Meinungsfreiheit siegt – Gericht weist Klage der Antidiskriminierungsstelle ab

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat vor Gericht erneut gegen das Onlineportal „NiUS“ verloren. Die Behörde wollte dem Portal als polemisch empfundene Aussagen untersagen lassen. Das Kammergericht in Berlin machte zu diesem Ansinnen nun eine klare Ansage.
Ferda Ataman bei der Vorstellung des  Jahresberichts der Antidiskriminierungsstelle des Bundes.
Antidiskriminierungsbeauftragte Ferda Ataman wurde vom Berliner Kammergericht in die Schranken gewiesen.Foto: Jörg Carstensen/dpa
Von 27. Juli 2024

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat vor Gericht erneut gegen das Onlineportal „NiUS“ verloren. Die unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, hatte zuvor ein Verfahren gegen „NiUS“ um den ehemaligen Chefredakteur der Bild, Julian Reichelt, angestrengt und wollte ihm bestimmte Aussagen untersagen lassen. Das Landgericht Berlin hatte schon zuvor einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Nach einer Beschwerde der Antidiskriminierungsstelle bestätigte nun das Kammergericht diese Entscheidung.

Aufnahme in Fitnesscenter für Frauen abgelehnt 

Hintergrund der Beschwerde war ein Bericht von „NiUS“ über eine Transperson, die in Erlangen Mitglied in einem Frauen-Fitnessstudio werden wollte und von der Inhaberin abgelehnt wurde. Die Betreiberin begründete ihre Ablehnung damit, dass andere Frauen sich gestört fühlen könnten, da die Transperson trotz Hormonbehandlungen weiterhin männliche Geschlechtsmerkmale besitze. 

Außerdem, so die Inhaberin weiter, habe die Transperson einer anwesenden Mitarbeiterin keinen Ausweis vorgelegt. Die Betreiberin berief sich daraufhin auf ihr Hausrecht und lehnte die Aufnahme in das Fitnessstudio ab. Mehrere Kompromissversuche scheiterten im Nachgang.

Danach wendete sich die Transperson an die Antidiskriminierungsstelle (ADS) des Bundes. Die Behörde wandte sich dann mit einem Schreiben an die Erlanger Studiobetreiberin und bat um eine Stellungnahme. Weiter regte die Behörde um Ferda Ataman an, dass die Studiobetreiberin der Transperson 1.000 Euro zahlen solle, um die „erlittene Persönlichkeitsverletzung“ zu entschädigen. 

„NiUS“ greift Geschichte auf – ADS fordert Richtigstellung 

Das Portal „NiUS“ griff diese Geschichte auf und veröffentlichte am 30. Mai einen Beitrag mit der Überschrift: „Regierung will 1.000 Euro Bußgeld für Frauen-Fitnessstudio“. An diesem Beitrag störte sich das ADS und zog vor Gericht. Konkret störte sich die Bundesbehörde an den Begriffen „Regierung“ und „Bußgeld“. Weiter missfiel der Antidiskriminierungsstelle die Formulierung in dem Beitrag: „Frauen, die nicht mit Männern duschen wollen, sollen Strafe zahlen“. In allen drei Fällen forderte die Behörde eine Richtigstellung, verbunden mit Unterlassungsanträgen beim Landgericht. 

Die Antidiskriminierungsstelle hielt die ersten beiden Formulierungen von „NiUS“ für eine unzulässige Falschbehauptung, weil sie nicht Teil der „Regierung“ sei und auch kein „Bußgeld“ im juristischen Sinne gefordert habe. Bei der letzten Formulierung verwies die Behörde darauf, dass nicht die Frauen die 1.000 Euro zahlen sollen, sondern das Fitnessstudio. 

Meinungsfreiheit erlaubt nicht, Medien zu beschränken 

Das Landgericht in Berlin hatte schon bei der Zurückweisung der einstweiligen Verfügung darauf hingewiesen, dass die Antidiskriminierungsstelle des Bundes dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend eingegliedert sei. Damit sei die Formulierung „Regierung“ durchaus zulässig.

Beim Begriff „Bußgeld“ ließ das Kammergericht in Berlin genügen, dass im Artikel klargestellt wird, dass es juristisch um eine „Entschädigung“ ging. Wie das Kammergericht schreibt, habe „NiUS“ mit dem Begriff „Bußgeld“ etwas Unwahres in den Raum gestellt. Die Meinungsfreiheit erlaube es aber nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht, Medien auf das zur Kritik am Rechtsstaat Erforderliche zu beschränken. Nach diesem Maßstab müsse ein Medium Rechtsbegriffe wie „Bußgeld“ auch laienhaft verwenden dürfen, solange die Fakten im Kontext deutlich werden.

Bei der Aussage „Frauen, die nicht mit Männern duschen wollen, sollen Strafe zahlen“, spielen sowohl für das Landgericht als auch für das Kammergericht in Berlin die „jeweils skandalisierenden und auf den ersten Blick irreführenden Überschriften“ isoliert gesehen eine Rolle, die aber rechtlich nicht maßgeblich ist. Auch hier sei der weitere Kontext heranzuziehen. Der mache deutlich, dass nicht Nutzerinnen des Studios die Entschädigung zahlen sollen, sondern dass dies allein der Inhaberin des Fitnessstudios empfohlen werde.

Voraussetzungen nicht einmal ansatzweise erfüllt 

Das Kammergericht beschreibt weiter im Urteil die zentrale Bedingung, unter der der Staat die Unterlassung einer Meinungsäußerung verlangen kann: „Ein Ehrenschutz kann daher nur dann geltend gemacht werden, wenn die konkrete Äußerung geeignet ist, die juristische Person des öffentlichen Rechts schwerwiegend in ihrer Funktion zu beeinträchtigen“. Diese Bedingung sei „nicht einmal ansatzweise“ erfüllt; die angegriffenen Äußerungen seien „ersichtlich in keiner Weise geeignet, die Funktionsfähigkeit der Bundesregierung schwerwiegend zu beeinträchtigen“.

Zusammengefasst scheiterte die ADS mit ihrem Antrag gegen „NiUS“, weil die Gerichte erstens zwar auf den ersten Blick irreführende Aussagen in den „NiUS“-Artikeln erkannten, diese aber aufgrund des klarstellenden Kontextes als zulässige Meinungsäußerung einordneten, und zweitens weil auch die besondere Bedingung für einen Anspruch des Staates auf Unterlassung einer Meinungsäußerung – nämlich die „Beeinträchtigung der Funktionsweise des Staates“ – nicht einmal ansatzweise erfüllt sei.

Machtkritik wichtig für freiheitlichen Staat 

Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Ferda Ataman, möchte aber bisher nicht aufgeben. Die ADS sei weiterhin von ihrer Rechtsposition überzeugt, sagte Ataman gegenüber „t-online“. Man werde die Entscheidung prüfen. Die Kosten des Verfahrens gehen zulasten der Staatskasse. Der Gebührenstreitwert war auf 30.000 Euro festgelegt worden.

Der Anwalt des Portals „NiUS“, Joachim Steinhöfel, begrüßt den Sieg gegen die Regierungsbehörde. „Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und Machtkritik sind konstituierend für den freiheitlichen Staat. Auch scharfe Kritik muss ohne Furcht vor staatlicher Verfolgung möglich sein. Aber bei dieser Regierung gilt das nicht“, sagte Steinhöfel der „Welt“



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