dort heißt es, im Falle tatsächlicher Raumknappheit würden preiswerte Zweckbauten ausreichen, um den Bedarf zu decken. In Zeiten einer Corona-bedingten Wirtschaftskrise mit Jobverlusten und Kurzarbeit signalisiere ein solches „Neu-Versailles“ lediglich Abgehobenheit.
Auf Facebook wird deren Landesvorsitzender Florian Weber mit den Worten zitiert:
2028 soll übrigens Einweihung sein. Wenn es so weitergeht, dann wird die Stimmung wie beim letzten großen Jahrestag der DDR sein. Drinnen wird noch einmal pompös gefeiert, während draußen die Republik schon massiv bröckelt.“
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