Mehr Ermittlungen gegen Polizisten als bisher bekannt
Ein mutmaßlicher Rechtsextremismus soll in der Polizei weiter verbreitet sein als wohl angenommen. Das berichtet die „Welt am Sonntag“ unter Berufung auf eine Umfrage unter allen Justiz- und Innenministerien von Bund und Ländern. Demnach wird aktuell gegen mindestens 272 Polizeiangehörige im Zusammenhang mit mutmaßlichen Rechtsextremismus ermittelt.
Dabei handelt es sich sowohl um strafrechtliche als auch um disziplinarrechtliche Verfahren, die noch laufen. Laut Bundesinnenministerium laufen derzeit gegen 36 Beamte von Bundespolizei und Bundeskriminalamt disziplinarrechtliche Ermittlungsverfahren. Nach Angaben der Länder gibt es in ihrem Bereich zudem straf- und disziplinarrechtliche Ermittlungen gegen mindestens 236 Angehörige. Einzig das Saarland meldet keine aktuellen Ermittlungen.
Die tatsächliche Zahl für ganz Deutschland soll aber deutlich höher liegen, da die Auswertung noch nicht komplett ist. In der bisherigen Gesamtzahl fehlen die Angaben der beiden bevölkerungsreichsten Länder Bayern und Nordrhein-Westfalen – ihre Angaben sind nicht mit denen der anderen Länder in statistischen Einklang zu bringen. Insgesamt gibt es zwischen 272 und 447 laufende Ermittlungsverfahren gegen Beschäftigte der Polizei im Zusammenhang mit mutmaßlichen Rechtsextremismus.
Hessen: Inhalte der „rechtsextremen“ Polizistenchats überwiegend straffrei
Erst kürzlich wurde die Auflösung des Spezialeinsatzkommandos (SEK) in Frankfurt am Main bekannt gegeben. Begründet wurde dies mit einem Rechtsextremismusverdacht. Im Nachhinein stellte sich durch die Ermittlungen heraus, dass die mutmaßlich „rechtsextremistischen“ Inhalte der Chatgruppen hessischer Polizisten überwiegend straffrei sind.
Der mit 10.000 Nachrichten beitragsstärkste der insgesamt sieben Gruppenchats enthalte drei strafrechtlich relevante Beiträge, sagte Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) am Donnerstag im Innenausschuss des Landtags.
In einem anderen Chat seien 24 von 9.000 Nachrichten als strafrechtlich relevant eingestuft worden. „Aus den fortschreitenden und weiterhin laufenden Ermittlungen hat das Landeskriminalamt den Eindruck gewonnen, dass die Chats nicht vornehmlich radikal geprägt waren. Schuldhaftes Verhalten der einzelnen Chatteilnehmer ist daher jeweils individuell zu bewerten“, erklärte Beuth.
Nach dem Auftauchen mutmaßlich rechtsextremer Chats bei Polizeibehörden wollten die Innenminister von Bund und Ländern eine Gesetzesänderung prüfen. Das Verwenden volksverhetzender Inhalte und Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen von Amtsträgern innerhalb geschlossener Chatgruppen solle unter Strafe gestellt werden, wie es in einem Beschluss der damals in Rust zu Ende gegangenen Innenministerkonferenz hieß.
Beschuldigte sind zwei ehemalige SEK-Beamte
Die Zahl der aktiven hessischen Polizisten in den betroffenen Chatgruppen erhöhte sich nach Angaben des hessischen Innenministeriums von 49 auf 50. Davon seien 36 Beamte des SEK Frankfurt. Gegen 25 Polizisten werde nicht strafrechtlich oder disziplinarisch ermittelt; sie werden als Zeugen geführt. Nach Angaben des Innenministeriums hätten sie sich von den Inhalten distanziert und seien aus den Gruppen teilweise auch ausgetreten.
Vor rund zwei Wochen hatte die Staatsanwaltschaft Frankfurt Ermittlungen gegen 20 hessische Polizisten öffentlich gemacht. Ihnen wird unter anderem das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen vorgeworfen. Bei den Beschuldigten handelt es sich den Angaben zufolge um zwei ehemalige SEK-Beamte, von denen einer nicht mehr für die hessische Polizei arbeitet, und 18 aktive Beamte des SEK Frankfurt, denen das Führen der Dienstgeschäfte verboten wurde. Einer wurde suspendiert.
Nach Angaben vom Donnerstag können bei sieben der 19 hessischen Polizisten keine Disziplinarverfahren eingeleitet werden, weil das Fehlverhalten zu weit in der Vergangenheit liegt. Fünf Disziplinarverfahren wurden eingeleitet, weil sich Beamte in privaten Chats über Dienstpläne ausgetauscht hatten.
Ermittlungen wegen des Verdachts des Besitzes von Kinderpornografie
Auslöser der Verfahren waren Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Mainz gegen einen Frankfurter SEK-Beamten wegen des Verdachts des Besitzes von Kinderpornografie. Auf den Handys des Mannes wurden rund 240.000 Nachrichten innerhalb von fast 1.800 Gruppen- oder Einzelchats gefunden. Die Ermittlungen ergaben, dass der 38-Jährige Mitglied in sieben Chatgruppen war, in denen überwiegend 2016 und 2017 strafrechtlich relevante Inhalte geteilt wurden.
Beuth löste als Reaktion auf die Vorfälle das Frankfurter SEK vor zwei Wochen auf und kündigte einen Neuaufbau an. In einer Sondersitzung des Innenausschusses im Landtag vergangene Woche wurden größere Dimensionen des Falls bekannt. In den Chats waren demnach Frankfurter SEK-Beamte, Polizisten mehrerer Präsidien, aus dem Landeskriminalamt, der Bereitschaftspolizei und dem Landespolizeipräsidium Mitglied. 13 der beschuldigten SEK-Polizisten seien am Tatabend des rassistischen Anschlags von Hanau in der Stadt im Dienst gewesen. (dts/afp/er)
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