Merkel mahnt ehrliche EU-Coronapolitik-Bilanz an – Lob und Kritik nach letzter Regierungserklärung

Titelbild
Bundeskanzlerin Angela Merkel (L), der Kanzlerkandidat der Christlich Demokratischen Union (CDU) Armin Laschet und die Kanzlerkandidatur der Grünen (Die Grünen) Annalena Baerbock tragen Gesichtsmasken, während einer Sitzung im Bundestag vor einem EU-Gipfel am 24. Juni 2021 in Berlin.Foto: TOBIAS SCHWARZ / AFP über Getty Images
Epoch Times24. Juni 2021

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat eine ehrliche Bilanz von Unzulänglichkeiten beim Krisenmanagement der EU in der Corona-Pandemie angemahnt. Ziel müsse es sein, dass Europa künftig besser mit „Herausforderungen dieser Größenordnung“ umgehen kann, sagte Merkel am Donnerstag in ihrer Regierungserklärung im Bundestag. „Solange die Pandemie nicht überwunden ist, kann eine Debatte über Lehren aus der Krise nur ein erster Schritt eines längeren und tiefergehenden Prozesses sein“, sagte Merkel. Dieser Prozess sei aber nötig.

Die ersten Reaktionen auf die Corona-Pandemie seien auf Nationalstaatsebene erfolgt, erst danach habe es europäische Abstimmungen gegeben – etwa in Fragen von Grenzschließungen und Freizügigkeit, kritisierte Merkel. „Wir wissen heute, dass wir das besser können und es auch in Zukunft besser machen.“ Hier gehe es um eine „Stärkung der europäischen Handlungsfähigkeit“.

Merkel legte in ihrer Rede ein Bekenntnis zu Europa ab. „Ich bin überzeugt, dass wir nur zusammen als Staatengemeinschaft erfolgreich die Herausforderungen der Pandemie wie auch der anderen großen Aufgaben meistern können“, sagte sie. „Eine souveräne Europäische Union sollte hier ein starker Partner sein.“

Merkel unzufrieden mit fehlender einheitlichen Regelung zu Virusvarianten-Gebieten

Unzufrieden zeigte sich Merkel damit, dass es immer noch keine EU-weit einheitliche Regelung in der Frage gibt, wie mit Einreisenden aus Virusvarianten-Gebieten umgegangen wird. „Das muss besser werden“, sagte sie. Deshalb wolle sie das Thema auf dem EU-Gipfel am Nachmittag ansprechen.

Die EU benötige generell eine verbesserte Krisenvorsorge und Krisenreaktion im Bereich der öffentlichen Gesundheit, sagte die Kanzlerin. Deutschland unterstütze die „schrittweise Schaffung einer Gesundheitsunion“ und die Einrichtung einer neuen EU-Gesundheitsbehörde.

Merkel äußerte sich in einer Regierungserklärung im Bundestag – wahrscheinlich der letzten ihrer Amtszeit. Im Zentrum stand die Europapolitik.

Lob und Kritik nach Merkels letzter Regierungserklärung

Die Regierungserklärung der Bundeskanzlerin am Donnerstag war vermutlich ihre letzte Rede im Bundestag. Während Merkel sich ganz auf die Europa- und Coronapolitik konzentrierte,  nutzen die Redner anderer Fraktionen die Gelegenheit für eine kritische Würdigung ihrer politischen Arbeit. Während von der AfD deutliche Kritik zu hören war, kam wurde aus allen Fraktionen Anerkennung und zum Teil auch Lob geäußert.

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz:

„Das ist für mich ein besonderer Anlass, auch einmal eine Botschaft loszuwerden: Ich möchte mich bei der Bundeskanzlerin für die Zusammenarbeit in  der Europapolitik in den letzten vier Jahren bedanken. Wir haben viele Fortschritte für Europa erreicht. Das ist nicht selbstverständlich gewesen, und ich glaube, das ist gut für Deutschland und für Europa.“

FDP-Chef Christian Lindner:

„Eines kann man heute sagen: Sie haben in den vergangenen 16 Jahren ihre Kraft und ihre intellektuellen Gaben stets uneigennützig in den Dienst Deutschlands und Europas gestellt, und damit haben Sie sich große Verdienste erworben.“

Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock:

„Ich möchte an dieser Stelle sagen: Sehr viele Menschen in diesem Land sind dankbar dafür, dass Sie in Krisensituationen in den letzten 16 Jahren dieses Europa zusammengehalten haben – gerade auch gegen große Widerstände aus Ihrer eigenen Fraktion und vor allen Dingen von Ihrer Schwesterpartei.“

Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch:

„Sie haben sicherlich noch mehr schlaflose Nächte in Brüssel verbracht als mit den Ministerpräsidenten unseres Landes in der Corona-Krise. Mancher Vorwurf, der Ihnen gemacht worden ist, geht wirklich nicht auf Ihr Konto, und sie haben vielfach Schlimmeres verhindert. Aber ich glaube, das ist letztlich für die Ambitionen, die wir mit Europa haben sollten, zu wenig.“

AfD kritisiert fehlende Einsicht in die Fehlentscheidungen

AfD-Fraktionschefin Alice Weidel:

„Auch diese Regierungserklärung ist vorbei gegangen, wie alle anderen – ohne einen Funken Einsicht in die Fehlentscheidungen, die ihren Weg als Kanzlerin säumen. Fehlentscheidungen, die dieses Land tief gespalten und ihm schweren Schaden auf Jahre und Jahrzehnte hinaus zugefügt haben. Und sie wollen diesen Weg bis zum bitteren Ende fortsetzen.“

Der Lockdown in der Corona-Pandemie habe „keine messbaren Erfolge gebracht“, hingegen allerdings zu „gigantischen Kollateralschäden“ geführt.

Weidel warf Merkel vor, mit „Panikmache und apodiktischem [„keinen Widerspruch zulassend“] Schwarz-Weiß-Denken“ das Land gespalten zu haben.

„Die Begründungen für diese Politik fallen wie Dominosteine“, fügte Weidel hinzu. In der Migrationspolitik kritisierte die Fraktionschefin der AfD insbesondere das Abkommen mit der Türkei. „Der Schlüssel für die Eindämmung der illegalen Migration liegt nicht in Ankara, sondern in Berlin“, sagte Weidel.

Merkel will bei der Wahl im September nicht mehr kandidieren und scheidet dann aus dem Bundestag aus. Die laufende Woche ist die letzte reguläre Sitzungswoche des Bundestags vor der Wahl am 26. September. Anfang September wird das Parlament aber voraussichtlich noch einmal zu einer Sitzung zusammenkommen. (afp)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion