Meilenstein der Verkehrswende? Heftige Debatte um StVO-Bußgeldkatalog
Die am morgigen Dienstag (28.4.) in Kraft tretenden Änderungen der Straßenverkehrsordnung (StVO) inklusive des neuen Bußgeldkatalogs stoßen zunehmend auf Kritik. Aus dem ADAC kommt ebenso Unverständnis über die damit verbundenen Sanktionsverschärfungen wie aus FDP, AfD und zahlreichen Nutzern sozialer Medien.
Verkehrsminister Andreas Scheuer erklärte gegenüber der „Bild“-Zeitung, mit der morgen in Kraft tretenden Novelle zur Straßenverkehrsordnung „machen wir unsere Mobilität sicherer, klimafreundlicher und gerechter“. Die neuen Regeln stärkten „insbesondere die schwächeren Verkehrsteilnehmer“. Kritiker hingegen sprechen von „Abzocke“ oder – wie der „Verein Mobil in Deutschland“ gar von einer „Führerschein-Vernichtungsmaschine“.
FDP-Luksic: „Praxisfern und überzogen“
Künftig drohen bereits für bislang als eher geringfügig angesehene Verstöße gegen die StVO erhebliche Sanktionen. Nicht nur Bußgelder werden bereits bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung ab 16 km/h im Ortsgebiet deutlich erhöht, zudem gibt es bereits für Vergehen in dieser Größenordnung einen Punkt in Flensburg und ab einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 26 Stundenkilometern sogar einen Monat Fahrverbot.
Dabei wird nicht danach unterschieden, ob diese in einer Wohnstraße bzw. vor einer Schule oder aber wenige Meter vor dem Ortsschild an einer kaum frequentierten Ausfahrtsstraße stattfindet. Auch auf Freilandstrecken werden die Strafandrohungen deutlich ausgebaut, dazu kommen auch Erhöhungen für Falschparken oder Auto-Posing.
FDP-Verkehrsexperte Oliver Luksic erklärt gegenüber n-tv, dem neuen Bußgeldkatalog fehle es „teilweise an Maß und Mitte“. So werde Falschparken auf einem Parkplatz für Elektroautos mit der gleichen Strafandrohung bedacht wie das auf einem Parkplatz für Schwerbehinderte. Dass es auch bei Geschwindigkeitsüberschreitungen von 26 km/h außerhalb des Ortsgebiets automatisch ein Fahrverbot geben werde, sei „praxisfern und überzogen“.
AfD: Bußgeldkatalog ist „weiterer Ausdruck der Verachtung des Normalbürgers“
Auch ADAC-Verkehrspräsident Gerhard Hillebrand vermisst ausreichende Ermessensspielräume:
Autofahrer müssen wissen: Geschwindigkeitsverstöße werden sowohl innerorts als auch außerorts deutlich früher mit Fahrverbot belegt – unabhängig von der Gefährdungssituation und ohne ausreichende Differenzierung.“
Der Kreisvorsitzende der AfD Magdeburg, Ronny Kumpf, schreibt auf Facebook: „Ideologie und Geldnot, weniger durch die Corona-Krise verursacht als durch vorherige Verschwendung, stehen dem neuen Bußgeld-Katalog Pate. Er ist ein weiterer Ausdruck der Verachtung des Normalbürgers durch die abgehobene Politikerkaste, die weiter auf der linken Spur fährt.“
Lob kommt hingegen von den Grünen, die über ihren Einfluss im Bundesrat sogar noch einige Verschärfungen gegenüber der ursprünglichen Vorlage durchsetzen konnten. Grünen-Verkehrsexperte Stefan Gelbhaar begrüßte die Aufstockung der Bußgelder, nannte sie aber „an vielen Stellen schlampig und unvollständig“. Zudem hätte er sich „Erleichterungen bei der Einführung von Tempo 30 in Innenstädten“ gewünscht – und Zonen, in die nur LKW mit Abbiegeassistent einfahren dürften.
Böse Autofahrer, arme Radler?
Die geänderte Straßenverkehrsordnung soll, so heißt es aus der Politik, vor allem dafür sorgen, dass Radfahrer sicherer durch die Stadt kommen.
Auf Twitter sorgt die Novelle unterdessen für heftige Reaktionen. Kritiker werfen der Politik vor, die Corona-Krise als willkommene Ablenkung zu betrachten, um den Bürgern unbemerkt Belastungen unterzujubeln. Ein Nutzer mit der Account-Bezeichnung „hierkannihrewerbungstehen“ schreibt: „Der Scheuer soll mal lieber das Geld zurückzahlen, dass er verplempert hat. Schnell mal in Coronazeiten noch ne feine Änderung für die Bürger. Kann sich ja gerade keiner beschweren. #abzocke“
Etwas einfacher sehen hingegen Befürworter der Neuregelung die Sache, die man vor allem unter Radfahrern und deren Verbänden findet. „Per Bike Berlin“ meint, Gesetze wären nur für Personen problematisch, die dagegen verstießen: „Das Jammern ist wieder groß, der @ADAC spricht von Abzocke, aber wer sich an die Regeln hält, hat nichts zu befürchten.“
StVO-Novelle als Teilaspekt der „Verkehrswende“
Verkehrsstatistiken attestieren jedoch auch Radfahrern, sich häufig nicht an die Regeln zu halten. Die Erhebung des Statistischen Bundesamtes über Unfälle von Männern und Frauen im Straßenverkehr weist etwa für das Jahr 2017 insgesamt 37.427 Fälle aus, in denen Radfahrer an Unfällen mit Personenschaden als Hauptverursacher in Erscheinung getreten waren. Das sind fast doppelt so viele wie bei Lenkern von Güterkraftfahrzeugen (18.988).
Jonas Paul aus Aachen mahnt, das große Ganze hinter der Novelle zu sehen und nicht nur Details wie Bußgelder oder Fahrverbote. Vielmehr sei die Novelle ein wichtiger Schritt zur „Verkehrs- und Mobilitätswende“, schreibt er auf Twitter:
„Menschen, die die Novelle der #StVO auf einen Bußgeldkatalog und ‚Abzocke‘ herunterbrechen, sagen damit in erster Linie etwas über sich selbst aus und nicht über die Qualität der #StVONovelle. #verkehrswende #mobilitätswende“
(Mit Material von dpa)
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