Mannheim-Attentäter seit einem Jahr radikalisiert – Polizeigewerkschaft fordert Schutzprogramm

Der stellvertretende Vorsitzende der Polizeigewerkschaft DPolG, Manuel Ostermann, hat unter dem Eindruck des Messerangriffs in Mannheim Maßnahmen gegen Dschihadisten und zum Schutz von Polizisten gefordert. Unterdessen werden neue Details über den Tatverdächtigen bekannt.
Polizisten trauern auf dem Mannheimer Marktplatz um ihren getöteten Kollegen.
Polizisten trauern auf dem Mannheimer Marktplatz um ihren getöteten Kollegen.Foto: Boris Roessler/dpa
Von 4. Juni 2024

Unter dem Eindruck des Messerangriffs von Mannheim hat der stellvertretende Bundesvorsitzende der Bundespolizeigewerkschaft DPolG, Manuel Ostermann, Konsequenzen gefordert. Zum einen solle es ein Paket an Sofortmaßnahmen gegen Bestrebungen geben, die der Verfassungsschutz dem Phänomenbereich des Islamismus zurechnet. Darüber hinaus forderte er ein Maßnahmenpaket zum Schutz von Polizeibeamten.

Attentäter von Mannheim hatte auch Kampfsporterfahrung

In einem Gastbeitrag für „Focus online“ gab Ostermann seiner Bestürzung über den Tod seines 29-jährigen Kollegen Rouven L. Ausdruck. Gleichzeitig äußerte er, das „Bewusstsein über das islamistische Problem in Deutschland“ müsse „jetzt in den politischen Fokus“.

Mutmaßlich aus politischen Motiven hatte der 25-jährige afghanische Staatsangehörige Sulaiman A. am Freitag, den 31. Mai, Teilnehmer einer geplanten Kundgebung angegriffen. Diese hatte eine der verfassungsschutzrelevanten Islamfeindlichkeit zugeordnete Bewegung angemeldet. Bei dem Angriff wurden sechs Personen verletzt.

Tödlich endete die Attacke jedoch für den 29-jährigen Polizisten. Der Tatverdächtige stach auf ihn mit einem Kampfmesser ein, während dieser eine in den Tumult involvierte Person festhielt. Am Sonntag verstarb der Beamte an den Folgen seiner Verletzungen. Der Attentäter, der auch Kampfsporterfahrung hatte, konnte erst durch einen gezielten Schuss gestoppt werden.

Ostermann bringt Grundrechtsentzug für extreme Prediger ins Spiel

Der Gewerkschaftsfunktionär sieht Deutschland in einer „sicherheitsspezifischen Schieflage“. Die Bundesregierung und viele politische Verantwortliche hätten dabei „sicherheitspolitisch die Realität aus den Augen verloren“. Dabei wäre es an der Zeit, „Islamisten rechtsstaatlich zu bekämpfen“.

Ostermann fordert, man müsse ausländische Staatsangehörige, die dem Phänomenbereich zuzuordnen seien, „konsequent ausweisen und abschieben“. Im Falle doppelter Staatsangehörigkeit sollte eine Ablehnung der deutschen Verfassung und schwere Straftaten ein Grund zum Entzug des deutschen Passes sein.

Zudem forderte Ostermann „sensible Kontrollen“ in Deutschland ausgebildeter Imame. Um den Einfluss von radikalen Predigern wie dem Salafisten Pierre Vogel einzudämmen, müssten „klare gesetzliche Lösungen zur Einschränkung von Grundrechten definiert“ werden.

Bundesregierung soll häufiger „besonderes Ausweisungsinteresse“ geltend machen

Um die Polizei besser aufzustellen, müsse es ein Ende der Einsparungen bei der Polizei geben. Allein 2024 sei der Etat der Bundespolizei um eine knappe halbe Milliarde Euro gekürzt worden. Dies stelle nicht nur wichtige Investitionen infrage, sondern mache bereits die Abdeckung laufender Kosten schwierig.

Ostermann fordert zudem mehr moderne Technik für die Beamten – von der Teilautomatisierung der Videoanalyse über einen optimierten Digitalfunk bis hin zum Distanz-Elektroschocker. Bereits vor der Attacke von Mannheim hatte der Gewerkschafter gegenüber „WELT TV“ beklagt, dass die Abschiebung straffälliger ausreisepflichtiger Personen in Deutschland häufig am Fehlen von Passersatzpapieren scheitere.

Deren Beschaffung funktioniere nicht. Um dem gegenzusteuern, müsse die Bundesregierung eine Gesetzesänderung veranlassen. Diese könnte den Weg für eine Abschiebehafteinrichtung des Bundes freimachen. Zudem solle die Bundesregierung bei schweren Straftaten ein „besonderes Ausweisungsinteresse“ geltend machen.

Die potenziellen Anwendungsfälle dafür sind in Paragraf 54 des Aufenthaltsgesetzes geregelt. Die Regelung könne in unterschiedlichsten Fällen von Tötungsdelikten über Sexualstraftaten bis hin zur Gefährdung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung Anwendung finden. Jedoch unternehme die Ampel nichts in diese Richtung und trage, so Ostermann, damit zur weiteren Radikalisierung innerhalb der Gesellschaft bei.

Hätte sich das Attentat von Mannheim verhindern lassen?

Ob die vom DPolG-Vize geforderten Maßnahmen den Angriff von Mannheim verhindert hätten, ist fraglich. Sulaiman A. war als 14-Jähriger im März 2013 zusammen mit seinem Bruder aus Afghanistan gekommen. Sein Asylantrag wurde zwar abgelehnt, einer Abschiebung stand jedoch sein minderjähriges Alter entgegen.

Außerdem war A. zuvor nie negativ aufgefallen. Er erwarb einen erweiterten Hauptschulabschluss und ein B2-Zertifikat in Deutsch, was ein fortgeschrittenes Sprachniveau bestätigt. Bekannte hätten den Afghanen als „höflich, zurückhaltend und hilfsbereit“ beschrieben, berichtet „Bild“. Eine auffällig starke Religiosität sei bei ihm nicht zu beobachten gewesen.

Der spätere Attentäter war zudem seit 2019 verheiratet und hatte mit seiner deutschen Frau zwei Kinder im Kleinkindalter. Welche Faktoren seine Wandlung zum mutmaßlich dschihadistisch motivierten Attentäter auslösten, sind noch unklar.

Tatverdächtiger verfolgte in jüngster Zeit Predigten eines radikalen Taliban-Geistlichen

Vieles spricht jedoch dafür, dass die lange Arbeitslosigkeit und die damit verbundene Unmöglichkeit, einer Versorgerrolle nachzukommen, ein Destabilisierungsfaktor seiner Persönlichkeit gewesen sein könnte. In weiterer Folge scheint eine Ansprechbarkeit für extreme Vorstellungen entstanden zu sein.

Die Auswertung eines YouTube-Accounts deutet darauf hin, dass seit etwa einem Jahr ein Radikalisierungsprozess stattgefunden haben könnte. Zu diesem Zeitpunkt sei Nachbarn zufolge auch eine Verhaltensänderung hin zu mehr Distanz festzustellen gewesen.

Ermittler stießen auf dem erst kürzlich wieder aktivierten Account auf Videos des verstorbenen afghanischen Predigers Ahmad Zahir Aslamiyar. Dieser war ein früherer Kommandant der Taliban und rief zum Krieg gegen den Westen auf. Einen Tag nach dem Messerangriff sei der Account nicht mehr zugänglich gewesen.



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