Mehrere Politiker verstoßen gegen Corona-Auflagen – Kretschmer von Bürger angezeigt
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hat am Samstag in Dresden mit Corona-Demonstranten gesprochen. Dabei verteidigte er die strikten Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie. „Viele Entscheidungen, die wir getroffen haben, im Einzelhandel, bei den Kindergärten, waren bitter, ich habe manche Nacht nicht schlafen können“, erklärte Kretschmer gegenüber den Corona-Demonstranten im Dresdner Stadtpark „Tiergarten“.
Und führt weiter aus: „Aber ich wollte nicht die Verantwortung dafür tragen müssen, dass wir in eine ähnliche Situation wie in Italien kommen. Jetzt wissen wir mehr, jetzt ist mehr möglich.“ Letztlich sei er erleichtert, dass es „hier keine großen Lkw-Kolonnen mit Toten wie in Bergamo“ gegeben habe, äußerte Kretschmer gegenüber der Demonstranten. Zu Beginn der Corona-Krise sei nicht genau klar gewesen, wie sich das Virus übertrage.
Ministerpräsident geht nicht auf Beschimpfungen ein
Auf Twitter warb der sächsische Regierungschef für eine vernünftige Diskussionskultur: „Wir können über alles reden und auch Dinge nachbessern.“
Mir ist es wichtig die Meinungen, Argumente & Sorgen der Menschen zu hören. Wir können über alles reden & auch Dinge nachbessern. Dafür braucht es eine vernünftige #Diskussionskultur & dann schaffen wir es auch gemeinsam durch diese Krise. (SK) #unterwegsfürsachsen #Sachsen pic.twitter.com/wBIIN0LkxU
— Michael Kretschmer (@MPKretschmer) May 16, 2020
Während der Gespräche mit den Corona-Demonstranten beschimpften ihn einige Passanten („Du bist doch der blödeste Hammel, den Sachsen je gesehen hat!“, „Verpiss dich!“). Kretschmer ließ sich von den Beleidigungen nicht irritieren und blieb im Gespräch mit den teilweise aufgebrachten Bürgern.
Im Gespräch trug der Ministerpräsident keinen Mund-Nasen-Schutz. Die Maske hing am Lenker seines Fahrrades, das er während den Gesprächen bei sich führte. Auch wurde mehrfach durch ihn, wie die Aufnahmen zeigen, der Mindestabstand von 1,50 Meter unterschritten.
#Kretschmer, verpiss Dich!“, „#Corona – die Jahrhundertlüge“ – im Großen Garten Dresden suchte Sachsens Ministerpräsident heute das Gespräch mit Coronaleugnern und wurde übelst beschimpft. Was er überhaupt in diesem Pegida-Umfeld vorhatte, bleibt rätselhaft (via @Pixel_Roulette) pic.twitter.com/6Qckn8p2rK
— Matthias Meisner (@MatthiasMeisner) May 16, 2020
Bürger zeigt Ministerpräsident wegen Verstoßes gegen Corona-Auflagen an
Wie der „Spiegel“ unter Berufung auf die Dresdner Polizei berichtet, wurde eine Anzeige gegen den Ministerpräsidenten an den Staatsschutz übergeben. Entsprechend den aktuellen Auflagen der sächsischen Corona-Schutzverordnung müssen Versammlungsteilnehmer einen Mindestabstand von 1,5 Meter zueinander einhalten und eine Mund-Nasen-Bedeckung tragen.
In der „Bild“-Zeitung ging Kretschmer auf die Kritik gegenüber seiner Missachtung der Corona-Auflagen ein. Er verstehe die Kritik absolut und hätte seine Maske immer dabei.
Ich habe dann überlegt, was ich mache, und entschieden, dass ich sie jetzt mal nicht aufsetze. Wenn man mit Menschen sprechen will, die die Maske grundsätzlich ablehnen, gibt es nur zwei Möglichkeiten: Man trägt selbst keine – oder es gibt kein Gespräch“, erklärte der sächsische Ministerpräsident.
Zudem äußerte der CDU-Politiker: Wenn jeder, der eine kritische Frage stelle, sofort als „Aluhutträger“ beschimpft und in eine politische Ecke gestellt würde, nehme das kein gutes Ende. Am Samstag demonstrierten nach seiner Wahrnehmung vor allem Leute, die die Maskenpflicht als einschneidenden Eingriff ablehnen. „Es ist legitim, darüber zu diskutieren“, so Kretschmer.
Auch FDP-Chef Lindner und Regierungschef Ramelow verstoßen gegen Corona-Auflagen
Indes ist Ministerpräsident Kretschmer nicht der einzige Politiker, der gegen die Corona-Auflagen verstoßen hat. So berichtete der „Spiegel“ über ein Foto von FDP-Chef Christian Lindner, das vor einem bekannten Berliner Promi-Lokal aufgenommen wurde. Auf dem Bild ist zu sehen, wie Lindner in Begleitung seiner Lebensgefährtin einen bekannten Leipziger Unternehmer zum Abschied umarmt. Dabei hing ihm seine Mund-Nasen-Maske unter dem Kinn. Auch der 1,50 Meter Abstand wurde nicht eingehalten.
Ich finde es bemerkenswert professionell wie #Lindner seine indirekte Unterstützung für #Kemmerich & Aluhut-Fraktion signalisiert – mit der bestmöglichen Distanz und dem professionellen Tragen des Mund-Nasenschutzes. Klartext: Ins Borchardt gehen Leute, um gesehen zu werden. pic.twitter.com/24wsDpRp4m
— Julia Probst (@EinAugenschmaus) May 18, 2020
„Das war kein Vorsatz, sondern Unkonzentriertheit“, sagte Lindner. „Am Ende bleibt man Mensch.“ Bei dem Umarmten handelt es sich dem „Spiegel“ zufolge um den Immobilienunternehmer Steffen Göpel, der auch Honorarkonsul von Weißrussland ist. Lindner und Göpel kennen sich demnach schon seit Jahren. Der FDP-Chef nimmt demnach auch an den jährlichen Gala des Unternehmers für Kinder teil.
Bekannt wurde auch, dass der thüringische Regierungschef Bodo Ramelow (Linke) gegen die Corona-Abstandsregel verstoßen hatte. Er selbst gab gegenüber der Wochenzeitung „Die Zeit“ vor Kurzem zu, dass er an der Beerdigung seiner Nachbarin teilgenommen hatte. „Eigentlich hätte ich nicht bei ihrer Beerdigung dabei sein dürfen. Doch ich hatte das Gefühl, es zu müssen, wenn auch mit großem Abstand. Alles andere wäre mir unmenschlich vorgekommen. Schließlich habe ich gegen die Verordnung verstoßen, die ich selbst zu verantworten habe“, äußerte er gegenüber der Zeitung.
Corona-Maßnahmen-Proteste in mehreren deutschen Großstädten
Unterdessen haben am Wochenende in mehreren deutschen Großstädten Tausende Menschen gegen die von der Politik verhängten Corona-Maßnahmen demonstriert. Die Polizei ist nach der Häufung von Verstößen bei den Protesten schärfer gegen die Demonstranten vorgegangen.
In Stuttgart verhängte die Polizei alleine wegen Verstößen gegen die Maskenpflicht Bußgelder von rund 20.000 Euro, in München erteilte die Polizei 600 Platzverweise.
Auch in Berlin, Frankfurt, Nürnberg, Leipzig, Bremen und anderen Städten fanden Demos statt. Die Polizei in Nürnberg meldete mehrere Veranstaltungen, die bis zum Nachmittag störungsfrei verlaufen seien. In Halle wurde verschiedenen Medienberichten zufolge ein ZDF-Team verbal attackiert, die Polizei habe eine Eskalation verhindert.
(Mit Material von afp)
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