MeckPomm auf dem Weg in die Sackgasse? Zoff um Hotspot-Regelung

Ein Gesetz ohne handfeste Kriterien, zerstrittene Minister, fragwürdige Begründungen. Die neue Hotspot-Regelung im Infektionsschutzgesetz sorgt für heftige Debatten.
Titelbild
Schild mit der Aufschrift „Zugang nur nach 3G-Regel“ – Getestet, geimpft oder genesen.Foto: iStock
Von 31. März 2022

Der Streit um die Hotspot-Regelung reißt nicht ab. Aufgrund der neuen Regelungen im Infektionsschutzgesetz (IfSG) sollen die allermeisten Corona-Beschränkungen am 2. April bundesweit auslaufen. Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern gehen Sonderwege.

Allgemeine Regeln zu Maskenpflicht und Tests sind ab Sonntag nur noch in Einrichtungen wie Kliniken und Pflegeheimen vorgesehen; auch die Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr bleibt vorerst bestehen. Anders ist es in Supermärkten. Hier kann man nach dem neuen IfSG wieder ohne Maske einkaufen. 2G- und 3G-Regelungen sollen der Vergangenheit angehören, wenn es da nicht die sogenannte Hotspot-Regelung geben würde.

Nach dem neuen IfSG können Regionen, sogenannte Gebietskörperschaften – also Gemeinden, Städte, Landkreise –  über den 2. April mit Zustimmung des Landtages als Hotspot ausgerufen werden und von Verschärfung der Corona-politischen Maßnahmen Gebrauch machen.

Wie die Regelungen umzusetzen sind und ob ganze Bundesländer als Hotspot gelten können, ist umstritten. Schon vor Verabschiedung wurden von Experten während einer Anhörung im Bundestag die im Gesetz fehlenden Kriterien bemängelt: unter welchen Bedingungen die sogenannte Hotspot-Regelung und damit eine Verschärfung der Maßnahmen möglich sind.

Minister-Streit und fehlende Kriterien

Selbst unter den Ministern der Ampelregierung herrscht alles andere als Einigkeit. Während Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) die Bundesländer ermutigt, von der sogenannten Hotspot-Regelung und den damit verbundenen Verschärfungen der Corona-politischen Maßnahmen Gebrauch zu machen, mahnt Justizminister Marco Buschmann (FDP): Nur dort, wo das Gesundheitswesen konkret gefährdet ist, dürfe man die Hotspots ausrufen.

„Wo die Hotspot-Regeln gelten sollen, müssen auch durchweg die rechtlichen Voraussetzungen vorliegen“, so Buschmann. Wenn keine Gefahr für die Funktionstüchtigkeit des Gesundheitswesens bestehe, würden die Maßnahmen vor den Verwaltungsgerichten scheitern.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hatte insoweit auf vier Kriterien verwiesen: Wenn Kliniken die Notfallversorgung nicht mehr leisten könnten – wegen zu vieler Corona-Patienten oder Personalausfällen, wenn sie planbare Eingriffe absagen oder Patienten in andere Häuser verlegen müssten – sowie wenn Vorgaben zu einer Mindestpräsenz von Pflegekräften nicht eingehalten werden könnten. Es gibt keine konkreten Zahlen, keine Schwellenwerte. Stattdessen Aussagen, die der gesundheitspolitische Sprecher von CDU/CSU, Tino Sorge, als „viel zu unpräzise“ wertete.

Schon in der Bundestagsdebatte rund um die Änderungen des IfSG zeigten die Abgeordneten Unverständnis dafür, dass eine Maskenpflicht bis auf wenige Ausnahmen aufgehoben, aber gleichzeitig über eine allgemeine Impfpflicht diskutiert werde. In vielen Bundesländern regte sich zunächst massiver Widerstand, hier wollte man mit Verweis auf hohe Infektionszahlen und Personalengpässen in Krankenhäusern an den bestehenden Regelungen festhalten.

MV-Regierung ruft Hotspot-Regelung aus

In Mecklenburg-Vorpommern wurde die Verlängerung der Maßnahmen bis zum 27. April vom Landtag mit Stimmen von SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU, AfD und FDP bereits abgesegnet – und zwar für das ganze Bundesland. Gesundheitsministerin Stefanie Drese (SPD) begründete das Vorgehen mit viel zu hohen Inzidenzen im Land.

In der Landtagssitzung am 24. März hielt die ehemalige Justizministerin Katy Hoffmeister (CDU) dagegen: „[…] aufgrund dieses Gesetzes kann man diese Maßnahmen, die Sie vorhaben, schlichtweg nicht treffen.“ Dabei verwies die CDU-Politikerin darauf, dass es „wahrscheinlich eine ganze Weile dauern würde, bis jemand mit einer Klage vor den Gerichten Erfolg hätte.“ Hier auf Zeit zu spielen, hält Hofmeister für einen „gefährlichen Weg.“ Ein solcher Sonderweg, wie in Mecklenburg-Vorpommern eingeschlagen, lande in einer „Sackgasse“.

Der AfD-Abgeordnete Horst Förster, der auf eine über 30-jährige Karriere als Richter zurückblickt, fand ebenfalls klare Worte. Der Landesregierung sei es gelungen, „das Volk durch Panikmache und Gewöhnung gefügig zu machen.“

Diese Macht gebe man nur ungern ab, „denn sie bereitet zugleich den Boden für künftige Einschränkungen, etwa im Rahmen des Klimaschutzes.“ Er fügte hinzu: „Was wirklich krank macht und sogar die kritische Infrastruktur ins Wanken bringt, ist die völlig überzogene Quarantäne.“ Denn auch Leute, die vollkommen gesund seien und keinerlei Symptome hätten, würden aus dem Verkehr gezogen werden.

„Ich halte es nicht für mutig, sondern für ziemlich dreist, was die Regierung hier veranstaltet“, so Förster. „Sie überfahren in ihrem Corona-Zug bewusst ein von ihnen im Infektionsschutzgesetz gesetztes Haltesignal!“ Den „Irrsinn“ sehe man an der Diskussion, dass ein coronapositiver symptomfreier Arzt im Krankenhaus operieren darf, während negativ getestete ungeimpfte Pfleger ihren Arbeitsplatz verlieren.

Zurück in die Eigenverantwortung

Empört zeigte sich auch der FDP-Fraktionsvorsitzende im Landtag, René Domke, nach der Sitzung: „Mit dem Vorgehen der Landesregierung und den in diesem Zusammenhang im Landtag beschlossenen Anträgen führt die Landesregierung das neue Infektionsschutzgesetz ad absurdum.“

Entscheidung für das Verhängen von stark freiheitseinschränkenden Maßnahmen sei die Überlastung des Gesundheitssystems in eng zu begrenzenden Hotspots. „Die Staatskanzlei scheint dies nicht verstanden zu haben“, so Domke. Es sei an der Zeit, die Menschen aus den Freiheitsbeschränkungen in ihre Eigenverantwortung zu entlassen und nur dort nachzusteuern, wo es zwingend notwendig sei und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz es zulasse.

Ob die in Mecklenburg-Vorpommern ausgerufene Hotspot-Regelung vor Gericht Bestand hat, wird sich zeigen. Fraglich ist auch, wie lange die Vorgaben zu Quarantäne und Isolation aufgrund eines positiven Corona-Tests noch Bestand haben. Nach Aussagen von Gesundheitsministerin Stefanie Drese hat die Gesundheitsministerkonferenz einen entsprechenden Prüfauftrag an das Robert Koch-Institut geschickt. Dieses soll eine fachliche Bewertung vornehmen, „ob und wie lange eine Absonderung von Infizierten und Kontaktpersonen in der aktuellen Pandemiephase der Folgenminderung angezeigt ist”.

Abgespeckte Hotspot-Regelung in Hamburg

Am 30. März stimmte auch die Hamburger Bürgerschaft über die Hotspot-Regelung ab. Der Senat hatte das Landesparlament darum gebeten, um zunächst bis Ende April weiterhin Maßnahmen wie eine Maskenpflicht in Innenräumen und Läden anordnen zu können. Die Mehrheit entschied, dem zu folgen.

Neben der Maskenpflicht wird in Hamburg auch die 2G-plus-Regel für Geimpfte oder Genesene mit zusätzlichem negativen Test bei Tanzveranstaltungen beibehalten – getanzt werden darf unter 2G plus aber weiter maskenlos. In den Schulen soll die Maskenpflicht generell weiter gelten – allerdings sollen Schüler und Lehrer die Masken an ihren Plätzen ab Montag im Unterricht abnehmen dürfen.

AfD und FDP hatten bereits im Vorfeld angekündigt, Klage einzureichen, sollte die Hotspot-Regelung in Hamburg beschlossen werden. Die Hansestadt hat bundesweit eine der niedrigsten Inzidenzen.



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