Mehr Migration aus Subsahara-Afrika möglich – „über Abschottung hinaus nur bedingt steuerbar“

Das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung hat jüngst eine neue Studie über globale Trends im Bereich der Migration präsentiert. Während Einwanderung aus Nordafrika und dem Nahen Osten im Fall politischer Stabilisierung deutlich zurückgehen werde, werde die EU für Wanderungswillige aus Subsahara-Afrika zunehmend zum Wunschziel. 
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Bahnschienen bei Ouagadougou, Hauptstadt von Burkina Faso.Foto: istock
Von 8. Juli 2019

Zuletzt war die Anzahl der Asylbewerber aus afrikanischen Staaten südlich der Sahara leicht rückläufig. Dieser Trend könnte sich jedoch schon bald wieder umkehren, meint der Chef des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung, Reiner Klingholz, der am Mittwoch (3.7.) in Berlin dessen jüngste Studie unter dem Titel „Europa als Ziel? Die Zukunft der globalen Migration“ vorstellte.

Die Studie ist Teil des Projekts „Zuwanderer von morgen“, das durch die Stiftung Mercator gefördert wird. Besonders hoch sei der Anteil der Menschen mit Migrationswunsch in Subsahara-Afrika und Lateinamerika, niedrig dagegen in Ost- und Südostasien.

Vorwiegend junge Erwachsene machen sich auf den Weg

Insgesamt trägt sich weltweit jeder zehnte Mensch mit dem Gedanken, seine Heimat zu verlassen. Allerdings setzen nicht einmal fünf Prozent davon diesen tatsächlich in die Tat um, da in den meisten Fällen die finanziellen Mittel fehlen. Es seien nicht die Armen, die sich auf den Weg machten, macht Klingholz deutlich. Vor allem afrikanische Migranten, für die Europa ein Wunschziel bei der Auswanderung darstellt, würden in ihren Ländern zum Mittel- oder Oberschicht gehören.

Die Aussicht, dass dies in Europa nicht mehr der Fall sein könnte, schreckt sie nicht ab. Immerhin liegt das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Subsahara-Afrika bei 3500 US-Dollar. In der EU beträgt es mit 37 200 US-Dollar mehr als das Zehnfache davon. Die meisten Menschen, die sich tatsächlich auf den Weg machen, sind junge Erwachsene, denn der große Jugendüberhang in den betroffenen Staaten mache sich auf den regionalen Arbeitsmärkten bemerkbar. 

Dass die Wanderungsbewegungen insbesondere aus Subsahara-Afrika in Richtung EU zunehmen würden, lasse sich aus einer Vielzahl an Indikatoren schließen. Insbesondere sei die wirtschaftliche Entwicklung zwar positiv genug, um die Zahl der Menschen zu erhöhen, die über die wirtschaftlichen Mittel verfügen, um zu migrieren. Andererseits sei sie aber nicht nachhaltig genug, um Menschen eine dauerhafte Perspektive in ihren eigenen Ländern zu ermöglichen.

Dies unterscheide Subsahara-Afrika beispielsweise von Nordafrika und dem Nahen Osten. Dort hätten bereits viele Länder „eine günstige Altersstruktur und einen gestiegenen Bildungsstand“. Diese Faktoren könnten einen nachhaltigen wirtschaftlichen Aufschwung und damit einen Rückgang des Migrationsdrucks bewirken. Allerdings seien politische Konflikte und Kriege dort immer noch ein potenzieller Störfaktor für eine positive Entwicklung.

Großteil bleibt in Afrika

Politische Instabilität, niedriger Bildungsstandard oder Naturkatastrophen könnten den Wanderungsdruck zusätzlich erhöhen, ist Klingholz überzeugt. Immerhin würde der Großteil der Migrationswilligen in Afrika bleiben und nicht die EU anvisieren, betont die Mitautorin der Studie und Afrika-Expertin Alisa Kaps. Allerdings könnten Verteilungskonflikte in den Zielgebieten weitere Wanderungsbewegungen entfachen. Zudem gibt es auch kaum realistische Möglichkeiten, die Wanderung von Europa aus zu kontrollieren – außer die Grenzen zu schließen. Ein Fazit der Studie lautet:

Über Abschottung hinaus sind die heute dominierenden Migrationsbewegungen aus Afrika somit nur bedingt steuerbar.“

Eine Ausweitung regulärer Migrationswege, wie etwa das jüngst auf den Weg gebrachte deutsche Fachkräfteeinwanderungsgesetz sie zu schaffen sucht, biete hingegen „kein ausreichendes Ventil“, um illegale Einwanderung zu drosseln.

Weltweit ist die Zahl der Menschen auf Wanderschaft, so fanden die Forscher heraus, zuletzt stärker angestiegen als die der Bevölkerung insgesamt. Im Jahr 2017 habe dies insgesamt 258 Millionen Menschen betroffen, davon waren 164 Millionen Menschen als Arbeitssuchende migriert. Hauptziele waren dabei die USA, Saudi-Arabien und die Russische Föderation.

Philippinische Fachkräfte wären EU-tauglich – wollen aber nicht dorthin

Die EU bleibt lediglich für Menschen aus dem Nahen Osten und Nordafrika das Wunschziel – und perspektivisch für solche aus Subsahara-Afrika. Wanderungswillige aus Lateinamerika und der Karibik bevorzugen weiter Nordamerika – mit Ausnahme von Venezuela, das auch einige Bürger auf der Flucht vor Diktatur und Armut in Richtung EU verließen. Perspektivisch werde auch die Volksrepublik China in den Wettbewerb um die qualifiziertesten Einwanderer eintreten, meint Klingholz – überaltert und ausgezehrt von den Folgen einer wahnwitzigen Politik staatlich erzwungener Geburtenkontrolle fehlt auch dort der Fachkräfte-Nachwuchs.

Was die Ausbildungsvoraussetzungen anbelangt, seien insbesondere die Auswanderungswilligen von den Philippinen so gut ausgebildet, dass sie auch in Europa problemlos Fuß fassen könnten. Allerdings ziehe es diese nicht vorrangig dorthin. Die Alterung der Gesellschaft und der Rückgang des Arbeitskräftepotenzials, so Klingholz, schaffe einen wachsenden Wettbewerb um die qualifizierte Einwanderung, bezüglich derer allerdings erfahrene Einwanderungsgesellschaften wie die USA, Kanada oder Australien besser aufgestellt wären.

„Internationale Anwerbeplattformen“ und eine klare Politik, die genau erkläre, welche Kräfte gebraucht würden, könnte die Position der EU verbessern. Eine sichere Prognose wollen die Forscher des Berlin-Instituts allerdings nicht abgeben. Die Daten für die jüngste Untersuchung habe man aus einer Vielzahl von Studien und statistischen Erhebungen zusammengetragen. Daraus habe man „subjektive Einschätzungen“ gewonnen.



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