Mehr Freiheit bei Altersvorsorge: Lindners Depotkonzept will Riester-Probleme lösen

Die Bundesregierung plant eine Reform der privaten Altersvorsorge, angeführt von Finanzminister Christian Lindner. Diese soll den Arbeitnehmern ermöglichen, über ein staatlich gefördertes Depot in Aktien und ETFs zu investieren. Die Initiative zielt darauf ab, die Probleme der Riester-Rente zu überwinden und wird von der Finanzbranche unterstützt. Kritik kommt von Verbraucherschützern und Sozialverbänden.
Finanzminister Lindner erläutert den Haushaltsentwurf für 2025. (Archivbild)
Bundesfinanzminister Christian Lindner möchte die private Altersvorsorge reformieren.Foto: Michael Kappeler/dpa
Von 8. Oktober 2024

Die Bundesregierung möchte die private Altersvorsorge grundlegend reformieren. Ziel ist es, Arbeitnehmern die Möglichkeit zu geben, ein staatlich gefördertes Depot zu nutzen, um in Aktien, Fonds und börsengehandelte Indexfonds (ETFs) zu investieren. Damit, so die Idee, die vor allem in der Vergangenheit Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) vorangetrieben hatte, sollen Erwerbstätige für die Rente vorsorgen können.

Vor wenigen Tagen wurde ein entsprechender Referentenentwurf aus dem Ministerium Lindners an die anderen Ressorts verschickt. Ziel des Entwurfs sei:

ein kostengünstiges, einfaches, transparentes und gut erklärbares Angebot an neuen privaten Altersvorsorgeprodukten zu unterbreiten, das eine breite Bevölkerungsschicht anspricht, zur Sicherung ihres Lebensstandards im Alter.”

Lindner hatte über die Idee eines „Altersvorsorgedepots“ schon vor über zehn Wochen in einem Post auf dem sozialen Netzwerk „Instagram“ gesprochen. Er sagte damals über seinen Vorstoß:

Mehr Wahlfreiheit und neue Chancen durch den Kapitalmarkt – das ist unser Ziel für eine Stärkung der privaten Altersversorgung. Was Schweden und die USA bereits vormachen, wird deshalb auch in Deutschland bald Wirklichkeit: Wir bringen das Altersvorsorgedepot auf den Weg. Mit Hilfe staatlicher Förderung mit Aktien für die Rente sparen – ein Meilenstein!”

 

 

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Hintergrund der nun geplanten Reform dürfte sein, dass die im Rahmen der Rentenreform 2001 eingeführte private Riester-Rente schon seit Längerem ein Akzeptanzproblem hat. Die Gründe dafür sind laut dem Bundesverband der Verbraucherzentralen sehr unterschiedlich.

Riester-Rente für viele Menschen ein „Reinfall“

Viele Riester-Verträge seien teuer, unflexibel und werfen nur wenig Rendite ab. Sandra Klug arbeitet bei der Verbraucherzentrale Hamburg und leitet dort die Abteilung Geldanlage, Altersvorsorge, Versicherungen. In einem Interview mit der „Berliner Morgenpost“ sagt die Expertin, dass die Riester-Rente für viele Versicherten ein „Reinfall“ sei. 

In ihrer Beratungspraxis erlebe Klug häufig, dass die Menschen mit Riester am Ende zwischen 40 und 50 Euro mehr an Rente im Monat hätten:

Tatsächlich treffen wir hier häufig auf enttäuschte Menschen, die dachten, 20 Jahre lang etwas für ihre Altersversorgung getan zu haben, und dann gerade mal einen Betrag erhalten, der kaum ausreicht, um einmal im Monat essen zu gehen.“

Das sei für die Versicherten „total frustrierend“ und für „die Rente auch nichts”. Mit Blick auf die Zahlen müsse man sagen: „Riester ist gescheitert!“

Im Referentenentwurf schreibt das Finanzministerium, dass die Zahl der Riester-Verträge nach der Einführung anfangs stark gestiegen seien. Seit Jahren stagnierten sie indessen bei knapp 16 Millionen. Zuletzt seien sie sogar noch leicht gesunken.

„Gründe für diese Entwicklung liegen in der langen Niedrigzinsphase, aber auch in kostentreibenden und renditemindernden Vorgaben“, heißt es im Gesetzentwurf. Schon seit Jahren bemängeln Verbraucherschützer im Hinblick auf die Riester-Rente die hohen Vertriebs- und Verwaltungskosten und eine unübersichtliche Produktvielfalt. Deshalb sei eine grundlegende Reform erforderlich, heißt es im Gesetzentwurf.

Investitionen in Aktien staatlich bezuschusst

An den drei Grundsäulen der Altersvorsorge, bestehend aus der gesetzlichen Rente sowie betrieblicher und privater Altersvorsorge, soll nicht gerüttelt werden. Das betont auch noch einmal der Gesetzentwurf. Im Wesentlichen gießt der Referentenentwurf in Gesetzesform, was die sogenannte Fokusgruppe private Altersvorsorge, die gegründet wurde, um Reformvorschläge für die private Altersvorsorge vorzulegen, in ihrem Abschlussbericht im Sommer letzten Jahres vorgelegt hatte.

Zukünftig, so der Entwurf des Finanzministeriums, soll der Staat 20 Prozent zuschießen, wenn jemand Geld in Aktien investiert. Maximal werden 3.000 Euro bezuschusst. Das bedeutet: Der Staat würde höchstens noch einmal 600 Euro Staatsgeld auf die private Aktieninvestition legen. Ab 2030 sollen die Beiträge dann noch einmal auf 3.500 Euro beziehungsweise 700 Euro steigen. 

Wer Kinder hat, kann zusätzlich Geld anlegen und sich dafür einen Zuschuss von 25 Prozent sichern. Diese staatliche Förderung ist allerdings bei 300 Euro Zuschuss gedeckelt. Das heißt, der Eigenbeitrag würde bis maximal 1.200 Euro staatlich gefördert werden. Grundsätzlich gibt es die Förderung, unabhängig davon, ob mit oder ohne Kinderbonus, ab einer Einzahlung von 120 Euro pro Jahr, also 10 Euro im Monat. 

Die Erträge aus dem Depot sollen nicht versteuert werden. „So kann der Zinseszins-Effekt über Jahrzehnte voll wirken“, begründete Lindner diesen Schritt in einem Interview mit der „Rheinischen Post“. Erst bei der Auszahlung der Rente soll, genau wie bei der gesetzlichen Rente, die Steuer anfallen. 

Da der Kapitalmarkt allerdings extrem unübersichtlich ist, soll es eine Vergleichsplattform geben, in der die vom Staat geförderten Varianten aufgelistet und auch die jeweiligen Risiken aufgezeigt sind. 

Wem allerdings Aktiengeschäfte zu riskant erscheinen und der daher nicht in solche Geschäfte investieren möchte, soll auch in Zukunft weiter bei der privaten Altersvorsorge staatlich gefördert werden, betont der Referentenentwurf. So soll es Garantieprodukte geben, bei denen das Geld entweder zu 80 oder zu 100 Prozent abgesichert ist. Selbstverständlich sind in so einem Fall die Renditechancen geringer. 

Lindner spricht von einer Million Euro in der Rente

An die neuen Möglichkeiten der geförderten privaten Altersvorsorge hat der Finanzminister hohe Erwartungen. Im Interview mit der „Rheinischen Post“ sagt er:

Experten haben errechnet, dass man nach 40 Jahren sogar Millionär sein kann, wenn man 250 Euro im Monat spart und damit die staatliche Förderung voll ausnutzt.“

Was Lindner im Interview sagt, ist ambitioniert: Um eine Million Euro über die geförderten Fonds, Aktien und ETFs zu sparen, müsste man bereits mit 20 Jahren beginnen und monatlich 250 Euro in einen zertifizierten ETF-Sparplan einzahlen. Das hat zumindest das „Handelsblatt“ (hinter einer Bezahlschranke) errechnet. 

Für die junge Generation würde sich das Altersvorsorgedepot ganz klar lohnen. Sie profitieren von den Plänen immens, wenn sie früh in ihre Altersvorsorge investieren. Der lange Anlagehorizont ist ein entscheidender Vorteil, von dem junge Menschen am meisten profitieren, da sie flexibler agieren können als mit traditionellen, manchmal nachteiligen Rentenversicherungen. Hinzu kommt ein spezieller Berufseinsteigerbonus für junge Erwachsene unter 25 Jahren, und statt einer Garantie winkt die Aussicht auf eine attraktive Rendite durch die Aktienrente.

Allerdings ist das Altersvorsorgedepot nicht zwangsläufig für jeden das Richtige. Es gibt nach wie vor Personen, die maximale Sicherheit bevorzugen, auch wenn diese wenig oder gar keine Rendite abwirft. Letztlich muss jeder selbst entscheiden, was für seine Altersvorsorge am besten geeignet ist.

Die wesentlichen Teile der geplanten Reform sollen laut Angaben des Finanzministeriums ab Januar 2026 gelten. Dann können die neuen Verträge abgeschlossen und bespart werden.

Paradigmenwechsel in privater Altersvorsorge

Zustimmung zu den Plänen von Lindner kommt vom deutschen Fondsverband BVI. „Das ist ein großer Wurf und bedeutet einen Paradigmenwechsel in der privaten Altersvorsorge“, sagt BVI-Hauptgeschäftsführer Thomas Richter in einer Pressemitteilung. Und weiter: 

Das bisherige, weltweit längst überholte Mantra, dass Altersvorsorge eine 100 Prozent Beitragsgarantie und eine Leibrente umfassen muss, gilt nicht mehr. Das ist revolutionär und macht die Altersvorsorge für die Sparer attraktiv, weil sie renditestärker anlegen können.“

Kritik hingegen kommt vom Sozialverband Deutschland (SoVD). SoVD-Chefin Michaela Engelmeier sagte der Deutschen Presse-Agentur:

Wir bezweifeln, dass der Aktienmarkt der richtige Weg ist, da vor allem Geringverdiener nichts zum Anlegen übrighaben.“

Außerdem werde bei Lindners Vorschlag die Arbeitgeberseite – anders als bei der gesetzlichen Rente – nicht in die Verantwortung genommen. Die staatliche Förderung müsse vielmehr der gesetzlichen Rente zugutekommen.

Entwurf kein „Gamechanger“

Beim Bund der Versicherten (BdV) stoßen die Lindner-Pläne auf ein geteiltes Echo. Ein Punkt bleibe, so die Verbraucherschützer, auch bei der geplanten Reform ungelöst: „Viele Bürgerinnen und Bürger sind weiterhin verloren bei der Frage, welches Altersvorsorgeprodukt und welche Form des Ansparens sie wählen sollen“, sagt BdV-Vorstand Stephen Rehmke. Der Interessenverein veröffentlichte neben einer Stellungnahme zu dem Reformvorhaben ein Positionspapier mit ersten Anmerkungen.

Der Entwurf zur Altersvorsorge bietet laut BdV aber auch Verbesserungen. Laut dem Verband sind das vor allem die Vereinfachungen durch beitragsorientierte Zulagen und mehr Wahlfreiheit sowie die Förderung eines selbstorganisierten Altersvorsorgedepots und die Abkehr von Garantien und der Verrentungspflicht.

Der BdV hatte im Vorfeld eine öffentlich-rechtliche Depotlösung favorisiert, die auch weniger versierten Anlegern zugutekommen würde. Mit der jetzt vorgesehenen Lösung „werden hauptsächlich diejenigen profitieren, die gut informiert sind und die Herausforderungen finanzieller Eigenvorsorge selbstständig meistern können“, so Rehmke. „Ein öffentlich organisiertes Standardprodukt hätte auch denen geholfen, für die Geldfragen und Altersvorsorge ein echter Angang sind. Wo finden sie Orientierung und Rat?“, fragt Rehmke. 

Zudem wird bemängelt, dass viele Verbraucher zu teuren und unflexiblen Lebens- oder Rentenversicherungen neigen, oft durch provisionsgetriebene Beratung von Versicherungsvermittlern und Banken. Die Wichtigkeit von Kostentransparenz und die Fähigkeit, Chancen und Risiken verschiedener Anlageformen zu vergleichen, wird unterstrichen, wobei der aktuelle Gesetzesvorschlag in diesen Aspekten als nicht ausreichend betrachtet wird. „Ein echter Gamechanger ist der Entwurf nicht“, so Rehmkes Fazit. 



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