Markus Söder lobt die Kanzlerin – und kritisiert CSU-Chef Seehofer
Theo Waigel schreibt gerade an einem Buch, es soll im kommenden Jahr erscheinen. Thema soll die schwerste Krise der Schwesterparteien von CDU und CSU sein, wie der CSU-Ehrenvorsitzende am Sonntag im Benediktinerkloster Ottobeuren sagt. Gemeint ist allerdings nicht dieses Jahr, sondern der Trennungsbeschluss in Wildbad Kreuth von 1976. Im Vergleich zu damals sei der heutige Umgang von CDU und CSU „geradezu liebevoll“.
Waigel sagt das mit Blick auf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU), die in der ersten Reihe im Kaisersaal des prächtigen Klosters sitzen und zu Waigels launigen Anmerkungen viel Gelächter von den Gästen des europapolitischen Symposiums zu hören bekommen.
Ohne den Einsatz des erklärten Merkel-Fans Waigel hätte es wohl keinen Auftritt der Kanzlerin mit Söder im bayerischen Landtagswahlkampf gegeben. Auf dem Höhepunkt des Flüchtlingsstreits drang ein Satz von Söder nach außen, der nicht abfälliger gegenüber Merkel hätte sein können. „Zu meiner Abschlusskundgebung kommt keine Bundeskanzlerin, sondern ein Bundeskanzler“, soll er gesagt haben – er meinte Österreichs Regierungschef Sebastian Kurz.
Nun, an diesem Sonntag, gibt es wieder mehr Anzeichen von Respekt für die Bundeskanzlerin. Er sage „ausdrücklich“, dass er Merkel herzlich begrüße, sagt Söder. Dem Bayerischen Rundfunk sagt er sogar, dass er sich vom Besuch der zuletzt in Bayern unerwünschten Kanzlerin Rückenwind für seinen Wahlkampf wünsche.
Merkel und Söder geben in Ottobeuren beide ein Bekenntnis für eine pro-europäische Politik ab. Das Spannendere an dem gemeinsamen Auftritt ist zwischen den Zeilen herauszuhören. Und dies vor allem von Söder.
Ganz offen lässt der gegen den Umfrageabsturz der CSU auf Werte von um die 35 Prozent kämpfende Söder erkennen, dass er den späten Wechsel im Amt des Ministerpräsidenten von Horst Seehofer auf ihn inzwischen für einen Fehler hält. Er sei jetzt sechs Monate Ministerpräsident, „wegen mir hätte es auch schon ein bisschen eher starten können“. Seehofer hatte einen früheren Wechsel abgelehnt.
Und Söder geht auch indirekt auf Distanz zur Strategie von Seehofer gegen Merkel im Flüchtlingsstreit. Lösungsorientiert lasse sich etwas erreichen, „der aggressive Ansatz, da kann man nichts lösen“, sagt der Ministerpräsident. Und er lobt, dass Merkel in Europa Erfolge erzielt habe.
Merkel dürfte dies mit Genugtuung wahrgenommen haben. Die selbst seit der Abwahl von Unionsfraktionschef Volker Kauder unter erhöhtem Druck stehende Kanzlerin kann ein entspannteres Verhältnis zur Schwesterpartei gut gebrauchen. Womöglich wird das Verhältnis zu Söder bald deutlich enger: In der CSU wird spekuliert, dass Seehofer ein schlechtes Wahlergebnis bei der Bayernwahl angekreidet würde und nicht Söder. Würde Seehofer stürzen, könnte Söder ihm als CSU-Chef folgen – so gehen die Spekulationen.
Merkel setzt in ihrer Rede aber eine Spitze, die auf den ersten Blick US-Präsident Donald Trump gilt, auf den zweiten Blick aber auch eine Watschn für Söder ist. Merkel warnt Trump nach seiner Kritik bei der UN-Vollversammlung vergangene Woche davor, die Vereinten Nationen und deren Idee der internationalen Zusammenarbeit zu „zerstören“.
Beim US-Präsidenten kritisiert sie, dass er Multilateralismus – also genau die Zusammenarbeit in solchen Bündnissen – ablehne. Allerdings hatte auch Söder während der immer neuen CSU-Attacken auf Merkel im Flüchtlingsstreit von einem „Ende des geordneten Multilateralismus“ gesprochen. Doch mit seiner pro-europäischen Rede zeigt Söder, dass solche Töne von ihm derzeit nicht mehr zu erwarten sind. (afp/so)
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